Auswahl der Berlinale-Filme: #MeToo hat Folgen fürs Programm

Das Filmfest zeigt in diesem Jahr keine Arbeiten von Leuten, die sexistisches Fehlverhalten zugegeben haben. Offen ist: Welche Filme fehlen?

Dieter Kosslick stützt den Kopf lässig in seine linke Hand und guckt süffisant

Sexisten zeigt Kosslick die kalte Schulter – und lädt sie nicht zur Berlinale ein Foto: dpa

Künstlerisch ist Dieter Kosslick umstritten, doch eins muss man dem Chef der Berlinale lassen: Sinn für Spannungsaufbau hat er – wenn auch fragwürdigen. „Wir haben in diesem Jahr Arbeiten von Leuten nicht im Programm, weil sie für ein Fehlverhalten zwar nicht verurteilt worden sind, es aber zumindest zugegeben haben“, sagte der Chef des Donnerstag beginnenden Filmfestes der Neuen Osnabrücker Zeitung. Nachfrage des Interviewers: „Verraten Sie Namen?“ Kosslick: „Nein.“

Nun rätselt die halbe Filmwelt, welche Filme aussortiert worden sind, weil ihre Regisseure Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe begangen haben. Festhalten kann man aber auch, dass die #MeToo-Debatte endgültig in der deutschen Kulturpolitik angekommen ist.

Zumal gleichzeitig Monika Grütters (CDU) angekündigt hat, eine Anlaufstelle für Missbrauchsopfer aus der Kreativbranche finanzieren zu wollen. Die Staatsministerin für Kultur sagte, dass sie bereits mit Spitzenvertretern aus den Bereichen Film, Theater, Tanz und Musik gesprochen hat: „Denn das Problem betrifft viele Berufe, gerade solche, die künstlerisch mit Körper und Seele arbeiten. Es geht um ein asymmetrisches Machtverhältnis zwischen denen, die Aufträge und Rollen vergeben, und denen, die darauf angewiesen sind.“

Für Aufsehen und Empörung gesorgt hatte der Fall des mächtigen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein, der offenbar nicht nur unzählige Schauspielerinnen gegen ihren Willen sexuell angegangen ist, sondern darüber hinaus ein ganzes Spitzelsystem aufgebaut hat, um die Taten zu vertuschen.

Jedes Outfit wird als Statement gelesen werden

Auch in Deutschland sind längst Namen gefallen. Dem Regisseur Dieter Wedel warfen in der Zeit viele Schauspielerinnen vor, sie psychisch gedemütigt, in schweren Fällen sogar vergewaltigt zu haben. Auch in der Theaterszene gärt es. In einem offenen Brief wenden sich 60 Mitarbeiter des Wiener Burgtheaters gegen ihren ehemaligen Intendanten Matthias Hartmann. Hier geht es nicht um sexuelle Übergriffe, aber Hartmann soll „Machtmissbrauch, Demütigung und Herabwürdigung“ als „probates Mittel“ in der Theaterarbeit eingesetzt haben.

Als im Januar in den USA die Golden Globes verliehen wurden, traten viele der Schauspielerinnen in Schwarz auf, aus Protest gegen Ungleichbehandlung und systematischen Missbrauch in der Branche. Auch die Schauspielerinnen und Schauspieler, die ab Donnerstag über den roten Teppich der Berlinale laufen werden, dürfen sicher sein, dass ihre Kleidungswahl als Statement zur #MeToo-Debatte gelesen wird.

Immerhin scheint sich das Bewusstsein für Machtmissbrauch zu schärfen. So prangerte etwa der Koch Flynn McGarry, Star des Films, der die Berlinale-Sektion Kulinarisches Kino eröffnen wird, Machogehabe und weibliche Ungleichbehandlung auch unter Spitzenköchen an.

In den Worten von Monika Grütters: „Je mehr Frauen in den relevanten Positionen sind, umso weniger wird es diese asymmetrischen Machtkonstellationen geben.“

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