Autonome sprengen taz Salon: Keinen Bock auf Debatten
Aktivisten der Roten Flora störten in Hamburg eine Podiumsdiskussion der taz massiv. Die Gäste kamen gar nicht zu Wort.
HAMBURG taz | Mit Sprechchören und lauter Musik haben Aktivisten der Roten Flora in Hamburg einen taz Salon verhindert. Moderator und taz-Redakteur Sven-Michael Veit brach die Podiumsdiskussion zum Thema Flüchtlingspolitik nach nur fünf Minuten ab. Eingeladen waren die Fraktionsspitzen aus der Bürgerschaft – zu Wort gekommen sind sie nicht.
Etwa zwei Drittel der mehr als 200 Gäste im großen Saal des Hauses 73 am Schulterblatt neben der Roten Flora kam aus dem links-autonomen Spektrum.
Einige sangen „Refugees are welcome here“ oder riefen „Mit Rassisten reden wir nicht“ in Richtung der Podiumsgäste Katharina Fegebank, Spitzenkandidatin der Grünen, SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, Vize-Fraktionsvorsitzende Christiane Schneider von der Linken, FDP-Frontfrau Katja Suding und CDU-Spitzenkandidat Dietrich Wersich.
Vom Dach des besetzten Kulturzentrums schallte laute Musik in Richtung Diskussionsrunde.
Eigentlich sollten die Politiker über die Situation von Flüchtlingen in Hamburg, deren Unterkünfte, fehlende Gelder und eine bessere Betreuung diskutieren. Doch ein Gespräch war nicht möglich. Veit ließ das Publikum darüber abstimmen, ob die Diskussion fortgesetzt werden solle – und brach dann ab.
„Die wollen hier über die Köpfe der Flüchtlinge hinweg reden, statt mit ihnen“, kritisierte ein Gegner der Veranstaltung. Schon im Vorfeld hatten Flora-Aktivisten dazu aufgerufen, den taz Salon „zum Tanzen zu bringen“.
Dort wollten die Spitzenkandidaten der Parteien „ihre Versionen eines repressiven und ausgrenzenden Umgangs mit Flüchtlingen wahlkampfgerecht aufarbeiten“, heißt es in einem Flyer.
„Die ganze Standortscheiße, eine marktkonforme Wohnraumpolitik, eine verwertungsorientierte und rassistische Flüchtlingspolitik sind nicht unsere Wahl“, schreiben die Rotfloristen. Zwei frühere Salons zum selben Thema mit Flüchtlingen auf dem Podium waren unbehelligt geblieben.
„Unmöglich, dass die sich hier durchsetzen“, sagte ein älterer Herr mit Blick auf das verwaiste Podium. Die Spitzenkandidaten standen noch in kleinen Grüppchen mit einigen Gästen daneben und diskutierten über den Abend. Rund 150 Gegner kamen laut Polizei, die mit 118 Beamten im Einsatz war.
Vor der Tür hielten einige Demonstranten noch eine unangemeldete Spontandemo ab, rannten das Schulterblatt mal hoch und mal runter, eine Hundertschaft der Polizei hinter sich. Insgesamt blieb der Abend aber friedlich.
Leser*innenkommentare
Christiana
Grins :D !
Lowandorder
A-gähn 2.0
"…Menschen, die aus Krieg und Unterdrückung nach Deutschland flohen, brauchen echte Hilfe, keine falschen Freunde.…"
Tja - da liegt der Hase im Pfeffer -
Mag ja sein - daß die Autonomen in konkreto überzogen haben - (kenn mich da nicht genügend aus) - nur
"…da habt ihr es - das Argument der Straße - sagt bloß jetzt nicht - das ham wir nicht gewollt …
…und euch, die ihr mal anders ward -
was soll man euch - was soll man euch nur raten?…" -
sang schon Dege genau gegen diese so verlogene bürgerlich-reaktionäre Position.
Es war doch die Fronde aus
CDUCSUFDP & SPD - ja -
die unter der Flagge -Asylkompromiss -
eines der Grund- und Menschrechte
dieser Republik - bis zur Unkenntlichkeit geschreddert hat
("…nur weil wir schlecht organisiert sind…" - Verfassungsrichter Jürgen Kühling)
Und wenn heute - mit weit niedrigeren Zahlen & cordon sanitaire Frontex -
DIESEN FALSCHEN FREUNDEN - mal wg folgenloser Laberrunden die rote Karte gezeigt wird - es mal hemdsärmlig wird -
dann wird komplett verlogen einer auf
Anzugsordung & Etikette gemacht;
Wie blutleer-fischköppig ist das denn!
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mit F.K.Waechter - NÖ WIESO!
Dudel Karl
"Die Gäste kamen gar nicht zu Wort."
Ja nun, es können eben nicht alle zu Wort kommen.
Chris Mahns
Diese Randale-Aktion zeigt, dass es leider doch signifikante Parallelen zwischen Islamisten, Rechten und unser Radikalen Linken gibt.
@ Rainer B.: Sicher war es eine Wahlkampf-Veranstaltung. Das muss man nicht gut finden. Eine Diskussion mit Gewalt zu verhindern, ist schon sehr arm - zeigt aber auch, wie viel den Aktivisten am Thema liegt (der Schritt zum Wutbürger a la Pegida ist weniger weit als Sie denken).
@ taz: Da wird sich mancher die Hände und reiben und sagen: "Ach, die taz hat es nun auch mal getroffen, wo sie doch sonst Störungsaktionen gutheißen." Nicht ganz unberechtigt der Einwand - allerdings ist diese Aktion keinesfalls zu tolerieren - prima, dass die taz hierzu Klartext schreibt.
Lars
@Chris Mahns Also von Randale kann ich in dem Artikel nichts lesen, ich würde das mal kreatives Stören nennen. Wo lesen Sie was von Gewalt??
Rainer B.
@Chris Mahns Die Verhinderung von unverbindlichen Pseudo-Diskussionen trifft natürlich genau den Kern bundesdeutscher Demokratie. Böse, böse Linke aber auch wieder.
Rainer B.
Ach Gottchen! Ist diese schlecht getarnte Wahlkampfveranstaltung tatsächlich geplatzt? Irgendwie seltsam, dass die Vertreter der einschlägigen Parteien so kurz vor der Wahl in Hamburg neuerdings an Themen und Diskussionen interessiert sind, die sie in der Praxis längst gegen die Flüchtlinge abgehakt haben. Plötzlich kriechen wieder täglich sogenannte Spitzenkandidaten durch die Hausflure und müllen die Briefkästen mit ihrer ekelerregenden Selbstwerbung zu. Das ganze Jahr über verschanzen sie sich in ihren Abschiebestuben und bringen ausser überflüssigen Polizeieinsätzen nichts Erkennbares auf die Reihe und jetzt wollen sie auch noch wiedergewählt werden - billig, unglaubwürdig, dumm, überflüssig.
Kein Genfutter bitte!
Christiane Schneider setzt sich immer vehement für Flüchtlinge
und gegen Rechtstendenzen ein - die Gute können sie nicht gemeint haben.