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Bahnstrategie des VerkehrsministersVergleichsweise mutig

Nanja Boenisch
Kommentar von Nanja Boenisch

Verkehrsminister Patrick Schnieder will mit einer neuen Strategie die Bahn besser machen. Wie mehr Verkehr auf die Schiene kommen soll, sagt er nicht.

Immerhin soll es ab Dezember mehr Direktverbindungen zwischen zahlreichen deutschen Städten geben Foto: Oliver Berg/dpa

E s war ein holpriger Neustart, den Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) vergangene Woche mit der Deutschen Bahn hingelegt hat. Seine neue Bahnstrategie, die „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“, ist bei all der Aufregung über Personalien schon fast wieder vom Radar verschwunden. Dabei ist sie durchaus einen genauen Blick wert. Ob sie aber dazu führt, dass Kun­d:in­nen in naher Zukunft schon lieber zufrieden und klimafreundlich mit dem Zug als mit dem Auto reisen? Wohl kaum.

Für die große Wende wollte Schnieder auf neue Vorstände setzen – jetzt wird doch nur einer von zwei wichtigen Posten neu besetzt. Trotzdem hat sich der CDUler vergleichsweise mutig gezeigt und radikale Schritte wie die Neubesetzung des Che­f:in­nen­pos­tens überhaupt erst gewagt. Er will das viel kritisierte System der Trassenpreise reformieren, die Zugunternehmen fürs Befahren des Schienennetzes zahlen.

Er will sicherstellen, dass über mehrere Jahre hinweg genug Geld in die Bahninfrastruktur fließt. Diese Punkte sind vielversprechend. Der Bund will Ziele vorgeben und den politischen Rahmen für die Schiene verbessern. Die Deutsche Bahn soll sich um den Betrieb kümmern. Dass das ein Fortschritt ist, spricht Bände über die Verkehrspolitik und das Bahn-Management der Vergangenheit. Aber immerhin: Es ist ein Fortschritt.

Insgesamt betrachtet aber liefert auch Schnieder keine echte Eigentümerstrategie, auf die die Bahnbranche bereits seit Jahrzehnten wartet. Außerdem lässt die Bahnstrategie eine Gesamtperspektive auf die Schiene als klimafreundlichen Verkehrsträger völlig vermissen. Kein Wort darüber, wie viel Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden soll – im Personen- und im Güterverkehr.

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Wenn der Verkehrsminister die Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Schiene nicht mitdenkt, wenn er dafür keine Zielmarken setzt, dann kann die Deutsche Bahn zu einem schlankeren, irgendwann vielleicht zu einem profitableren Unternehmen werden. Nicht aber zum Gamechanger für Klimaschutz und Reisekomfort.

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Nanja Boenisch
Redakteurin
Schreibt im Ressort Wirtschaft + Umwelt über Mobilität und Verkehrswende.
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10 Kommentare

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  • Nun ja..das cdsU Credo lautet: das Auto bleibt Verkehrsmittel Nr.1.







    Gerade erst wurde verkündet, daß die A20, A26 und A39 nun (ohne Not) doch gebaut werden sollen.



    Es ist halt eine politische Entscheidung, ob man Ressourcen lieber in die Bahn investiert, oder aber gegen die langfristige Vernunft, in immer mehr Strassen und Autobahnen.







    Aber immerhin..es passiert, im Gegensatz zu den Verkehrsministern der csU, wenigstens mal etwas.







    Und wenn es bei dem Tempo bleibt, kann die Bahn schon in etwa 150 Jahren ihr Potenzial als klimafreundliches, sicheres, schnelles, bequemes und vor allem wirklich zuverlässiges Verkehrsmittel voll zur Geltung bringen...

  • Tut mir Leid, aber mehr Verkehr auf die Schiene ist gerade nicht die Priorität: Erst einmal muss der bestehende Verkehr auf der Schiene verlässlich werden, dann kann ein Ausbau der Kapazitäten angegangen werden. Die Bahn hat sich in der Vergangenheit genug verzettelt, weil sie zu viele Zielvorgaben gleichzeitig erfüllen sollte.

  • Die Bahn ist voll, kein Personal und um eine Großstadt autofrei zu machen muß die dortige Kapazität mindestens verdoppelt werden. Dafür gibt es kein Geld und schon lange keinen Platz mehr. Gebraucht wird das halbe Wolkenkuckucksheim zwei Stunden morgens und die andere Hälfte abends. Im Gegensatz zu meinem Privatauto das 23 Stunden steht, fährt die tonnenschwere Bahn 20 Stunden täglich halbleer zwischen Einöd, Kleinkleckersdorf und Hinterpfuiteufel spazieren.

    • @KeineHastUndHetze:

      Was denn nun, ist die Bahn voll oder halbleer?

  • Ich habe mehrere Jahrzehnte ohne Auto leben können, selbst mit Familie - aber irgendwann ging es dann auch nicht mehr. Im Moment tut mir das auch leid, aber es gibt so viele mögliche Probleme bei der Bahn, dass wir sie oft lieber nicht nutzen können oder wollen. Dass man dabei noch mehr Verkehr auf die Schiene verlagert sehe ich in den nächsten Jahrzehnten sowieso nicht. Allein die vorhandenen Strecken zu sanieren dauert jetzt nachvollziehbar ewig und dann bleibt die Frage, ob man dann schon neue Strecken hat, die mehr Kapazität aufnehmen können. Ich stell mich schon drauf ein, dass nicht mehr zu erleben.

