BGH-Urteil zu Facebook: Auch Hetzer:innen haben Rechte
Facebook muss Betroffene vor der Sperrung ihres Kontos anhören. Das ist richtig. Soviel Fairness muss sein.
D arf ein privates Unternehmen bestimmen, wann im Internet die Meinungsfreiheit endet? Viele Bürger:innen empfinden hier ein großes Unbehagen. Immerhin sind soziale Netzwerk wie Facebook wichtige gesellschaftliche Foren. Und es trifft viele Nutzer:innen hart, wenn sie als Sanktion für eine echte oder vermeintliche Hassbotschaft wochenlang nichts mehr posten und kommentieren dürfen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in dieser jahrelangen Diskussion am Donnerstag wichtige Pflöcke eingeschlagen, aber auch manches offen gelassen. Es handelt sich also um das erste, aber sicher nicht das letzte BGH-Grundsatzurteil zu Facebook-Sanktionen.
Der BGH hat nun geklärt, dass Facebook beim Vorgehen gegen Hassbotschaften strenger sein darf als das Strafgesetzbuch, aber offen gelassen, wo die genaue Grenze liegt. Vor allem aber hat der BGH von Facebook eine bessere Kommunikation mit den Betroffenen von Sanktionen verlangt.
Dass das Netzwerk nun vor einer Sperrung des Facebook-Kontos Chance zur Widerrede geben muss, ist sinnvoll. Wenn es um Grundrechte geht, müssen die Betroffenen ihre Sichtweise darstellen können.
Sanktionen im Vorfeld der Strafbarkeit
Gerade weil bei Facebook schon im Vorfeld der Strafbarkeit Sanktionen drohen, ist die Abgrenzung zwischen dem Erlaubten und der verbotenen Hassrede besonders schwierig. Wer sich falsch interpretiert oder bewertet fühlt, sollte zumindest Gegenargumente vorbringen können. Die Mitarbeiter:innen, die bei Facebook solche Entscheidungen treffen, haben sehr wenig Zeit und beispielsweise für Ironie und Sarkasmus oft wenig Verständnis. Auch der Kontext einer Äußerung wird sicher häufig falsch eingeschätzt.
Die zusätzlichen Verfahrensanforderungen bremsen zwar auch Facebooks Sperr-Eifer. Aber das muss nicht verkehrt sein. Facebook sollte es als Impuls verstehen, sich auf die Sanktion von besonders üblen Hasstiraden zu beschränken. Auch wenn zur Zeit überwiegend Rechtsextremist:innen und Verschwörungserzähler:innen gelöscht und gesperrt werden: Die Meinungsfreiheit ist doch ein Wert an sich. Sie sollte nur beschränkt werden, wenn es unbedingt sein muss.
Allerdings sollte Facebook seine internen Regeln schnell an die BGH-Vorgaben anpassen, damit das Netzwerk bald auch wieder gegen nicht-strafbare Hassrede vorgehen kann. Denn es dürfte der Meinungsfreiheit sogar nutzen, wenn Facebook besonders schlimme Hetzer:innen sanktioniert.
Schließlich hält eine aggressive, abfällige Sprache viele Nutzer:innen davon ab, sich an Diskussionen überhaupt zu beteiligen. Die schlimmsten Gegner:innen eines freien gesellschaftlichen Diskurses sind eben nicht die Behörden und auch nicht die sozialen Netzwerke, es sind die Hetzer:innen, die alles niederhassen und bedrohen, was nicht ihrem Weltbild entspricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei