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BKA-Trojaner zur ÜberwachungGeneralbundesanwalt will Regelung

Verdächtige sollen einfacher überwacht werden. Dafür muss eine Rechtsgrundlage her. Diese löst aber nicht das entscheidende Problem.

Befugnisse müssten an moderne Standards angepasst werden, so Generalbundesanwalt Peter Frank Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Generalbundesanwalt Peter Frank will die Telekommunikation von Verdächtigen „wieder effektiv überwachen“ können – so wie früher, also noch nicht verschlüsselt kommuniziert wurde. Die Politik soll die Befugnisse der Strafverfolger an die modernen Standards der Kommunikation „anpassen“, forderte Frank bei seiner Jahrespressekonferenz.

Rund 85 Prozent der Kommunikation von Verdächtigen kann heute von Strafverfolgern nicht mehr überwacht werden, so Frank. Sie telefonieren verschlüsselt über Skype, sie nützen PGP-Verschlüsselung für E-Mails oder sie nutzen Messengerdienste wie WhatsApp, die standardmäßig verschlüsselt sind.

Helfen könnte die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Hier setzt die Polizei an, bevor die Daten verschlüsselt werden. Erforderlich ist dazu eine Spähsoftware, ein sogenannter Trojaner, der auf den Computer oder das Smartphone des Verdächtigen aufgespielt wird.

Peter Frank und die Generalstaatsanwälte der Länder glauben, dass für einen so tiefen Eingriff eine eigene Rechtsgrundlage in der Strafprozessordnung erforderlich ist. Justizminister Heiko Maas (SPD) will bald einen Vorschlag vorlegen. „Noch in dieser Wahlperiode“ soll die Regelung beschlossen werden, heißt es im Justizministerium. Entsprechenden Druck macht auch Innenminister Thomas de Maizière.

Doch die Rechtsgrundlage löst nicht das entscheidende Problem. Das BKA hat für die Quellen-TKÜ kaum passende Trojaner. Der im April stolz angekündigte neue Bundestrojaner funktioniert nach Informationen der taz nur auf Computern mit den Betriebssystemen Windows 7 und Windows 8. An einer Version für Windows 10 werde gearbeitet. Noch gar keine Lösung gibt es für Smartphones – wo eigentlich der Hauptbedarf besteht.

Das BKA entwickelt die Tro­janer bisher selbst, weil gekaufte Produkte der Sicherheitsin­dustrie die hohen Anforderungen des Bundesverfassaungsgerichts nicht erfüllen. Karlsruhe fordert, dass Trojaner zur Kommunikationsüberwachung so konstruiert sein müssen, dass sie nur auf laufende Gespräche und Nachrichten zugreifen können und nicht den gesamten Inhalt der Festplatte an die Polizei überspielen. Letzteres wäre eine „Onlinedurchsuchung“, die nur unter viel strengeren Voraussetzungen möglich ist.

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5 Kommentare

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  • Ich stimme den anderen Beiträgen zu.

    Vor allem Sie, die einfachen Anwender sollten genau zuhören, denn Sie betrifft die Quellen-TKÜ unmittelbar:

     

    Sie sind direkt davon betroffen!

     

    Der Staat nimmt in Kauf, dass Sie Opfer werden können von Identitätsdiebstahl, Datenmissbrauch, Abfluss von digitalem Hab und Gut.

     

    Warum?

     

    Weil der Staat Sie im Unwissen lässt über Sicherheitslücken in Ihrem System.

    Doch nicht nur der Staat kennt diese. Früher oder später werden auch Cracker/ausländische Staaten durch derartige Backdoors treten, zumal diese Sicherheitslücken oft von Gangstern einmal gefunden, mehrfach verkauft und schlussendlich noch selbst genutzt werden, bevor der Hersteller geeignet reagieren kann.

     

    Und der digitale Hausfriedensbruch lässt sich wunderbar automatisieren (vgl. Botnetze), sodass es nicht mehr nur theoretisch erscheint, dass Sie betroffen sein werden, sondern real, dass Sie schon betroffen sind, ehe Sie es merken.

