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Ausweitung der FrauenquoteDiskussionsorgien in der CDU

Nach langem Hin und Her will die CDU-Spitze für mehr Diversität in der Partei sorgen. Selbst die Junge Union stimmte für das Quotenpapier.

Zwei Frauen ganz oben in der CDU – aber wahrscheinlich nicht mehr lange Foto: Hans Christian Plambeck/laif

Berlin taz | „Man muss nicht jeden Schmarrn mitmachen.“ Der Passauer Delegierte beim CSU-Partei­tag im Oktober letzten Jahres klingt empört. Das Ziel der Parteiführung, eine Frauenquote in der Satzung zu verankern, sei „wunderbar – aber mit der Brechstange geht das nicht.“ Am Ende wird die „Brechstange“ beiseitegelegt. Die ­Delegierten billigen zwar eine Ausweitung der ­Frauenquote – allerdings nur in arg abgeschwächter Form. Der Kompromiss nimmt den sehr vielen Männern in der CSU kaum etwas weg und gesteht den wenigen Frauen nur das Nötigste zu. Der Vorgang ist auch eine Lehre für CSU-Chef Markus Söder, sich nicht mehr beim beim Thema Frauenquote zu verkämpfen.

Eine vergleichbare Debatte und ein ähnliches Ergebnis darf man nach den aktuellen Entwicklungen in der CDU auch für deren Parteitag Anfang Dezember erwarten. Die Gemengelage ist der der Schwesterpartei CSU ähnlich. In der Nacht zum Mittwoch hat eine eigens von der CDU gebildete Satzungs- und Strukturkommission Beschlussempfehlungen an die Delegierten vorgelegt. Zentrale Punkte sind eine verbindliche Frauenquote und die formelle Einbindung der Lesben und Schwulen in die Parteiarbeit. Insgesamt sind für den Parteitag in Stuttgart mehr als 50 Satzungsänderungen geplant. Das Quotenthema – so viel steht fest – wird das meist beachtete sein.

Die Frauenquote ist in der CDU mit ihrem Frauenanteil von nur 26 Prozent heftig umstritten. Mal heißt es, die Frauen wollten ja nicht, es sei fast ein Ding der Unmöglichkeit, für Ämter und Mandate ­geeignete Kandidatinnen zu finden. Dann wieder verweist man auf die Freiwilligkeit und verwahrt sich gegen ­Zwangsmaßnahmen. Eine seit einem Vierteljahrhundert geltende „Quorum“ genannte 33-Prozent-Quote für Frauen wird permanent unterlaufen. Gerade dieser Parteitag, bei dem die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer verabschiedet und ein – nach heutigem Stand – männlicher Kandidat gewählt wird, könnte ein bisschen Profilierung auf Kosten von Frauen bieten. Wären da nicht die WählerInnen. 2017 wurde die CDU mit 30 Prozent von deutlich mehr Frauen als Männern (23 Prozent) gewählt. Das lag nicht unerheblich an der Sichtbarkeit von Frauen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die CDU hat sich deshalb selbst verordnet, jünger, diverser, vor allem aber eben weiblicher zu werden.

Nun hat sich also die eigens für strittige Satzungsfragen gegründete Kommission auf den Vorschlag an die 1.001 Delegierten geeinigt. Bei Schnittchen und Gazpacho hatten im Berliner Konrad-Adenauer-Haus 52 TeilnehmerInnen diskutiert. Am Mittwoch gegen ein Uhr nachts war das Quotenpapier fertig. Es wurde mit 34 Ja- und 7 Neinstimmen sowie 5 Enthaltungen angenommen. Selbst die Junge Union mit ihrem Vorsitzenden Tilman Kuban hatte zugestimmt (was, nebenbei bemerkt, eine Krisensitzung am Mittwochvormittag nach sich zog).

Möglichkeit der Abweichung bleibt

Das Papier sieht vor, dass es eine schrittweise Anhebung der Quote für Vorstandswahlen ab der Kreisebene gibt. Ab 1. Januar 2021 soll eine Frauenquote von 30 Prozent gelten, ab 1. Januar 2023 eine Quote von 40 Prozent. Zum Jahresanfang 2025 gilt dann eine Frauenquote von 50 Prozent. Die Regelung soll für Gruppenwahlen von Vorständen etwa für stellvertretende Vorsitzende und Beisitzer gelten. Für Einzelwahlen von Vorsitzenden, Mitgliederbeauftragten oder Schatzmeistern auf Bundesebene aber nicht.

