Bahnausbau in Niedersachsen: Schwarzer Freitag für SPD-Chef

Fridays for Future demonstriert für Neubau der Bahnstrecke Hamburg—Hannover. Damit wenden sie sich gegen Lars Klingbeil, aber auch gegen den Nabu.

Lattenkreuz auf einer Wiese als Protest gegen eine geplante Bahnstrecke

Es ist ein Kreuz: Protest gegen geplante Bahntrasse Foto: Jonas Walzberg/dpa

HAMBURG taz | In dem jahrzehntelangen Streit über einen Ausbau des Bahnnetzes in Norddeutschland kommt von unerwarteter Seite Bewegung: Fridays for Future (FFF) Hamburg und Niedersachsen sprechen sich dafür aus, eine neue Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover zu errichten. Dazu wollen die Klimaaktivisten eine Kundgebung am heutigen Freitag ab 15 Uhr am Hamburger Gänsemarkt abhalten.

Der Aufruf richtet sich explizit an den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, der sich gegen eine Neubaustrecke ausgesprochen hat, die durch seinen Bundestagswahlkreis führen würde. Allerdings hat sich auch der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen erst kürzlich gegen einen Neubau ausgesprochen.

Um das überlastete Bahnnetz zwischen Hamburg, Bremen und Hannover zu verbessern, wurde unter der Beteiligung von Bürgerinitiativen, Umweltverbänden und Kommunen eine Vielzahl an Varianten diskutiert: von der ursprünglich angedachten Y-Trasse als Neubaustrecke bis zur Variante Alpha E, auf die sich eine breite Mehrheit der Akteure im „Dialogforum Nord“ 2015 verständigt hat.

Inzwischen sind der Bund und die Bahn von diesem Kompromiss allerdings abgerückt. Gutachter der Bahn und des Bundes erklärten, „eine engpassfreie, zukunftsfähige, deutschlandtakt-kompatible und nachhaltig robuste Schieneninfrastruktur (pünktlicher und staufreier Bahnbetrieb)“ seien damit „nicht realisierbar“. Der Deutschland-Takt meint einen bundesweit abgestimmten Fahrplan, nach dem in regelmäßigen Abständen Züge fahren. Jetzt wird wieder über eine Neubaustrecke diskutiert.

Klingbeil als Verkehrswende-Verhinderer

Die Fridays-for-Future-Gruppen hatten Klingbeil dazu vor zwei Wochen einen Brief geschrieben. Darin werfen sie dem SPD-Vorsitzenden vor, das Klimaziel der Bundesregierung zu torpedieren, indem er sich in seinem Wahlkreis der Verkehrswende in den Weg stelle. „Sie positionieren sich gegen den notwendigen Bau der ICE-Neubaustrecke Hannover–Hamburg, aber fordern parallel den Ausbau der dortigen A7 auf sechs Spuren“, schreibt FFF.

Die Klimaaktivisten verweisen darauf, dass neue Autobahnspuren zu mehr Verkehr und damit auch höheren Emissionen führten. Schon seit Jahren sei ebenfalls klar, „dass allein eine neue Bahnstrecke den Verkehrsengpass zwischen Hamburg und Hannover sinnvoll auflösen kann“. Zwar propagierten Klingbeil und die Landes-SPD dafür den Ausbau der bestehenden Strecke zwischen Lüneburg und Uelzen. Der sei aber „nachweislich unzureichend, um mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen“. Zum anderen würde ein Ausbau viel länger dauern als ein Neubau.

Ebenfalls mit dem Kapazitätsargument hat im Juli noch einmal der Verkehrsclub Deutschland (VCD) davor gewarnt, nur die Bestandsstrecke auszubauen. Überdies würde ein Ausbau lange Baustellen und Einschränkungen während der Bauzeit mit sich bringen. Dagegen könnte ein Neubau Orte neu ans Schienennetz anschließen, die bisher links liegen gelassen wurden, während Lüneburg und Celle auch in Zukunft Haltepunkte für den Fernverkehr bleiben könnten. So entstünde eine Win-win-Situation für beide Regionen.

Dieser Argumentation will der Nabu nicht folgen. Er pocht auf die Ausbauvariante Alpha E, also den Kompromiss, an dessen Erarbeitung er selbst beteiligt war. Dieser sei „getragen von einer breiten Mehrheit, eine sinnvolle Lösung für den Schienenausbau“. Zentral für den Naturschutzbund ist dabei, das ein Streckenausbau weniger Fläche verbraucht. Zudem würde er die Landschaft, mithin den Naturraum, nicht ein weiteres Mal zerschneiden.

Immer schneller, immer weiter, immer höher

Allerdings soll die Neubaustrecke zum größten Teil entlang der A7 verlaufen. „Es muss realistisch betrachtet werden, welche Auswirkungen das Bestreben nach immer schneller, immer weiter, immer höher für die Natur haben würde“, forderte der Nabu-Landesvorsitzende Holger Buschmann.

An dieser Stelle kommt eine andere Herangehensweise des Nabu ins Spiel. Um den Deutschland-Takt zu erreichen, seien keine Schnellfahrstrecken nötig, wie es die Bahn plane. Der Takt sei auch mit längeren Fahrzeiten erreichbar, ohne dass die Züge mit Energie verschlingenden 300 Stundenkilometern durch die Heide brettern müssten. Das Netz an kleinen Stellschrauben zu verbessern, könne genau so viel bringen, sei aber klimafreundlicher.

Auch der Nabu behauptet, seine Variante sei schneller umzusetzen und kostengünstiger.

Klingbeil hat sich zur Sache auf Instagram geäußert. „Wir sind uns alle einig, dass wir mehr Kapazität auf der Schiene brauchen, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen“, schreibt er. Schnell und zeitnah lasse sich das nur mit den Ergebnissen aus dem Dialogforum Schiene-Nord von 2015, also mit der Variante Alpha E, umsetzen. Die Neubaupläne schürten Unsicherheit in der Region. Es drohe ein Vertrauensverlust.

In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, Lars Klingbeil wäre SPD-Generalsekretär. Das war er aber nur bis Dezember 2021.

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