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Autoritäre KlimapolitikSchuldenbremse fürs Klima

Klimapolitik ist zum Kulturkampf geworden. Wie kommen wir da raus? Vielleicht müssen wir mehr Otto Schily wagen.

Schien die Priorität des Klimaschutzes nicht längst abgemacht zu sein? Foto: Patrick Pleul/dpa

K ürzlich erwischte ich hier in Berlin eine interessante Abendveranstaltung zur Klimapolitik. Im etwas stickigen Konferenzsaal in Moabit summte ein Kühlschrank aufreizend laut vor sich hin, als wollte auch er bezeugen, dass jede Form der Kühlung eben etwas kostet – und sei es Nervengeld. Was die versammelte Runde aus dem Berliner Politikbetrieb – Think TankerInnen, JournalistInnen, Verbandsleute und manche mehr – allerdings schon wusste.

Enorm belesen und schlagfertig waren sie alle, was mich in der Annahme bestätigte, die mich über das klimapolitische Desaster dieses Jahres hinwegtröstet: Es sind die besonders Klugen eines Jahrgangs, die in den Klimaschutz gehen. Und doch tut sich angesichts der Wucht der aktuellen anti-ökologischen Konterrevolution die Frage auf, ob auf Strategisches bisher genug geachtet wurde.

Jedenfalls waren viele im Raum völlig konsterniert, dass sich die deutsche Klimadebatte in wenigen Monaten aus einer Sache von Vernunft und Bloß-noch-Umsetzung in ein Kulturkampfspektakel verwandelt hat, in dem jeder Vorschlag sofort zum Attentat aufs Höchstpersönliche umgedeutet wird – „sie wollen dir ans Schnitzel!“. Hatten denn nicht endlich auch die Wirtschaftsverbände und Unternehmen, die CDU, FAZ und das Handelsblatt das Ende der Fossilität verkündet; ward nicht überall gemessen, dass die Sorge ums Klima quer durch Schichten und Altersgruppen geht; kurz: Schien die Priorität des Klimaschutzes nicht längst abgemacht zu sein?

Es ist eben noch nicht so weit mit der Hegemonie. Vermutlich hat Luisa Neubauer recht damit, dass die KlimaschützerInnen die Herausforderung zum Kulturkampf ums Klima annehmen müssen – entgehen werden sie ihm sowieso nicht.

Kein Job für die taz

Vielleicht aber kann man die drohenden Untiefen – „es geht um mehr als dein Schnitzel, du Trottel“ – vermeiden, wenn man sich rechtzeitig auf passende Mittel verständigt. Beschimpfungen auf Social Media und allgemeines Farbeverspritzen müssen nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

An jenem Abend in Moabit etwa war der wichtigste Vorschlag die „Schuldenbremse fürs Klima“, also die Idee, ähnlich wie bei der Schuldenbremse eine Festlegung auf quantifizierbaren Klimaschutz ins Grundgesetz zu schreiben. Einigkeit bestand allerdings darüber, dass die Union dazu jetzt nicht bereit sein dürfte.

Doch steckt darin doch ein klimapolitisches Pfund, um damit zu wuchern, finde ich: Lässt sich der Geist der Schuldenbremse nicht für den Klimaschutz nutzen? Mehrheitsfähig wurde die Schuldenbremse schließlich nicht wegen ihres sachlichen Gehalts (der schon 2009 zur Verabschiedung fraglich genug war, aber das gehört jetzt nicht hierher). Sondern vor allem deshalb, weil so vielen Menschen die Vorstellung gefällt, dass es quasi-schicksalhafte Vorgaben gibt, die dem ganzen unregulierten politischen Gezappel in der demokratischen Ebene Grenzen setzen.

Die Schuldenbremse entsprach dem Bedürfnis nach Autorität und Durchgriff in der Politik. Und womöglich ist es das, was gerade den Leuten fehlt, die sich derzeit so vehement an überkommene Konsummuster klammern: der strafende Vater. Dieses Anforderungsmuster müsste sich doch politisch bedienen lassen. Es bräuchte dazu natürlich ein paar strenge Figuren, die andere schnarrend unterbrechen und vorführen. Neben Robert Habeck müsste also mindestens ein Otto-Schily-haftes Pendant ins Kabinett gesetzt werden. „Hier ist Schluss, jetzt ist Klimaschutz!“, wäre die Ansage. Ein Job für die Luisa Neubauers (oder die taz) ist das natürlich eher nicht.

