Autoren kündigen nach Zusammenlegung: „Vice“ in Österreich ohne Redaktion
Alle Redakteur*innen haben gekündigt. Künftig soll das Magazin in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter deutscher Leitung stehen.
Acht Redakteur*innen verlassen die Redaktion von Vice Austria. Das schrieb die stellvertretende Chefredakteurin Hanna Herbst am Montagnachmittag auf Facebook. Grund für den Ausstieg des Teams der Vice und des Musikablegers Noisey, zu denen auch der Chefredakteur Markus Lust sowie Herbst selbst zählen, sind aktuelle Umstrukturierungen. Künftig sollen das österreichische, schweizerische und deutsche Jugend- und Lifestyleportal unter deutscher Leitung geführt werden.
Herbst begründete die gemeinsame Entscheidung wie folgt: „Die Richtung, in die es gehen soll, entspricht nicht mehr dem, was Vice für uns all die Jahre ausgemacht hat.“ Auf Anfrage der taz konkretisierte Herbst, dass sie seit einem Jahr schon eine neue Führung aus Deutschland hätten. Da jetzt auch eine übergeordnete inhaltliche Leitung aus Deutschland kommen soll, habe sie das Gefühl, dass ihnen Schritt für Schritt die Autonomie genommen wird.
Auf den Entschluss der Redaktion, zu gehen, antwortet Kristof Albrink, Pressesprecher der deutschen Vice: „Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass die Dinge einfach aus Deutschland heraus entschieden werden. Wir begreifen uns als Region, nicht als Länder oder Märkte, zudem sind wir alle im Gespräch miteinander, um einen Konsens zu finden. Wir werden einzelne Rollendefinitionen überarbeiten, wie es in einem Change-Prozess üblich ist. Doch manchmal gehen die Vorstellungen einfach auseinander.“ Er erhofft sich durch die Zusammenlegung zu Vice DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) ein stärkeres Wachstum: „Wir sprechen alle die gleiche Sprache und interessieren uns für die gleichen Themen. Es geht für uns also nicht um Kosteneinsparungen, sondern um einen einheitlichen Auftritt.“
Die gemeinsame Leitung soll Laura Himmelreich übernehmen, die zuvor schon die Chefredakteurin des deutschen Online-Auftritts war. In den Redaktionen in Berlin, Wien und Zürich sollen lokale Führungen beibehalten werden. Wie das konkret aussehen soll, sei laut Albrink noch nicht entschieden.
Alle freien Stellen sollen neu besetzt werden
Nicht alle der acht Redakteur*innen verlassen übrigens das Unternehmen, aber die Redaktion. Fest steht, dass alle frei gewordenen Stellen in Österreich neu besetzt werden. Himmelreich möchte den Prozess bis Ende September abgeschlossen haben. In der Schweiz werden alle jetzigen Redakteur*innen ihre Arbeit behalten.
Im Jahr 1994 wurde Vice als Lifestyle- und Jugendmagazin in Kanada gegründet. 2005 kam ein deutscher Ableger hinzu, zwei Jahre später auch der österreichische. Beide Ableger übernehmen Artikel der US-amerikanischen Seite und liefern eigene länderspezifische Beiträge.
„Wir haben bei einem Medium angefangen, mit inhaltlichen Freiheiten und flachen Hierarchien. So konnten wir uns unter anderem auch immer wieder der österreichischen Innenpolitik widmen“, sagt Hanna Herbst. Sie fürchtet aber nun neben einer strukturellen auch eine inhaltliche Neuausrichtung.
Wie diese aussehen soll, wollte Herbst nicht spezifizieren. Doch sie kritisiert die Zusammenlegung von Vice DACH im Allgemeinen: „Die Entmachtung der österreichischen Redaktion kommt zu einem vollkommen falschen Zeitpunkt. Gerade aufgrund der rechten Regierung ist unabhängiger Journalismus umso wichtiger. Eine Redaktion in Österreich jetzt zu schwächen, ist ein falsches Signal.“
Einer möglichen neuen inhaltlichen Schwerpunktsetzung widerspricht Himmelreich, es solle weiterhin um Themen wie soziale Gerechtigkeit und Rechtspopulismus gehen, aber auch Sex und Liebe sollen ihren Platz auf der Seite finden. „Ich kann nicht nachvollziehen, wie der Eindruck entstanden ist, dass es eine komplette inhaltliche Neuausrichtung geben soll. In Deutschland setzen wir gerade vermehrt auf Reportagen, Porträts und exklusive Inhalte. Den Weg will ich auch weiterhin gehen. Und das nicht nur in Deutschland. Es soll weiterhin lokalen Content geben aus Österreich und der Schweiz“, sagt Himmelreich. „Wir machen wie gewohnt weiter mit unserem unkonventionellen und manchmal auch provokanten Journalismus.“
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