Bangladeschs Ex-Premier verurteilt: Dynastie der Unruhen
Das Todesurteil erreicht Bangladeschs Ex-Premierministerin Sheikh Hasina im Exil. Es ist nicht das erste Mal, dass sie das Land verlassen musste.
Das Sondertribunal ICT in Dhaka hat am Montag Bangladeschs ehemalige Premierministerin Sheikh Hasina wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tode verurteilt. Es ging dabei um die gewaltsame Niederschlagung von Studentenprotesten durch ihre Regierung 2024, bei denen laut UN-Angaben insgesamt über 1400 Menschen ums Leben kamen. Seit ihrem gewaltsamen Sturz Anfang August 2024 hält sich die 78-Jährige allerdings im indischen Exil auf.
„Die angeklagte Premierministerin Sheikh Hasina hat durch ihre Anstiftung und das Versäumnis, vorbeugende und strafende Maßnahmen zu ergreifen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen“, erklärte das Gericht in ihrer Abwesenheit. Sie habe bei den Protesten 2024 den Einsatz von Drohnen, Hubschraubern und scharfer Munition angeordnet. Ihre Verurteilung zum Tode löste Beifall im Gerichtssaal aus. Draußen forderten Demonstrierende bereits seit dem Morgen die „höchste Strafe“.
Aus dem sicheren Exil bezeichnete sie das Verfahren als politisch motiviert und erklärte: „Ich habe keine Angst, meinen Anklägern in einem ordentlichen Gericht gegenüberzutreten.“ Laut Anklage war sie für Befehle verantwortlich, die zu Verweigerung medizinischer Hilfe, Verletzungen und Massentötungen führten – mit dem Ziel, die von Studierenden getragenen Proteste brutal niederzuschlagen.
Das Urteil gegen sie fällt nun wenige Monate vor den vorgezogenen Parlamentswahlen im Februar, von denen ihre Awami-Liga ausgeschlossen ist. Bereits im Vorfeld wurde befürchtet, dass der Schuldspruch zu neuen Unruhen führen könnte. So wurden Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, nachdem Hasinas Partei zum landesweiten Streik aufgerufen hatte. Bereits zuvor waren in Dhaka Sprengsätze detoniert und Fahrzeuge brennend aufgefunden worden.
Die Wut sitzt tief
Die Wut auf ihr Regime sitzt tief. Kritiker:innen sprechen von „16 Jahren der Plünderung“, in denen Eliten Milliarden außer Landes geschafft hätten. Im Sondertribunal ging es jedoch in erster Linie um die Aufarbeitung der Gewalt. Mitangeklagt war ihr flüchtiger Parteikollege Asaduzzaman Khan Kamal, der ebenfalls die Todesstrafe erhielt. Der frühere Polizeichef Chowdhury Abdullah al-Mamun gestand als einziger und kam mit fünf Jahren Haft davon.
Hasina und ihre Anhänger attackieren das Verfahren als „Scheingericht“, das von einer nicht gewählten Regierung eingerichtet worden sei – obwohl das Tribunal unter ihrer eigenen Regierung gegründet wurde. Man wolle sie zum „Sündenbock“ machen, um von den Versäumnissen der Übergangsregierung abzulenken.
Trotz ihres immer autoritärer werdenden Kurses hatte Hasina vor 2024 international zahlreiche Anerkennung erfahren. Das Time-Magazin aus den USA zählte sie zu den einflussreichsten Menschen der Welt und sie galt als eine der wenigen Frauen Asiens mit langjähriger Regierungserfahrung. Sie versprach, Bangladesch zu einem Land mit mittlerem Einkommen zu machen, förderte den Arbeitsmarktzugang von Frauen und duldete Hunderttausende Rohingya-Flüchtlinge im Land.
Ihr harter Führungsstil lässt sich auch aus ihrer Biografie erklären: Nach der Ermordung ihres Vaters 1975, des damaligen Präsidenten und Premierministers Sheikh Mujibur Rahman, lebte sie sechs Jahre im Exil, überstand Attentate und stand mehrfach unter Arrest. 1996 bis 2001 war sie das erste Mal Premierministerin, 2009 kehrte sie nach acht Jahren in der Opposition an die Macht zurück und blieb bis zu ihrem Sturz – stellte sich jedoch taub für die wachsende Unzufriedenheit über ihr repressives System, das zunehmend als „Wahlautokratie“ beschrieben wurde.
Die Übergangsregierung unter Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus hat bereits vergeblich versucht, ihre Auslieferung aus dem indischen Exil zu erwirken. Zwar gibt es ein Auslieferungsabkommen zwischen den beiden Ländern, doch das ermöglicht eine Ablehnung, sofern das Verfahren einen politischen Charakter hat.
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