Autoritäre Klimapolitik: Schuldenbremse fürs Klima
Klimapolitik ist zum Kulturkampf geworden. Wie kommen wir da raus? Vielleicht müssen wir mehr Otto Schily wagen.
K ürzlich erwischte ich hier in Berlin eine interessante Abendveranstaltung zur Klimapolitik. Im etwas stickigen Konferenzsaal in Moabit summte ein Kühlschrank aufreizend laut vor sich hin, als wollte auch er bezeugen, dass jede Form der Kühlung eben etwas kostet – und sei es Nervengeld. Was die versammelte Runde aus dem Berliner Politikbetrieb – Think TankerInnen, JournalistInnen, Verbandsleute und manche mehr – allerdings schon wusste.
Enorm belesen und schlagfertig waren sie alle, was mich in der Annahme bestätigte, die mich über das klimapolitische Desaster dieses Jahres hinwegtröstet: Es sind die besonders Klugen eines Jahrgangs, die in den Klimaschutz gehen. Und doch tut sich angesichts der Wucht der aktuellen anti-ökologischen Konterrevolution die Frage auf, ob auf Strategisches bisher genug geachtet wurde.
Jedenfalls waren viele im Raum völlig konsterniert, dass sich die deutsche Klimadebatte in wenigen Monaten aus einer Sache von Vernunft und Bloß-noch-Umsetzung in ein Kulturkampfspektakel verwandelt hat, in dem jeder Vorschlag sofort zum Attentat aufs Höchstpersönliche umgedeutet wird – „sie wollen dir ans Schnitzel!“. Hatten denn nicht endlich auch die Wirtschaftsverbände und Unternehmen, die CDU, FAZ und das Handelsblatt das Ende der Fossilität verkündet; ward nicht überall gemessen, dass die Sorge ums Klima quer durch Schichten und Altersgruppen geht; kurz: Schien die Priorität des Klimaschutzes nicht längst abgemacht zu sein?
Es ist eben noch nicht so weit mit der Hegemonie. Vermutlich hat Luisa Neubauer recht damit, dass die KlimaschützerInnen die Herausforderung zum Kulturkampf ums Klima annehmen müssen – entgehen werden sie ihm sowieso nicht.
Kein Job für die taz
Vielleicht aber kann man die drohenden Untiefen – „es geht um mehr als dein Schnitzel, du Trottel“ – vermeiden, wenn man sich rechtzeitig auf passende Mittel verständigt. Beschimpfungen auf Social Media und allgemeines Farbeverspritzen müssen nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
An jenem Abend in Moabit etwa war der wichtigste Vorschlag die „Schuldenbremse fürs Klima“, also die Idee, ähnlich wie bei der Schuldenbremse eine Festlegung auf quantifizierbaren Klimaschutz ins Grundgesetz zu schreiben. Einigkeit bestand allerdings darüber, dass die Union dazu jetzt nicht bereit sein dürfte.
Doch steckt darin doch ein klimapolitisches Pfund, um damit zu wuchern, finde ich: Lässt sich der Geist der Schuldenbremse nicht für den Klimaschutz nutzen? Mehrheitsfähig wurde die Schuldenbremse schließlich nicht wegen ihres sachlichen Gehalts (der schon 2009 zur Verabschiedung fraglich genug war, aber das gehört jetzt nicht hierher). Sondern vor allem deshalb, weil so vielen Menschen die Vorstellung gefällt, dass es quasi-schicksalhafte Vorgaben gibt, die dem ganzen unregulierten politischen Gezappel in der demokratischen Ebene Grenzen setzen.
Die Schuldenbremse entsprach dem Bedürfnis nach Autorität und Durchgriff in der Politik. Und womöglich ist es das, was gerade den Leuten fehlt, die sich derzeit so vehement an überkommene Konsummuster klammern: der strafende Vater. Dieses Anforderungsmuster müsste sich doch politisch bedienen lassen. Es bräuchte dazu natürlich ein paar strenge Figuren, die andere schnarrend unterbrechen und vorführen. Neben Robert Habeck müsste also mindestens ein Otto-Schily-haftes Pendant ins Kabinett gesetzt werden. „Hier ist Schluss, jetzt ist Klimaschutz!“, wäre die Ansage. Ein Job für die Luisa Neubauers (oder die taz) ist das natürlich eher nicht.
Aber die ganze, kluge Klimaschutz-Szene – sie könnte sich schon einmal auf die Suche begeben.
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