piwik no script img

BGH-Urteil zu UmgangsrechtSamenspender darf Kind öfter sehen

Ein lesbisches Paar zeugte ein Kind mit einem Samenspender. Der Mann hat ein Umgangsrecht, auch wenn das Paar anderer Meinung ist.

Im konkrenten Fall realisierte ein lesbisches Paar seinen Kinderwunsch mit einem Samenspender Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago

Freiburg taz | Ein privater Samenspender, der in die Adoption des gezeugten Kindes einwilligt, kann anschließend ein Umgangsrecht mit dem Kind haben. Dies hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil festgestellt. Entscheidend ist, was dem Kindeswohl dient.

Konkret geht es um einen Fall aus Berlin. Ein lesbisches Paar, das in eingetragener Partnerschaft lebte, wollte seinen Kinderwunsch realisieren. Ein privater Samenspender half mit einer Spermagabe bei der Zeugung. Es wurde vereinbart, dass der Mann Kontakt zum Kind haben darf und dass das Kind auch von seiner Vaterschaft erfahren soll.

Das Kind kam im August 2013 auf die Welt. Mutter wurde zunächst nur die Frau, die das Kind ausgetragen und geboren hat. 2014 adoptierte ihre Partnerin das Kind im Rahmen einer sogenannten Stiefkindadoption und wurde nun zweite rechtliche Mutter. Da die Samenspende privat arrangiert war, musste der Samenspender der Adoption zustimmen, was er verabredungsgemäß auch tat.

In den kommenden Jahren sah der Mann das Kind alle zwei Wochen für zwei Stunden. Die Treffen fanden im Haushalt der Mütter statt oder auf Spaziergängen im Beisein jeweils einer Mutter. 2018 bat der Mann jedoch um eine Ausweitung der Kontakte. Er wollte das Kind alle zwei Wochen um 13.30 Uhr von der Kita abholen, mit in seine Wohnung nehmen und um 18 Uhr bei den Müttern abliefern. Die Mütter waren damit aber nicht einverstanden.

„Ernsthaftes Interesse an dem Kind“

Der Mann versuchte nun, sein Umgangsrecht einzuklagen; er habe immer gesagt, er wolle ein „aktiver Vater“ sein. Die Mütter betonten, es sei immer klar gewesen, dass er nicht Teil der Familie werden soll.

Das Kammergericht (KG) Berlin entschied 2019 gegen den Mann. Mit der Einwilligung in die Adoption habe er zugleich auf sein Umgangsrecht verzichtet. Dies sah der BGH nun aber anders und hob die KG-Entscheidung auf.

Der Mann habe zwar kein Umgangsrecht als Elternteil, weil es hier auf die rechtliche Elternschaft ankommt, so der BGH. Er habe auch kein Umgangsrecht als „enge Bezugsperson“, weil durch die zweistündigen Treffen kein enger Bezug entstanden sei.

Der Mann könne sich aber auf das Umgangsrecht für leibliche Väter berufen, das der Gesetzgeber 2013 auf Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einführte. Die Zustimmung zur Adoption konnte dieses gesetzliche Umgangsrecht nicht beseitigen, so der BGH. Er habe dabei nur die Möglichkeit verloren, rechtlicher Vater zu werden.

Außerdem klärte der BGH zwei weitere wichtige Fragen: Als leiblicher Vater gelte nicht nur, wer mit der Mutter beim Sex ein Kind zeugte, sondern auch der Samenspender. Die Rechte des leiblichen Vaters sollen zudem nicht nur gegenüber klassischen Mann-Frau-Eltern gelten, sondern auch gegenüber zwei Müttern.

Gesetzliche Voraussetzung für das Umgangsrecht des biologischen Vaters ist, dass er „ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat“ und dass der Umgang dem „Kindeswohl“ dient. Letzteres muss nun wieder das Kammergericht Berlin feststellen. Dabei muss es auch das bald achtjährige Kind anhören, so die Vorgabe des BGH. Bisher war das Kind nicht gefragt worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Der Europäischen Gerichtshof hat es zum Glück klar gemacht: Es geht hier um ein Menschenrecht der leiblichen Väter. Menschenrechte sind nicht verhandelbar.

  • Interessantes Nebendetail: " ... das Umgangsrecht für leibliche Väter berufen, das der Gesetzgeber 2013 auf Druck des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einführte..."



    Da musste der EuGH offenbar den deutschen Polits einmal mehr zeigen was Menschenrecht bedeutet.

    • @Bolzkopf:

      Mal angemerkt:



      Anders als beim BVerfG Schland



      (vulgo - “eine angenommene Vorlage = Beförderung!;))



      Ist zum EuGH - the goal wide open • &!



      Das ist auch gut so! Sorry Dieter Grimm!



      & mal so =>



      Als wir judges uns da mal umtaten & irgendwer mal nachhakte “…hamse denn schon mal ne Vorlage abgelehnt?“



      War allgemeines Schmunzeln auf der Back! ”Nunja - es gab da mal eine Vorlage eines ihrer hamburger Kollegen! Die wir partout nicht mit dem anstehenden Fall übereinander bringen konnten! Vorsichtiges Nachfragen erwies - daß er wohl doch eher einen Streit mit seiner KolleginEhefrau geklärt haben wollte. Die mußten wir dann doch nicht entscheiden!“ - 🤣😂🤫 -

      So in etwa - servíce - 😎 -

  • Ich verstehe gar nicht, warum im Artikel der Vater zunächst immer nur abwertend als "Samenspender" bezeichnet wird.

    Hier ist es ja nun wirklich eindeutig, dass er immer auch die Rolle des sozialen Vaters übernehmen wollte.

    Würde bei einer In-vitro-Fertilisation Herr Rath auch nur von einem "Samenspender" sprechen?

    Der Fall zeigt, wieviel Ungerechtigkeit es schaffen kann, wenn die Frau, mit der die Mutter verheiratet ist, automatisch das Sorgerecht erhält.

    • @rero:

      "Ich verstehe gar nicht, warum im Artikel der Vater zunächst immer nur abwertend als "Samenspender" bezeichnet wird."

      Liegt vielleicht daran, dass es so gedacht war.

      Der Fall bestätigt mich übrigens in der Meinung, dass Spenden von "guten Freunden" eine schlechte Lösung sind. Die Dinge können sich anders entwickeln...

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        War es eben nicht. Und steht auch so im Artikel: "Es wurde vereinbart, dass der Mann Kontakt zum Kind haben darf und dass das Kind auch von seiner Vaterschaft erfahren soll."

        • @Rudolf Fissner:

          Zwischen Kontakt und Umgangsrecht ist ein weites Feld.

          Aber offensichtlich haben sich die Dinge anders entwickelt, als vorher auf dem Ponyhof gedacht...

  • Gut so. Was für heterosexuelle Paare gilt, muss auch für homosexuelle Paare die Norm sein.

    Wie das mit dem Kindswohl gemeint ist, verstehe ich nicht. Das ist doch allenfalls hypothetisch und eröffnet dem Gericht freies Ermessen.

    • @TazTiz:

      So läuft es schon immer. Der Begriff "Kindeswohl" ist nirgendwo definiert und wird genutzt wie es grade passt. Dieser Begriff hat das Familienrecht zum Gummiparagraph gemacht.