Aber die ganze, kluge Klimaschutz-Szene – sie könnte sich schon einmal auf die Suche begeben.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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9 Kommentare

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  • War das jetzt die Erkenntnis, dass das Regierungskonzept Chinas gar nicht so schlecht ist? Weil dort innerhalb kürzester Zeit Dinge entschieden und dann ebenso schnell umgesetzt werden, während hierzulande Jahrzehnte palavert, laviert und nichts gemacht wird? Schon lustig, das hier zu lesen. Wir brauchen mal einen, der durchgreift! Rumbrüllt! Mit Akten wirft!

    Mal ernsthaft: Wenn Demokratie (also echte, nicht die Pseudodemokratie der meisten Staaten) irgendeinen Wert haben soll, dann muss der sich gerade in schwierigen Situationen zeigen und nicht nur Sonntagsnachmittags bei Sonnenschein. Würde er vermutlich auch, wenn wir eine echte Demokratie hätten und keinen Sozialstaat für Banken und Konzerne.

    Ein Unterschied zu China ist, dass hierzulande de facto die Regierung der Wirtschaft untergeordnet ist, in China ist es umgekehrt. Letzteren Ansatz finde ich den korrekten, sonst kann man sich die Regierung gleich sparen. Übrigens auch dann, wenn eine Regierung Weisungen (aka "Empfehlungen") aus einem anderen Land bekommt und befolgt, das dürfte in China eher nicht der Fall sein.

    Ein weiterer Unterschied ist, dass in China Freiheit gegen Sicherheit eingetauscht wurde. Das werte ich als absolut inakzeptabel, es wird dennoch viele Menschen geben, für die dieser Deal in Ordnung geht, gerade in unsicheren Zeiten. Auch hierzulande haben bspw nur wenige ein Problem mit dem Staatstrojaner, oder dem Umstand, dass die Vertraulichkeit unserer Kommunikation seit Jahrzehnten ganz legal nicht gewährleistet ist (G10).

  • Ich weiß nicht, auf welcher sachlichen Grundlage Frau Winkelmann zu der Aussage kommt: "Es sind die besonders Klugen eines Jahrgangs, die in den Klimaschutz gehen. "



    Wäre dem so, gäbe es bessere Lösungen bzw. Lösungsvorschläge als die sozial ungerechte CO2 Abgabe und auch keine Deindustrialisierungspolitik. Und es gäbe auch kein "Sondervermögen" für Rüstungsgüter, sondern Investitionen für Chancengleichheit durch Bildung.



    Aber jetzt noch die klassisch neoliberale Position der Schuldenbremse als Möglichkeit des Klimaschutzes zu bewerten, schlägt dem Fass den Boden aus. Dabei gibt es doch nur die Schuldenbremse für den Sozialstaat. Kriegs- und Rüstungsgüter kennen keine Schuldenbremse. Und wie man die womöglich auch noch als klimapolitische Instrumente deklarieren kann, darauf warte ich jetzt mit Spannung.

    • @Rolf B.:

      Naja, warten wir erst einmal die komplette Niederlage Russlands ab - dann schauen wir mal, was wir gegen die Rüstungsindustrie weltweit tun können, haha. Aber erst muß Russland nackt sein - das ist klar, das hat es verdient.

  • Verzeihens Gnädigigste - nach Wolfgang Briefumschläge „Schäuble ist Chefinnensache!



    Klar ist noch Luft nach oben! Newahr.



    Na aber Si’cher dat. Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix.



    Normal Schonn! Woll

    Ja wie? “Otto-Schily-haftes Pendant ins Kabinett“?



    Geht’s noch. Remember. Bekannter Running Gag Schäuble:



    “Waaas?! Meinen Vorschlag findet ihr zu scharf?



    Wollt ihr mal Otto Schilys hören?!“

    Und GazPromGerds Kettenhund - bitte gern!



    “2002 verlieh die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche e. V. Schily den Negativpreis Verschlossene Auster für die Blockade des Informationsfreiheitsgesetzes und die Ablehnung von Interviews.

    Big Brother Lifetime Award 2001 und 2005



    Am 28. Oktober 2005 wurde Schily mit dem Negativpreis Big Brother Lifetime Award 2005 ausgezeichnet. Gewürdigt wurde er „für den Ausbau des deutschen und europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte und für seine hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlung des Datenschutzes unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung“.



    Schily hatte die Auszeichnung bereits 2001 für den ersten „Otto-Katalog“ erhalten.“



    de.wikipedia.org/wiki/Otto_Schily

    unterm——



    Wird wohl wieder Zeit für ein Otto Schily Interview im Einstein!



    Damit ich erneut was zum Ablästern habe - wie zu dem zuvor mit Stefan Reinecke!