     

    Der Staat nimmt in seiner Forderung nach einer "Quellen-TKÜ" Ihren Schaden und den der restlichen Zivilbevölkerung bewusst in Kauf, damit er Ihnen erzählen kann, Sie vor einigen wenigen 100 - potentiell - Böswilligen innerhalb seiner Jurisdiktion zu schützen. Und der schnöde Mammon ruft: "Jawoll, die wähl'n mer wieder!".

     

    Der Wunsch nach Hintertüren pervertiert den Gedanken der Gefahrenabwehr und verkehrt ihn in sein Gegenteil!

     

    Und dann kommt die Legislative und redet von "Cyber-X" (Krieg, Terrorismus, Verbrechen...). Dabei bereitet Sie selbst das Schlachtfeld.

     

    "Cyber, cyber", Mann, Mann, Mann

  • Warum wird hier nicht klar und deutlich gesagt, das die Trojaner die hier gefordert werden technisch nicht umsetzbar sind?

    Ist auch für die Redaktion der TAZ das Internet Neuland?

    Das BVG hat sich schon als digital Inkompetent geoutet mit dieser unsinnigen Forderung, das BKA gaukelt der Allgemeinheit eine Trennung von verschiedenen Funktionen vor die technisch nicht existiert, und die TAZ schreibt ab was da geredet wird. Ist es wirklich Inkompetenz auf Seiten der Staatorgane oder versucht man den Bürger für dumm zu verkaufen?

    Ich empfehle Youtube Videos zum CCC da gibt es ein paar sehr schöne Vorträge zum Thema Trojaner.

    Hier nochmal kurz:

    Ein Trojaner gibt mir nach der Instalation Zugriff auf den betroffenen Rechner.

    Einen selektiven Zugriff kann es genausowenig geben, als ob sie ein Marmeladenglass aufschrauben, und nur Zugriff auf die Fruchtstücke nehmen wollen. ist das Glas auf, haben sie Zugriff auf die ganze Marmelade.

    (%&$§!#&)

  • Meine Vermutung ist ja, dass unter den 85% "Verdächtigen" mindestens 99% vollkommen unschuldige Bürger sind, die einfach nur Ihr Recht auf vertrauliche Kommunikation ausüben, nachdem Sie auf den Staat als Beschützer der Privatsphäre (sowohl gegenüber inländischen wie ausländischen Schnüfflern) nicht mehr bauen können.

     

    Der Staat hat seine Macht missbraucht (vgl. Snowden und die Farce im NSA/BND U- Ausschuss) und klagt nun über die Folgen.

     

    Was bitte bleibt dem mündigen Bürger anderes übrig?

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Nur um mal zu erinnern, wozu ein trojanisches Pferd eigentlich gedacht ist: Wer weiß, wie man einen Trojaner einschleust, der kann auch andere Sachen einschleusen, z.B. falsche Beweise.

    Bei einer Hausdurchsuchung gibt es das Recht, dass ein Zeuge zugegen ist. Bei der klassichen Telefonüberwachung gibt es eine physische Aufnahme auf einem Band oder einer Kassette. Das zu fälschen ist keine einfache Aufgabe. Wenn der*die BKA-Beamt*In aber alleine vor dem Rechner sitzt, was soll dann Missbrauch verhindern?

    Gibt es noch einen Trojaner, der die Überwacher überwacht (und wer überwacht den)?

  • "Rund 85 Prozent der Kommunikation von Verdächtigen kann heute von Strafverfolgern nicht mehr überwacht werden", weil Kriminelle "verschlüsselt über Skype [telefonieren]", "PGP-Verschlüsselung für E-Mails oder [...] Messengerdienste wie WhatsApp [nutzen], die standardmäßig verschlüsselt sind".

     

    Ach daher weht der Wind! Nun weiß ich endlich, warum die Typen ständig hinter harmlosen Bürgern herschnüffeln müssen: Die richtig schweren Jungs sind ihnen einfach eine Nummer zu clever. :-)