Band „Silly“ über Rüstungsgeschäfte: „Ein Geschäft mit dem Tod“
Im Song „Vaterland“ setzt die Band „Silly“ ein Thema, das im Wahlkampf fehlt: Rüstungshandel. Die Musiker über die Deutschen, Naivität und Skrupellosigkeit.
taz: Frau Loos, Herr Hassbecker, in Ihrem neuen Lied, „Vaterland“, geht es um Rüstungsexporte. Warum? Weil das Thema im Wahlkampf fehlt?
Anna Loos: Nein, das Album mit diesem Lied haben wir ja schon vor einem Jahr fertig gemacht. Dieses Lied ist uns passiert, den Wahlkampf hatten wir nicht im Sinn. Das Thema treibt uns schon lange um, und dann war der Song auf einmal da – fertig in Wort und Musik. Aus vielen Kulturen und Religionen beeinflusste Weltmusik trifft auf die Worte mit dieser Aussage, die den Finger in die Wunde legt. Aber es ist für uns natürlich ein Thema, dessen sich die Parteien annehmen sollten. Und der Wahlkampf ist ein verdammt guter Zeitpunkt, sie darauf hinzuweisen, dass sie dieses nicht genug tun.
Passt ein politisches Lied in diese Zeit – wo doch in Deutschland ohnehin niemand so recht Lust hat, in den Krieg zu ziehen?
Uwe Hassbecker: Es geht nicht darum, „in den Krieg zu ziehen“, sondern um ein Geschäft mit dem Tod, an dem sich die deutsche Waffenlobby bereichert. Bestimmte Rüstungsexporte werden in geheimen Abstimmungen des sogenannten Bundessicherheitsrats, eines Gremiums, dem nur Regierungsvertreter und keine Vertreter der Opposition angehören, genehmigt. Das Parlament erfährt erst durch den Rüstungsexportbericht, wer welche Waffen bekommt, und das auch erst dann, wenn alles entschieden und vermutlich schon geliefert ist. Gebrauchte Waffen oder – schlimmer noch – Lizenzvergaben für den Bau von Waffen kommen in dem Bericht nicht vor.
Welche Wege diese Waffen in politisch instabilen Gebieten nehmen und ob sie sich am Ende nicht sogar gegen deutsche Soldaten im sogenannten internationalen Friedenseinsatz oder gegen friedliche Demonstranten richten, ist nicht mehr kontrollierbar. Also höchste Zeit, dieses Thema mehr in den Fokus zu rücken, und wenn es mit einem Lied ist. Gerade wir Deutschen stehen doch vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte hier in einer besonderen Verantwortung.
Anna Loos: Jahrgang 1970, ist Schauspielerin und Sängerin. Seit 2006 ist sie Mitglied von Silly. Beim Bundesvision Song Contest 2010 gewann sie mit ihrer Band den zweiten Platz. Als Schauspielerin sah man sie zuletzt in dem Psychodrama „Die Frau von früher“.
Uwe Hassbecker: Jahrgang 1960, ist Musiker und Musikproduzent. Seit 1986 ist er Gitarrist und Geiger von Silly. Zuvor spielte er in der Modern Soul Band (MSB) und bei Stern Meißen, einer der erfolgreichsten Bands der DDR.
Glauben Sie ernsthaft, Ihre Ziele, die in Ihrem Lied zum Ausdruck kommen, auf kurze Sicht zu erreichen?
Anna Loos: Nein! Ich glaube, dass für den größten Teil der Bevölkerung der Zusammenhang zwischen „den Fernsehkriegen“ – also den Bildern aus Medien aller Art, die ihnen, egal wo auf der Welt, das Grauen des Kriegs zeigen – und der Rüstungsindustrie gar nicht bewusst ist. Dafür sorgt unsere Art, mit Waffenexporten umzugehen.
In Deutschland muss der Waffenhandel transparenter werden, und dann wird dies auch für die Menschen in unserem Land ein Thema sein. In klaren Worten: Waffenhandel muss im deutschen Parlament verhandelt und verabschiedet werden und nicht in geheimen Sitzungen des Bundessicherheitsrats. Wenn man so will, wäre dies ein kleines Ziel auf dem Weg zu weniger Waffenverkauf, weniger Waffenproduktion und vielleicht dann auch weniger Krieg.
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Ist es nicht naiv, eine Welt ohne Waffen zu fordern – zumindest ohne deutsche?
Anna Loos: Das finde ich nicht! Otto Lilienthal wurde auch für naiv gehalten, als er glaubte, man könnte als Mensch durch die Luft fliegen. Heute können wir von Neuseeland nach Deutschland fliegen, können unterwegs schlafen und, wenn es sein muss, auch telefonieren. Wir, vor allem Deutschland, haben in der Welt eine Verantwortung zu übernehmen.
Es ist mir völlig klar, dass es Polizei und auch eine Armee geben muss, um ein Land zu verteidigen, zu helfen und auch Ordnung und Gesetz durchzusetzen. Aber das ist auch genau das, worauf die Deutschen sich beschränken sollten. Wir sind eines der führenden westlichen Industrieländer, und es gibt, außer der Bereicherung einiger weniger, keinen großen Grund, warum wir der drittgrößte Waffenlieferant der ganzen Welt sind.
Ist „Schwerter zu Pflugscharen“ noch eine zeitgemäße Parole?
Uwe Hassbecker: Warum nicht, aber mit Parolen allein kommt man nicht weit. Es geht hier um Veränderung, um aktives Handeln, um mehr Demokratie für eine friedlichere Welt.
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