Automesse in Zeiten von Klimaschutz: IAA gibt sich geläutert
Auf der Messe IAA zeigen Firmen ihre E-Autos, Firmenbosse drängen auf Klimaschutz. Und die Kanzlerin preist Veränderungen, die sie einst blockierte.
Zwar gibt es in einer Halle wie in alten Zeiten Oldtimer und aufgemotzte Rennwagen zu bewundern. Doch der Schwerpunkt hat sich nicht nur in den Ankündigungen verschoben, sondern auch auf dem Messegelände selbst.
Waren in der Vergangenheit Elektrofahrzeuge die Exoten auf den Messeständen, sind es in diesem Jahr die fossilen Modelle: Bei Volkswagen etwa sind mit Ausnahme eines einzigen Hybrid-Busses ausschließlich reine E-Autos ausgestellt. Bei BMW finden sich die klassischen Benzin-Limousinen am Rande des Stands – im Mittelpunkt stehen auch hier die neuen E-Modelle und die futuristische Studie eines Autos, das zum Großteil aus recycelten Materialien besteht. Einzig Daimler traut sich noch, ein paar große Diesel-Fahrzeuge wie die bullige G-Klasse prominent auszustellen.
Und noch etwas hat sicher verändert: Die IAA ist wesentlich kleiner als in der Vergangenheit. Gerade mal die Hälfte der Hallen auf dem Messegelände wird genutzt. Konzerne, die früher komplette Hallen buchten, begnügen sich mit relativ bescheidenen Ständen. Große Hersteller wie Toyota, Mazda, Honda, Peugeot, Fiat oder Tesla fehlen komplett. Vertreten sind dagegen diverse E-Auto-Hersteller aus China, deren Namen viele Autokund*innen in Deutschland noch nie gehört haben dürften, etwa Polestar, Wey oder Ora.
„Die Klimakrise startet hier“.
Die Kritiker*innen der IAA überzeugt diese Veränderung allerdings keineswegs. Im Messe-See direkt vor dem Eingang protestierten am Dienstagmorgen Greenpeace-Aktivist*innen mit Plakaten der jüngsten Klimakatastrophen und dem Slogan „Die Klimakrise startet hier“.
Die vielen auf der Messe gezeigten Elektroautos täuschten darüber hinweg, dass die Branche ihr Geld weiterhin vor allem mit fossilen Fahrzeugen verdiene, kritisierte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. „Statt sich in München schamlos grün zu maskieren, muss die Autobranche dringend auf Klimakurs einschwenken“, forderte er.
Andere Klima-Aktivist*innen protestierten deutlich radikaler: Mehrere autonome Kleingruppen blockierten am Dienstagmorgen fast sämtliche Autobahnen nach München, indem sie sich von Brücken abseilten. „Die E-Mobilität ist keine Antwort auf die Klimakrise und den Verkehrskollaps, wenn sie weiterhin die Idee des automobilen Individualverkehrs trägt“, hieß es in einer Erklärung.
Auch wenn diese Proteste bei den Veranstaltern nicht gut angekommen sein dürften: Dass das, was die Branche bisher tut, noch nicht reicht, war auch auf der Messe zu hören. VW-Chef Herbert Diess, der bereits bei der letzten IAA in einem taz-Streitgespräch mit einer Aktivistin erklärt hatte, für ihn sei „Klimawandel das Hauptthema“, drängte auch diesmal zu mehr Tempo. „Unsere Generation hat die Verantwortung zu handeln“, sagte er am Dienstag. „Und bisher handeln wir nicht konsistent genug.“ So mache der Umstieg auf Elektroautos nur Sinn, wenn der Strom möglichst bald komplett klimaneutral erzeugt werde.
Enger Draht zwischen Politik und Auto-Wirtschaft
Und auch die Kritik, dass ein neuer Antrieb nicht alle Probleme löst, ist beim VW-Chef angekommen. Kein anderer deutscher Autoboss treibt inzwischen den Umstieg zur Elektromobilität so ernsthaft voran wie Diess. Dass Autos meist nur eine Stunde am Tag genutzt werden, sei eine Verschwendung von Platz und Ressourcen, sagte er – und pries als Lösung autonome Fahrzeuge, die als Mietwagen oder per Carsharing von vielen Menschen gemeinsam genutzt werden könnten.
Vom neuen, modernen Image, mit dem sich die Autobranche in München präsentiert, will auch die Politik profitieren. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) begrüßte die Gäste bei der Eröffnung am Dienstag zwar mit den Worten „Liebe Auto-Fans“, drängte aber zugleich erneut auf schnellere Fortschritte beim Klimaschutz. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte, dass anders als noch bei ihrem letzten Besuch mittlerweile „alle Hersteller alltagstaugliche Elektrofahrzeuge im Programm“ haben.
Und sie freute sich, dass das Ziel, eine Million E-Autos auf die Straße zu bringen, Mitte dieses Jahres erreicht wurde – rechtzeitig zur neuen IAA und nur sechs Monate später als vor vielen Jahren angekündigt.
Dass dabei auch Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge mitgezählt werden, die überwiegend fossil angetrieben werden, fand dabei ebenso wenig Erwähnung wie die Tatsache, dass die Elektrooffensive vor allem auf die EU zurückgeht. Aufgrund der Grenzwerte für Pkw drohen den Herstellern hohe Strafzahlungen, wenn sie den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotte nicht reduzieren. Diese Grenzwerte, deren Ergebnis die Kanzlerin jetzt feiert, waren von der Bundesregierung nicht unterstützt, sondern zunächst massiv bekämpft worden – in enger Absprache mit der Autoindustrie.
Wie eng deren Draht in die Politik war, wurde auch bei der Eröffnung der IAA noch einmal deutlich: Begrüßt wurde Merkel von Hildegard Müller, die heute Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie ist und einst unter Merkel als Staatsministerin im Kanzleramt arbeitete.
Wenig zu sehen war von der neuen Mobilität, die auf der Messe beschworen wurde, auf den Straßen ringsum, wo die Autos ganz altmodisch im Stau standen – und zwar nicht nur durch die Autobahnblockaden. Doch davon bekam Merkel nicht viel mit, sie nahm den Luftweg. Elektrische Flugtaxis, die die Union als verkehrspolitische Lösung der Zukunft anpreist, waren aber auf der Messe nur als nicht zugelassener Prototyp zu sehen. Die Kanzlerin kam im konventionellen Vorläufer aufs Messegelände – per Hubschrauber.
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