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Autonome Gruppe um Lina E.Kronzeuge bekommt Bewährung

Im Prozess gegen die Leipziger Autonome Lina E. packte ein Kronzeuge aus. In seinem eigenen Prozess bekommt dieser nun einen Strafrabatt.

Die angeklagte Lina E. bei ihrer Festnahme im November 2020 Foto: Ronald Wittek/epa

Berlin taz | Es wurde wie erwartet ein kurzer Prozess. Am Montag wurde, nach nur einem Verhandlungstag, der ehemalige Berliner Autonome Johannes D. vom Landgericht Meiningen zu anderthalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der 30-Jährige hatte sich 2019 an einem Überfall auf den Eisenacher Rechtsextremisten Leon Ringl beteiligt. Johannes D. stand zuletzt aber anderweitig im Fokus: Weil er als Kronzeuge im Prozess gegen seine früheren Szenefreunde um Lina E. auspackte. Nun kommt er selbst glimpflich davon.

Über längere Zeit war Johannes D. nach eigener Auskunft zusammen mit Lina E. und anderen Leipziger Autonomen bei Antifa-Aktionen aktiv, auch militant. So auch im Dezember 2019 in Eisenach, wo der rechtsextreme Kampfsportler Leon Ringl eine Szenekneipe betreibt. Als „Scout“ habe er damals die Kneipe ausgespäht, räumte Johannes D. vor Ermittlern ein. Als Ringl das Lokal verließ, habe er dies an seine Mitstreiter weitergegeben, die den Rechtsextremen darauf überfallen wollten – was scheiterte, weil Ringl ein Messer zog. Stattdessen wurden aber drei Begleiter des Neonazis verprügelt und ihr Auto demoliert.

Die Aussage machte Johannes D. bereits im Mai vergangenen Jahres beim sächsischen Landeskriminalamt und später im Prozess gegen Lina E. und drei Mitangeklagte vor dem Oberlandesgericht Dresden. Dieses Verfahren läuft bereits seit anderthalb Jahren. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung und sechs schwere Angriffe auf Neonazis in Leipzig, Eisenach und Wurzen. Die Aussage von Johannes D. war für den Prozess eine Zäsur. Denn bis dahin schwiegen alle Angeklagten und auch die mindestens fünf weiteren Personen, gegen welche die Bundesanwaltschaft weiter ermittelt und die sie ebenfalls zu der Gruppe zählte, darunter Johannes D.

Aus der Szene ist Johannes D. schon länger verstoßen

Dann aber packte der 30-Jährige aus. Zuvor war er in der Szene als angeblicher Vergewaltiger geoutet worden. Dort sieht man ihn nun auch als „Verräter“ und wirft D. einen Rachefeldzug vor. Der sagte in Dresden, sein Auspacken sei Folge des Outings.

Vor dem Landgericht Meiningen wiederholte Johannes D. nun sein Geständnis zu dem Angriff in Eisenach. Das Gericht verhängte darauf eine Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren, wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung, ausgesetzt auf vier Jahre Bewährung. Zudem muss er 1.500 Euro an den Weißen Ring bezahlen.

Johannes D. lebt seit seiner Aussage bei der Polizei in einem Zeugenschutzprogramm. Im Lina E.-Prozess hatte er am Ende über mehrere Prozesstage ausgesagt – vor allem über die Gruppenstruktur um Lina E. Sie und ihren bis heute untergetauchten Partner Johann G. beschuldigte er als treibende Kräfte hinter der Gruppe. Zu den meisten vorgeworfenen Straftaten konnte er allerdings nichts sagen, weil er nicht dabei gewesen sein will.

Der Prozess gegen Lina E. und die drei Mitangeklagten ist der größte seit Jahren gegen linksradikale Aktivist:innen. Die Anklage führt die Bundesanwaltschaft. Momentan befindet sich der Prozess in der Schlussphase. Ein Urteil könnte laut Gericht und Prozessbeteiligte noch im März fallen.

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6 Kommentare

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  • "Zu den meisten vorgeworfenen Straftaten konnte er allerdings nichts sagen, weil er nicht dabei gewesen sein will."

    Ein guter Anwalt wird genau deswegen diese Aussagen zerflücken.

  • Da er von outing spricht und nicht von Verleumdung gehe ich davon aus das es sich bei dem Kronzeugen um einen Vergewaltiger handelt. Von daher muss man fragen ermittelt die Staatsanwaltschaft oder ist der Staatsanwaltschaft die im Raum stehende Vergewaltigung egal oder gab es schon ein Verfahren bzw Ermittlungen?

    • @pablo:

      Wie Sie bei Outing auf Vergewaltiger kommen, müssten Sie erklären.

      • @rero:

        Weil es allgemein bekannt ist, daß er als mutmaßlicher Vergewaltiger geoutet wurde. Mit Bild und vollständigen Namen. Das wurde ja auch im Prozeß konkret behandelt. Einfach die Prozeßprotokolle lesen.







        www.akweb.de/polit...mhoever-ausgesagt/

        • @Kathinka:

          Achso. Danke für die Erklärung.

      • @rero:

        "Dann aber packte der 30-Jährige aus. Zuvor war er in der Szene als angeblicher Vergewaltiger geoutet worden." - - > steht im Artikel: er ist in der Szene als angeblicher Vergewaltiger *geoutet* worden. Im Kontext des Artikels hat Outing diese Bedeutung.

        Unglückliche Wortwahl von Szene und Autor, da man unter outing normalerweise etwas anderes versteht.