BGH-Urteil zu Facebook: Auch Het­ze­r:in­nen haben Rechte

Facebook muss Betroffene vor der Sperrung ihres Kontos anhören. Das ist richtig. Soviel Fairness muss sein.

Daumen-hoch-Schild vor Bäumen

Muss jetzt vor dem Löschen anhören: das soziale Netzwerk Facebook Foto: Jeff Chiu/AP

KARLSRUHE taz | Darf ein privates Unternehmen bestimmen, wann im Internet die Meinungsfreiheit endet? Viele Bür­ge­r:in­nen empfinden hier ein großes Unbehagen. Immerhin sind soziale Netzwerk wie Facebook wichtige gesellschaftliche Foren. Und es trifft viele Nut­ze­r:in­nen hart, wenn sie als Sanktion für eine echte oder vermeintliche Hassbotschaft wochenlang nichts mehr posten und kommentieren dürfen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in dieser jahrelangen Diskussion am Donnerstag wichtige Pflöcke eingeschlagen, aber auch manches offen gelassen. Es handelt sich also um das erste, aber sicher nicht das letzte BGH-Grundsatzurteil zu Facebook-Sanktionen.

Der BGH hat nun geklärt, dass Facebook beim Vorgehen gegen Hassbotschaften strenger sein darf als das Strafgesetzbuch, aber offen gelassen, wo die genaue Grenze liegt. Vor allem aber hat der BGH von Facebook eine bessere Kommunikation mit den Betroffenen von Sanktionen verlangt.

Dass das Netzwerk nun vor einer Sperrung des Facebook-Kontos Chance zur Widerrede geben muss, ist sinnvoll. Wenn es um Grundrechte geht, müssen die Betroffenen ihre Sichtweise darstellen können.

Sanktionen im Vorfeld der Strafbarkeit

Gerade weil bei Facebook schon im Vorfeld der Strafbarkeit Sanktionen drohen, ist die Abgrenzung zwischen dem Erlaubten und der verbotenen Hassrede besonders schwierig. Wer sich falsch interpretiert oder bewertet fühlt, sollte zumindest Gegenargumente vorbringen können. Die Mitarbeiter:innen, die bei Facebook solche Entscheidungen treffen, haben sehr wenig Zeit und beispielsweise für Ironie und Sarkasmus oft wenig Verständnis. Auch der Kontext einer Äußerung wird sicher häufig falsch eingeschätzt.

Die zusätzlichen Verfahrensanforderungen bremsen zwar auch Facebooks Sperr-Eifer. Aber das muss nicht verkehrt sein. Facebook sollte es als Impuls verstehen, sich auf die Sanktion von besonders üblen Hasstiraden zu beschränken. Auch wenn zur Zeit überwiegend Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen und Ver­schwö­rungs­er­zäh­le­r:in­nen gelöscht und gesperrt werden: Die Meinungsfreiheit ist doch ein Wert an sich. Sie sollte nur beschränkt werden, wenn es unbedingt sein muss.

Allerdings sollte Facebook seine internen Regeln schnell an die BGH-Vorgaben anpassen, damit das Netzwerk bald auch wieder gegen nicht-strafbare Hassrede vorgehen kann. Denn es dürfte der Meinungsfreiheit sogar nutzen, wenn Facebook besonders schlimme Het­ze­r:in­nen sanktioniert.

Schließlich hält eine aggressive, abfällige Sprache viele Nut­ze­r:in­nen davon ab, sich an Diskussionen überhaupt zu beteiligen. Die schlimmsten Geg­ne­r:in­nen eines freien gesellschaftlichen Diskurses sind eben nicht die Behörden und auch nicht die sozialen Netzwerke, es sind die Hetzer:innen, die alles niederhassen und bedrohen, was nicht ihrem Weltbild entspricht.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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