Von der Frauenquote soll nur dann abgewichen werden können, wenn nicht genug weibliche BewerberInnen kandidieren. In diesem Fall bestimme die Anzahl der kandidierenden Frauen die Quote, heißt es in dem Beschluss. Werde sie nicht eingehalten, bleibe der eigentlich von einer Frau zu besetzende Platz leer.

Gute Vorsätze

CDU-Frauen

Die CDU-Spitze schlägt dem Parteitag im Dezember eine verbindliche Frauenquote vor. Das Stufenmodell sieht vor, dass ab 2021 30 Prozent der Vorstandsämter ab der Kreis­ebene mit Frauen besetzt werden müssen. Ab 2023 sollen es 40 Prozent sein, ab 2025 50 Prozent. Die Vorlage dürfte die Bundestagswahl 2021 beeinflussen. Zwar würde die Satzungsänderung ab Dezember gelten, aber die CDU-Kreisvorsitzenden müssten es dann begründen, wenn sie zu wenige Frauen nominieren.

LGBTIQ

Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) sollen als „Sonderorganisation“ einen festen Platz in der Partei erhalten und „an der politischen Willensbildung mitwirken“. Den LSU gehören 700 Mitglieder an, sie ist in zwölf Landesverbänden organisiert.

Der Parteitag

Der CDU-Parteitag findet vom 3. bis 5. Dezember in Stuttgart statt. Die 1.001 Delegierten sollen neben den mehr als 50 Satzungsänderungen auch eineN neueN VorsitzendeN wählen. In der engen Wahl sind drei Männer aus Nordrhein-Westfalen: Ministerpräsident Armin Laschet, der Rechtsanwalt Friedrich Merz und der Außenpolitiker Norbert Röttgen.

Bei der Wahl von Delegierten für Parteitage auf Landes- und Bundesebene soll es eine dynamische Frauenquote geben. Hier soll vom 1. Januar 2021 an eine Quote von 30 Prozent gelten. Von einem weiblichen Mitgliederanteil ab 30 Prozent soll in Landesverbänden eine Quote von 40 Prozent gelten. Ab einem Mitgliederanteil von 40 Prozent Frauen soll es eine Quote von 50 Prozent geben. Hintergrund ist, dass Parteitage künftig realistischer als bisher die Mitgliedschaft abbilden sollen.

Bei Listenaufstellungen soll es von Anfang 2021 an, bezogen auf die ersten zehn Plätze, eine Frauenquote von 30 Prozent oder mindestens drei Frauen geben. Ab 2023 ist demnach eine Quote von 40 Prozent, also vier Plätze, vorgesehen, von 2025 an dann 50 Prozent, also fünf Plätze. Die Regeln sollen für Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen gelten. Es handelt sich allerdings nur um eine „Sollbestimmung“, also keine verpflichtende Regelung.

Letzteres würde bedeuten, dass Männer weiter die besten Listenplätze und Ämter in der Partei anstreben und übernehmen könnten, ohne dass sie damit gegen die Satzung verstießen. Es sei denn, die CDU fände zum Prinzip der paritätisch besetzten Doppelspitze. Aber das dürfte angesichts des schon jetzt heftigen Streits im Bereich der Fantasie bleiben.

Hochstimmung bei Lesben und Schwulen

Dass die Delegierten dem Vorschlag der Antragskommission zustimmen werden, ist alles andere als ausgemacht. Dennoch, für CDU-Verhältnisse ist der Kompromiss ein riesiger Schritt in Richtung Teilhabe und Repräsentanz von Frauen. Die Vorsitzende der Frauen-Union in Brandenburg, Kristy Augustin, freut sich am Telefon hörbar über den „guten und erkämpften Erfolg“. Sie war die ganze Nacht im Konrad-Adenauer-Haus dabei und findet: „Wir haben lange genug gewartet, es ist höchste Zeit.“

Tatsächlich hatte die Bundes-Frauen-Union noch 2019 beim Leipziger CDU-Parteitag eine schlechte Figur abgegeben. Ohne die große öffentliche Bühne für ihr Quotenanliegen zu nutzen, hatte FU-Chefin Annette Widmann-Mauz der Parteitagsregie durchgehen lassen, dass der Quotierungsantrag in den Ausschuss verwiesen wird. Der Eindruck war verheerend. Heute sagt die Brandenburger FU-Vorsitzende Augustin, bis 2025 hätten die CDU-Verbände ausreichend Zeit. „Ab Kreisverband sollte es möglich sein, die gute Frauen finden.“ Ihre Bundesvorsitzende Widmann-Mauz sagte dem ZDF, der Beschluss sei ein wichtiger Etappenerfolg. „Aber wir sind noch lange nicht am Ziel.“