    Und die Modderatistas wieder in Arbeit kommen! Gellewelle&Wollnich

    kurz - Verstiegener geht kaum!



    Sich zB öffentlichkeitswirksam über den Hosenlatzerlaß echauffieren!



    Aber als Schröders Kettenhund IM die Ecke brutalstmöglich verschärfen!



    Einmal Nadelstreifenanwalt - immer Nadelstreifenanwalt •

    Na Mahlzeit - nich to glöben un rein tonn katolsch warrn!

    • @Lowandorder:

      Sorry - I forgot!

      Einer - der wie Wolfgang Clement auch - Mitarbeiter mit Akten bewirft - wird hier hochgejazzt! Unfaßbar! Wollnich.



      Doktrinären Autoritätswahn - braucht in heutigen Zeiten - mit braun wabernder Rechtssoße wahrlich niemand •

  • Hier nochmal der Hinweis warum das nicht funktionieren wird: taz.de/Expertin-ue...pulation/!5359993/



    Dort wird auch Obamas Wahlkampf 2008 angesprochen. An anderer Stelle (ich finde leider keinen Link, meine mich aber an eine Auftragsarbeit für die SPÖ zu erinnern) wurde Frau Dr. Wehling deutlicher dazu: Obama habe das Bild des „fürsorglichen Vaters“ gemalt, das mindestens 70% der Leute kennen, während vor ihm Reagan (und nach ihm Trump) das des „strengen Vaters“ heraufbeschwor. Obama hat über das Defizit an Empathie in der Gesellschaft gesprochen, darüber, wie wir einander stützen und heben können, damit wir moralisch wachsen etc.



    Niemals sollten wir Fürsorglichen die Frames der „Strengen“ übernehmen. Wir wollen gemeinsam wachsen, nicht gestutzt werden, aber bisher ging es immer nur darum, nochmal ein Zurechtstutzen unserer Moral, unserer Fürsorge zu akzeptieren, damit irgendetwas anderes wachsen könne. Das einseitige Wirtschaftswachstum jedoch ist wie das Wachstum von Genmais im Glyphosatregime: keineswegs nachhaltig und auf Kosten der allerschönsten Blumen.



    Deshalb appellieren die düsteren Szenarien der Klimabewegung an den strengen Vater statt Chancen, Wachstum und Schönheit des Klimaschutzes hervorzuheben, die wir erhalten, fördern, miteinander teilen und genießen wollen.



    Ich finde, es lohnt sich sehr, darüber einmal nachzudenken.

  • Leute, auch die Schuldenbremse setzt die Gesetze der Physik nicht ausser Kraft. Wenn wir effektiven Klimaschutz betreiben wollen ohne im Winter firieren zu müssen und ohne die Industrie zu verlieren dann müssen neue technische Lösungen entwickelt werden. Warum? Schaut euch mal das "Agorameter" vom letzten Monat an. Grau ist fossil, blau Wind, gelb Solar. Selbst wenn Wind und Solar verdreifacht werden, würde das den Versorgungsenpass kaum verringern, wenn nämlich die Sonne nicht scheint oder von Wolken bedeckt ist und der Wind nicht weht. Violett ist der Verbrauch, das weisse Feld zwischen Grau und der violetten Linie das sind die Stromimporte.



    www.agora-energiew.../22.09.2023/today/



    Darum gehts. Mein Arbeitgeber will fürs gleiche Geld immer mehr von mir, ich habe ihm also letzthin gesagt dass er mir zehnmal befehlen kann die hundert Meter in unter 12 Sekunden zu laufen und diese schöne Ereignis trotzdem nicht eintreten wird. Habeck, Schuldenbremse und Luisa kämpfen gegen Windmühlen (haha, fast originell. Für diejenigen die Freitags die Schule schwänzen: das ist ein Zitat aus einem spanischen Klassiker). Ritter von der traurigen Gestalt eben. Die Frage ist, wer ist Don Quixote, wer Sancho Pansa und wer Rosinante?

  • "Aber die ganze, kluge Klimaschutz-Szene – sie könnte sich schon einmal auf die Suche begeben."

    Das ist ein Automatismus, da muss man nicht suchen.

    Aber es ist halt auch kein Wünschdirwas. Klimadiktatur mit individuellem Ressourcenbudget, Lebensmittelmärkchen , und Arbeitslagern für SUV-Junkies und Privatjet-Besitzer ist kein Ponyhof: "the laws of nature be a harsh mistress" (Prof. Farnsworth). Und Sinn und Zweck demokratischer Klimapolitik sollte eher sein, so etwas unnötig zu machen.



    Danach sieht es aber momentan nicht aus.