  • Auch hier scheint der Weg in die Hölle wieder mit guten Absichten gepflastert zu sein. Wenn jetzt noch mehr Menschen von der Straße auf die Schiene wechseln sollen, damit man SOFORT etwas fürs Klima tut, führt das unweigerlich zu einer weiteren Überlastung der Bahn und damit zu einer Verschlechterung der Situation für alle Bahnkunden.

    Die Infrastruktur muss dafür schon bereit sein und das ist gegenwärtig nicht der Fall und wird auch noch einige Jahre nicht der Fall sein, diese Realität muss man mal anerkennen. Bereits das Deutschlandticket war ja ein zweischneidiges Schwert für die Bahn, jetzt noch einen oben drauf zu setzen wäre der Todesstoß.

    Man darf halt nicht vergessen das mehr als 3/4 aller Fahrten mit der Bahn einen geschäftlichen Hintergrund haben. Wenn man einmal im Jahr zu Tante Erna fährt, dann kann man eine mehrstündige Verspätung aus Idealismus problemlos verknusen. Wenn man sich das jede Woche oder gar täglich geben muss dann wird es irgendwann unerträglich und dann wird die Bahn auch irgendwann Kunden verlieren.

  • Straßenverkehr auf die Schiene verschieben? Das ist als Witz gemeint, oder?



    Die Bahn ist vollkommen unzuverlässig und das nicht nur an heftigen Tagen wie Weihnachten oder so, sondern jeden Tag, 365 Tage im Jahr eine einzige Enttäuschung.



    Und das in einem Land in dem Pünktlichkeit groß geschrieben wird und jeder Arbeitnehmer schon nach 3 mal Verspätung (mit jeweils ner Abmahnung) gekündigt werden kann. Irgendwelche Bescheinigung das die Bahn mal wieder ausfiel interessiert auch nur die guten Chefs.



    Ist doch total abstrus so ein unzuverlässiges System zu haben, jeden Arbeitnehmer der deshalb zu spät kommt dann die Schuld zu zu schieben, und gleichzeitig aber die Leute zu mehr Bahn fahren bringen zu wollen.



    Da passt etwas vollkommen nicht zusammen!

  • Schon zu Beginn des Prozesses der Zerschlagung der Bahn haben Eisenbahn Fachleute gewarnt .Die Bahn funktionierte wie ein großes Uhrwerk,bei dem ein Rädchen mit den restliche Uhrwerk genau abgestimmt sein muss,um als komplexes Ganzes zu funktionieren.Aber Politiker und selbst ernannte Besserwisser wie Mehdorn konnte die Zerschlagung des bis dahin noch relativ gut funktionierten Systems Bahn ,ja nicht schnell genug gehen.Fachschulen und Fachstudiengänge für das System wurden abgeschafft und durch sogenannte Wirtschaftsfachkräfte ersetzt."Tafelsilber" wurde verschleudert und je nach Besetzung in der Konzernspitze,ging es einmal Hü und einmal Hot.Kenner des Systems Bahn haben nur mit dem Kopf geschüttelt und den weiteren Niedergang vorher gesagt .Wenn die dabei sinnlos vergeudeten Gelder wieder in einen gesamt Komplex Bahn investiert worden wären und dazu wieder Verkehrs Fachschulen fortgeführt worden wären ,ständen wir heute nicht vor so einem Trümmerhaufen Bahn.Die vielen anderweitig versuchten Wege der nun zahlreich gescheiterten Bahnvorstände sprechen doch wohl eine eindeutige Sprache.Aber statt sich Fehler einzugestehen experimentiert man lieber bis zum endgültigen Niedergang.

  • Schnieder ist doch als Verkehrsminister gleichermassen für Schiene UND Strasse zuständig und beides gehört zusammen: Weil sich gerade herausstellt, dass angesichts der immer maroder werdenden Strassen, Brücken und Tunnels sich der Strassenverkehr gerade festgefahren hat und die Milliarden -zumindest in den öffentlichen Haushalten- fehlen, um dem privaten Verkehr auf der Strasse überhaupt gerecht zu werden (in den Preis für ein Auto müssten -wie in Dänemark, Singapore oder Japan- z.B. durch eine Steuer die Instandhaltungskosten des privaten Verkehrs einkalkuliert werden), stellt sich die Frage nach der Effizienz der jeweiligen Infrastruktur. Und in diesem Bereich haben Schienenverkehre eindeutige Vorteile, wenn sie entsprechend geplant und erhalten werden. Und die Nutzer haben -wie das Beispiel Japan zeigt- große Vorteile im Vorankommen. Wenn wir die Kosten/Nutzen-Kalkulation des Autoverkehrs so ehrlich anstellen und die Folgekosten dem Autokäufer von Anfang an in Rechnung stellen, wird sich herausstellen, dass diese Form der Fortbewegung viel zu teuer ist. Insofern stellt sich die Frage nach einer Zukunft des 'weiter so' wie es von dieser Regierung betrieben wird....

  • "Verkehrsminister Patrick Schnieder will mit einer neuen Strategie die Bahn besser machen. Wie mehr Verkehr auf die Schiene kommen soll, sagt er nicht."



    Muss er auch nicht. Wenn die Bahn gut (und preislich attraktiv) ist, geht das von allein.