Bad Oldesloer Politik gegen Vermieter: Rechtshilfe gegen Heuschrecke
Bad Oldesloe will gegen einen unsozialen Immobilienkonzern vorgehen. Die Stadt schafft eine kostenlose Rechtsberatung für Mieter*innen.
Rund 400 Menschen leben in den beiden zwölfstöckigen Hochhäusern. Als die Wohnungsgenossenschaft „Neue Lübecker“ die Häuser verkauft, werden sie zum Spekulationsobjekt von Immobilienfirmen. Die Eigentümer wechseln alle paar Jahre. Seit 2018 ist die „Adler Group“ zuständig – sie sitzt in Berlin, für die Bewohner*innen ist sie fast nie erreichbar.
Die Stadt will dem Immobilienkonzern nun etwas entgegensetzen und gemeinsam mit den Mieter*innen in den juristischen Kampf ziehen: In Zukunft wird eine Rechtsberatung vor Ort eingesetzt. Kostenfrei, niedrigschwellig, nah dran und rechtssicher soll sie sein. Im Ernstfall werden auch Anwält*innen vermittelt.
Bisher vermeiden viele Bewohner*innen die Auseinandersetzung. Nicht ganz grundlos: Wer sich wehrt, die Miete mindert, übertriebene Nebenkosten einbehält, der hat schnell eine Klage von Adler am Hals. Trotz der miesen Wohnsituation: Die Menschen im Hölk haben vor allem Angst, ihre Wohnung dort zu verlieren; für viele ist keine Alternative in Sicht.
Sprechstunden sind voll
Einen Mieterschutzbund gibt es auch heute schon in Bad Oldesloe. Doch der werde von den Leuten im Hölk kaum genutzt, sagt Wieck. Die größte Hürde seien nicht die Mitgliedschaftsbeiträge. „Das Problem ist vor allem, dass die Menschen kein Vertrauen dazu haben“, sagt der CDUler. Viele Bewohner*innen der Hochhäuser sprechen kaum Deutsch, die Erfahrungen mit Ämtern sind schlecht.
Vertrauen dagegen gibt es zu den Mitarbeiter*innen und Ehrenamtlichen im Quartierstreffpunkt „Plan B“ direkt vor der Tür: Wieck berichtet, dass er selbst auch mal gegen Mitternacht angerufen werde, wenn ein Wasserschaden oder allgemeine Verzweiflung auftreten. Auch die regulären Sprechstunden bei Plan B sind voll, in Coronazeiten finden sie draußen vor den Hochhäusern statt. „Aber wir kommen an unsere Grenzen“, erklärt Initiatorin Maria Herrmann. Rechtssichere Auskünfte könne sie schlicht nicht bieten.
Darum soll die neue Rechtsberatung kommen. Das Konzept soll Herrmann entwickeln, so der Auftrag der Stadtverordnetenversammlung. Vorbild ist ein Projekt aus Lüneburg, wo Stadt und AWO eine Mieterberatung für die Bewohner*innen einiger Problemimmobilien eingerichtet haben. Der Vermieter dort heißt Vonovia, die Parallelen sind groß: „Wir können das Projekt fast 1:1 für hier umsetzen“, sagt Björn Wahnfried, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Oldesloer Stadtverordnetenversammlung. „Ich sehe es als städtische Aufgabe, die Wohnsituation am Hölk zu verbessern“, so Wahnfried.
Das war nicht immer so. „Lange wurden die Wohnverhältnisse hier eher als Privatproblem betrachtet“, erzählt Maria Herrmann von Plan B. Nicht die Stadt hat den Quartiertreffpunkt initiiert – die Aufgabe hat sich Herrmann vor drei Jahren selbst gesucht, als Sozialarbeiterin der Stiftung Alsterdorf für das Projekt Q8 in Bad Oldesloe. Sie freut sich über die geplante Mieterhilfe, würde sich aber noch mehr Engagement der Stadt wünschen: „Die Bauaufsicht und der Brandschutz müssten hier viel stärker reingehen“, sagt sie, „aber sie haben Angst, dann hier komplett dicht machen zu müssen.“
Dabei wollte der parteilose Bürgermeister Jörg Lembke die Blocks am Hölk eh schon mehrfach abreißen lassen. Unterstützung fand er mit dem Vorschlag in der Stadtverordnetenversammlung bisher nicht. „Wo wollen Sie die Menschen dann unterbringen?“, winkt Wahnfried ab. Der Hölk ist für viele, so beschreibt es auch Herrmann, die letzte Grenze vor einer möglichen Obdachlosigkeit.
Zu teuer für die Stadt
Im Hamburger Umland ist die Mietkonkurrenz hart. Mit dieser kommunalen Angst vor Massenobdachlosigkeit im Hintergrund, kann Adler weiter vermieten – und für die maroden Wohnungen ganze 10 Euro kalt pro Quadratmeter verlangen; oft kommt das Geld vom Jobcenter, der Staat finanziert das Adler-Geschäftsmodell so mit.
Warum also übernimmt die Stadt die Immobilie nicht selbst? Auch wenn Adler zu der Frage schweigt – in der Stadt glauben viele, dass die Immobilienfirma die Häuser gern verkaufen würde. Doch ein Kauf könnte schwer werden für Bad Oldesloe, mit seinen knapp 25.000 Einwohner*innen. „Adler will richtig Geld sehen“, vermutet SPD-Mann Wahnfried. Schon Mitte der Nullerjahre hätten die Wohnblöcke um die 8 Millionen Euro gekostet. Seitdem dürfte der Preis noch gestiegen sein. Das Jahresbudget der Stadt beträgt inklusive aller Gehälter gerade einmal 60 Millionen Euro.
Wulf Dau-Schmidt glaubt trotzdem, dass die Kommune mehr machen könnte. Er hat vor Jahren als freiberuflicher Stadtteilmanager in Elmshorn dafür gesorgt, dass Immobilienhaie weichen mussten und der Stadtteil Hainholz aus dem Abwärtsstrudel kam. Heute berät er Plan B und die Stadt zum weiteren Vorgehen. Die Idee einer Rechtsberatung hält er für vielversprechend – allerdings nicht als Einzelmaßnahme.
Bald ein Sanierungsgebiet?
Bad Oldesloe solle das Quartier vielmehr zum Sanierungsgebiet ausrufen, fordert er. Sobald ein neues Unternehmen die Immobilie übernehme, könnte die Stadt mit diesem dann besondere Vertragspflichten vereinbaren. Auch die Idee eines Kaufs will Dau-Schmidt noch nicht ausschließen: „Wenn die Stadt selbst keine Wohnungsbaugesellschaft gründen kann, ist es möglich, so etwas auf Ebene des Kreises zu organisieren“, schlägt er vor. Eine andere Möglichkeit: Die Neue Lübecker oder eine andere Wohnungsgenossenschaft könnte die Häuser wieder übernehmen.
Wieck ist ganz bei ihm. Der Ehrenamtliche sitzt auch für die CDU in der Stadtverordnetenversammlung und hatte den Vorschlag schon Ende 2020 gemacht; doch er ist frustriert: „Zuerst waren alle dafür, aber dann hat es weiter keinen interessiert“, sagt er. „So richtig bewegen will sich keiner.“ Auch seine eigene Partei, die die stärkste Fraktion in Bad Oldesloe stellt, muss er von Maßnahmen erst überzeugen. Den Antrag zum Rechtsbeistand immerhin haben sie jetzt mit unterstützt. Es ist ein Anfang.
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