In Hochstimmung ist Alexander Vogt. Der Vorsitzende der Lesben und Schwulen (LSU) hatte „einen Kloß im Hals“, als die Entscheidung kam. Zweiundzwanzig Jahre nach Gründung soll die LSU als „Sonderorganisation“ fest in der Partei verankert werden. Das Wort klingt ungut, dennoch wäre die Anerkennung der Interessen von Lesben und Schwulen ein großer Schritt. Vogt führt den LSU seit zehn Jahren; bei Parteitagen hat man ihn und seine Verbündeten mit ihrem Stand gerne mal in dieselbe Ecke wie die LebensschützerInnen von „Christdemokraten für das Leben“ platziert. Erst in den letzten Jahren wurde es besser: Die Bundespartei stellte ihre Zentrale in Berlin als Ort für den LSU-Jahresempfang zur Verfügung.

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#mehrmädels – so sieht die Junge Union Gleichstellung

Vogt freut sich vor allem für die Mitglieder. „Viele haben einen schweren Weg hinter sich, gerade die Älteren.“ Um die Zustimmung der Parteitagsdelegierten für die Satzungsänderung zu bekommen, sieht er „viel Überzeugungsarbeit auf uns zukommen“. Von der Satzungskommission ist der Antrag auf den LSU-„Sonderstatus“ mit mehr Stimmen als der Quotenantrag der Frauen-Union durchgegangen: Bei 35 Jastimmen gab es gerade mal 1 Nein und 2 Enthaltungen. Dennoch erwartet Alexander Vogt Gegenwind. „Ich würde mich eher wundern, wenn es keine Gegenrede gibt. Sachlicher Streit ist Wesensmerkmal der CDU.“ Bislang ist keinerlei Widerwort zu hören.

Für die vorgeschlagene Quotenregelung hingegen setzt es bereits Kritik. Die Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrates, As­trid Hamker bezeichnet die Pläne als „ziemlich übermotiviert und unrealistisch“. So wie keine Führungspositionen in den Betrieben von oben angeordnet werden könnten, so verhalte es sich auch mit weiblichen Kandidatinnen in einer Partei, sagt sie der Passauer Neuen Presse. Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, sieht eine „intensive Debatte“ auf seine JU zukommen. Beim Deutschlandtag 2019 wurden noch Sticker mit dem Hashtag #mehrmaedels verteilt. So ist beim Parteinachwuchs die Sicht auf Gleichstellung.

Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz hingegen schreibt auf Twitter, er erwarte von den Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz, „dass sie sich jetzt zur Einführung einer Frauenquote bei der CDU positionieren, und nicht erst abwarten, wie sich die Stimmung in der Partei entwickelt. Führung verlangt, Farbe zu bekennen.“

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Textversion war die Zahl der LSU-Mitglieder falsch angegeben und wurde nun korrigiert.

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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Liegt es eigentlich an Corona und einer Überdosis medial verbreiteter Epidemiologie, dass in den Kommentarspalten neuerdings versucht wird, die Sinnhaftigkeit von Entscheidungen mit Abzählen zu ermessen?

  • Wenn die aktuellen Zahlen stimmen, hat die LSU ganze 700 Mitglieder in 12 Landesverbänden. Dagegen ist ja selbst die Werteunion ein Riese, und die wird nie offiziell anerkannt.



    Auch wenn eine gleichmäßige Verteilung unwahrscheinlich ist, das sind gerade mal 58 Mitglieder pro Landesverband. Es wird wenige Ortsvereine geben, die weniger Mitglieder haben.



    Wenn die CDU so weitermacht, wird sie den Weg er SPD gehen.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Nach der Wahl 2021 werden prozentual noch weniger Frauen im Bundestag sein als jetzt, weil die Direktabgeordneten tendenziell an männerdominierte Parteien gehen und die SPD als Partei mit der höchsten Frauenquote die meisten Stimmen verliert.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Im aktuellen Bundestag sind 37% der Abgeordneten weiblich, aber nur 21% der Direktkandidaten.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Das liegt aber sicher nicht an fehlenden Kandidatinnen. Ich bin mir sicher, dass in allen Wahlkreisen auch Direktkandidatinnen zur Wahl standen. Es lag also durchaus in der Hand der Wählerinnen und Wähler auf demokratischem Weg und ganz ohne Quote ein weiblicheres Parlament zu wählen - nicht nach Parteibuch, sondern nach Kompetenz und Überzeugungen der Kandidatinnen und Kandidaten.