Aussteigerprogramm für Nazis: Exitus für Exit?
Seit Jahren verhilft Exit Nazis zum Ausstieg. Nun droht das Ende: In einer Förderrunde des Familienministeriums geht der Verein bisher leer aus.
Tatsächlich steht die wohl bekannteste Aussteigerhilfe für Rechtsextremisten momentan vor dem Aus. Im Jahr 2000 von Wagner gegründet, verhalf Exit seitdem nach eigenen Angaben 750 Neonazis zum Rückzug aus der Szene. Gefördert wurde dies zuletzt maßgeblich durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“, angesiedelt beim Bundesfamilienministerium. Dort entschied man nun, welche Projekte für die neue, vierjährige Förderperiode ab 2020 Gelder erhalten. Und: Exit ist nach eigener Auskunft nicht dabei.
Bis Ende September wurden die Träger, die auch künftig als „Modellprojekte“ finanziert werden sollen, vom verantwortlichen Bundesfamilienministerium informiert und dürfen nun ihre finalen Konzepte einreichen. Exit habe dabei keine Rückmeldung erhalten, sagt Bernd Wagner. „Das ist eine Katastrophe.“ Man sei nun dabei, alle 115 AussteigerInnen, die man aktuell betreue, „abzuwickeln“, so Wagner. „Die verstehen die Welt nicht mehr. Und ich auch nicht.“
Im Familienministerium gibt man sich bedeckt. Man befinde sich im laufenden Verfahren, Informationen zu einzelnen Bewerbern könne man deshalb nicht mitteilen, erklärt ein Sprecher der taz. Er verweist aber auf die große Menge der Antragsteller: Für die neue Förderperiode von „Demokratie leben“ hätten sich mehr als 1.000 Projekte beworben, die sich gegen Extremismus und für Demokratiearbeit engagieren wollen. Nach eine Prüfung durch 60 GutachterInnen seien schließlich rund 100 Initiativen als Modellprojekte ausgewählt worden. „Wir haben eine hohe Nachfrage und begrenzte Mittel“, so der Sprecher. „Dies erfordert eine Auswahl.“
Alles nur noch Verarsche
Tatsächlich wurde anderen Aussteiger-Projekten bereits die Aussicht auf eine Förderung mitgeteilt. So soll die Bundesarbeitsgemeinschaft „Ausstieg zum Einstieg“, die mehrere kleinere Aussteiger-Projekte im Bereich Rechtsextremismus bündelt, künftig als Modellprojekt gefördert werden – auch dort hatte man um eine Weiterfinanzierung gebangt. Giffey nennt die Bundesarbeitsgemeinschaft einen „zentralen Baustein des Bundesprogramms“.
Exit-Chef Wagner indes verweist darauf, dass kein Name in der rechtsextremen Szene bekannter sei als Exit und kein Projekt mehr Aussteiger betreut habe, darunter etliche „Hochkaräter“. „Das jetzt alles, in diesen Zeiten, zu zerschlagen, ist Irrsinn.“ Zumal es, so Wagner, auch den Bereich Islamismus betreffe, wo derzeit 22 AussteigerInnen mitbetreut würden. Auch deren Sicherheit werde nun gefährdet, genauso wie die von potentiellen Opfern.
Auch Teile der Politik reagieren mit Unverständnis. Kaum ein Tag vergehe derzeit ohne rassistische Gewalt und neue Erkenntnisse über rechtsextreme Netzwerke, sagt die Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth. „Ausgerechnet jetzt nimmt die Bundesfamilienministerin in Kauf, dass zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsradikalismus und für die Demokratie erschwert wird. Das ist verheerend.“ Roths Forderung: „Das Gegenteil müssen wir tun: Etablierte Initiativen mit ihren gewachsenen Netzwerken stärker unterstützen, die Finanzierung verstetigen und mehr Planbarkeit schaffen.“
Im Familienministerium wird indes betont, dass das Vergabeverfahren noch nicht beendet sei. Eine Förderung von Bewerbern sei auch jenseits der Modellprojekte möglich, so ein Sprecher. Etwa als Teil eines der 14 neugeschaffenen „Bundeskompetenzzentren“. Exit-Gründer Wagner sagt, auch dazu habe er aber bisher nichts gehört. „Das ist alles offensichtlich nur noch Verarsche.“
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