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Austritt aus der UN-KulturorganisationDem internationalen Konzept droht das gänzliche Scheitern

Die USA verlassen zum dritten Mal die Unesco. Doch es ist nur ein Symptom der Zahnlosigkeit der Vereinten Nationen.

Eine weitere UN- Institution, die um ihre Reputation kämpfen müsste: der Sicherheitsrat in New York Foto: Eduardo Munoz/reuters

E s war nur eine kleine Meldung. Und sie ging im Gewirr der umfassenden täglichen Schrecklichkeiten unter. Und dennoch ist sie symptomatisch: Die USA kündigten ihren Austritt aus der Unesco an. Sie verlassen die UN-Kulturorganisation nunmehr schon zum dritten Mal – und zum zweiten Mal unter Donald Trump.

Erhellend dabei ist die diesmalige Begründung: Die Unesco verfolge eine globalistische, ideologische Agenda. Deshalb sei eine US-Mitgliedschaft nicht im nationalen Interesse der USA. Dieses Argument ist punktgenau.

Es ist die Ablehnung des zentralen Moments aller UN-Institutionen – des gemeinsamen internationalen Interesses. Und Trump ist damit nicht alleine: Die israelische Regierung steht ihm dabei treu zur Seite. Nicht nur hat Israel mit den USA den UN-Menschenrechtsrat verlassen. Israel – das seine Gründung der Empfehlung einer UN-Sonderkommission verdankt – hat schon lange ein schwer belastetes Verhältnis zu den Vereinten Nationen.

So wurde UNO-Generalsekretär Guterres zur unerwünschten Person erklärt. Das UN-Hilfswerk UNRWA steht unter Verdacht und wurde verboten. Kritik von der UNO wird von Israel generell als parteiisch, tendenziös, voreingenommen, feindselig betrachtet. Das Völkerrecht aber, das Kriege zivilisieren soll, wird gezielt ausgehöhlt – wie derzeit mit einer willkürlichen Hungersnot in Gaza.

Die Sicherung des Weltfriedens wird untergraben

Die heutigen Autokraten eint eines: Sie tragen gemeinsam – jeder auf seine Art – dazu bei, das Konzept der interna­tio­nalen Organisationen, die Sicherung des Weltfriedens, zu untergraben. Dieses Konzept wird nicht nur infrage gestellt. Es ist nicht nur wirkungslos wie nie. Es droht vielmehr tatsächlich dessen Niedergang. Es droht gänzlich zu scheitern.

Man kann sich derzeit kaum mehr vorstellen, welche Hoffnungen nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Vorstellung eines weltweiten Staatenbundes verbunden waren. Grundlage für einen solchen war Kants Begriff des „ewigen Friedens“. Dieses Konzept beeinflusste ganz wesentlich die Charta der Vereinten Nationen, also deren Verfassung. Was Kant im Blick hatte, war ein „den Krieg abwehrender Bund“.

Dieser sollte keine Weltregierung sein, aber ein „globaler Rechtszustand, der die Völker vereinigt und den Krieg abschafft“, wie Jürgen Habermas schreibt. Diese Idee habe in den Institutionen der Vereinten Nationen Gestalt gewonnen. Beide Momente sind hier relevant: Frieden als ein zu stiftender Rechtszustand – gegen die gesetzlosen Verhältnisse der Willkür. Und ein Staatenbund, der auf Dauer gestellt wird, eine permanente Einrichtung.

Ein zentrales Problem von Kants Konzept ist noch heute das Problem der UNO: Eine solche Allianz bedarf einer moralischen Bindung der Staaten. Diese müssen sich zur Gemeinsamkeit verpflichtet fühlen. Es dies eine moralische, keine rechtliche Verpflichtung. Dies gilt auch für den Internationalen Gerichtshof in Den Haag: Er hat nur eine symbolische Bedeutung.

Dem Staatenbund fehlen die Sanktionsinstrumente

Ohne Machtbasis verfügt der Staatenbund über keine Sanktionsinstrumente. Seine einzige „Waffe“ ist der Appell an die Weltmeinung: öffentlicher Druck durch Berichte zu Menschenrechtsverletzungen, durch Beschwerden. Sowie die Kodifizierung von Begriffen – etwa „Genozid“.

Diese beiden Momente – die Selbstverpflichtung und die rein symbolische Wirksamkeit – waren immer schon heikel. Anders gesagt: Es ist nicht das erste Mal, dass die UNO-Charta missachtet wird. Korea, Vietnam, Afghanistan, Irak – so viele Verstöße.

Und dennoch ist die Situation heute anders. Denn heute schwindet nicht nur die realpolitische Bedeutung der UNO. Heute erodiert auch das Konzept, das Ideal, die Idee einer solchen globalen Friedensordnung.

Die Vereinten Nationen erweisen sich nicht nur als zahnlos. Wie so oft. All die autoritären Machtfantasien und Realitäten höhlen auch das Einzige aus, was sie noch haben: ihre moralische Wirksamkeit. Anders gesagt: Derzeit wird auch noch die symbolische Autorität einer solchen Staatengemeinschaft untergraben. Und damit die Vorstellung, die Möglichkeit, der Horizont, ja selbst die Utopie eines „ewigen Friedens“.

Die Autorin ist Publizistin in Wien.

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5 Kommentare

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  • So allmählich kann es einem wirklich (fast) alles wurscht sein, was mit den USA zusammenhängt. Einst eine respektable Supermacht sind die inzwischen zu einer Kirmes-Republik geschrumpft. Die sollten die Sterne in ihrer Nationalflagge durch Bananen ersetzen, das trifft die Lage deutlich besser. Und ihren nicht ganz zurechnungsfähigen Kirmesdirektor sollten sie mit der nächstbesten Rakete ins Weltall schicken, mit dem Versprechen, dass das noch nie einer seiner Vorgänger gemacht hat. Das wird seinem Ego gefallen und er merkt es nicht mal....

  • NB: Kant war eher à la Völkerbund.



    Seine Schrift zum "Ewigen Frieden" ist leicht zu finden und für einen Kant-Text leicht zu lesen.



    Für kooperative Lösungen offen zu sein, da hilft die Erinnerung an den Krieg, der auch Europa immer wieder verwüstete. Da hilft Solidarität und politische Bildung der Bevölkerungen. Denn die Schlangenbotschaft des asozialen Nationalismus ist wohl nie mehr ganz auszurotten. Das Paradies eines von den USA garantierten Status scheint verloren oder muss mit Schutzgeld ein wenig verlängert werden. Russland, China wären gar keine Alternative. Es rächt sich, dass Merkel und Scholz auf dem französischen und europäischen Ohr arg taub waren, ja, die Partner arrogant brüskierten. Von der Bild sollte mensch sich eben nicht treiben lassen, z.B. Griechen abzubügeln. Wir brauchen ganz Europa.



    Und Europa braucht eine eher kantianisch geprägte Weltordnung.



    Mögliche Ansätze sind da bei der British School zu finden. Baerbock schien da schon einiges an der LSE aufgeschnappt zu haben, ließ sich aber auch zuweilen ablenken.

    • @Janix:

      Wenn sogar Spanien nicht daran denkt, Europa vor Putin zu schützen (da sich dieses Land von Putin nicht bedroht fühlt, wird es keine spanischen Bodentruppen in die Ukraine entsenden *), dann liegt ein "Vereinigtes Europa" (ein Wunschtraum von mir) in weiter Ferne.



      Über Ungarn mag ich erst gar nicht schreiben.



      (* meiner Meinung nach wird es nie zu einer solchen Entsendung kommen, da Putin sich schon jetzt dagegen ausspricht)

  • Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates (USA, Vereinigtes Königreich, Frankreich, die Russische Föderation und China) haben den Status einer Vetomacht. Gerade die beiden letztgenannten Länder haben dieses Recht recht häufig in Anspruch genommen.



    Hier müsste endlich mal eine Änderung vorgenommen werden.



    Ja, ich weiß, "Träume sind Schäume".

    • @Il_Leopardo:

      Das ist der Preis dafür, diese Gorillas mit dabei zu haben.



      Allerdings sollten sie dann auch ins Kooperative mit gehen.



      Am Anfang die UdSSR, dann nutzte mit der Dekolonialisierung die USA das Veto oder musste damit winken.



      Und dass jemand das zumindest muss, ist ein kleiner Gesichtsverlust, der weiterhin als solcher wahrgenommen werden sollte, allen Großmündern zum Trotze.