Parteitag der NRW-AfD: Radikale im „Schnellen Brüter“
Im internen Machtkampf verliert der von Höcke angeführte „Flügel“ in NRW nur formell. Inhaltlich geht es weiter nach rechts.
Lucassens Wahl vorausgegangen war ein Chaos-Parteitag im Juli in Warburg: Dabei hatte der damals amtierende AfD-Landesvorsitzende Helmut Seifen dem „Flügel“ vorgeworfen, den NRW-Parteiverband unterwandern und spalten zu wollen. Zuvor hatte der Ex-Gymnasialdirektor geklagt, Höckes Rhetorik gleiche der Hitlers und seines Propagandaministers Joseph Goebbels. In Warburg war Seifen dann zusammen mit acht weiteren AfDlern aus dem zwölfköpfigen Landesvorstand abgetreten.
Zurück blieben drei „Flügel“-Männer um Seifens Co-Landeschef Thomas Röckemann. In Kalkar wollte sich der Rechtsanwalt wiederwählen lassen – verlor aber mit rund 39 Prozent deutlich. In seiner Bewerbungsrede hatte er massiv auf migrationsfeindliche und islamophobe Sprüche gesetzt: „Der Rassismus ist zurückgekehrt nach Deutschland“, giftete der 54-Jährige. „Wir Deutschen sind diesmal die Opfer. Wir sind die Untermenschen, die Scheißdeutschen.“
Sein Gegner Lucassen betonte unmittelbar nach seiner Wahl trotzdem, er wolle den „Flügel“, dem in NRW rund 40 Prozent der AfDler anhängen sollen, keinesfalls ausgrenzen. Zuvor hatte auch Alice Weidel, Chefin der AfD-Bundestagsfraktion, den mit etwa 5.300 Mitgliedern größten Landesverband zur Einigkeit aufgerufen: Ohne Erfolg im bevölkerungsreichsten Bundesland werde die Partei auch im Bund nie durchsetzungsfähig – doch angesichts der Selbstzerlegung dümpelt die AfD in NRW um 7 Prozent.
Im Westen „mit feinen Flöten“
Die Flügel-Gegner betonten deshalb immer wieder, der Streit drehe sich nicht um Inhalte, sondern um eine Ansprache, die möglichst wenige Wähler*innen abstoße. Landeschef Lucassen erklärte, er wolle die AfD mit einem national-konservativen Kurs, „für das bürgerliche Lager“, anschlussfähig halten. Lucassens erster Stellvertreter Matthias Helferich war schon im Bundestagswahlkampf mit einer Kornblume am Revers aufgetreten – dem Symbol der Nazis während ihres Verbots in Österreich. Der zum 2. Stellvertreter gewählte Martin Schiller zitierte die Mahnung des AfD-Vordenkers Götz Kubitschek, die Partei könne im „Osten ins Horn stoßen“, müsse aber „den Westen mit feinen Flöten einstimmen“.
Denn NRW ist nicht der einzige Landesverband, in dem ein heftiger innerparteilicher Machtkampf tobt. In Baden-Württemberg bekriegen sich die beiden Landeschefs. Auch in Bayern geht es hoch her. Ende September erschienen nur zwölf von 20 Mitgliedern zur Neuwahl des Fraktionsvorstands. Im Landesparlament ist die AfD in Flügel-Unterstützer und -Gegner gespalten – und zwar ungefähr halbe-halbe.
Zerstritten sind auch kleine Landesverbände: Erst vor wenigen Wochen zerbrach die Bremer AfD-Fraktion. Und in Schleswig-Holstein wählte die Partei zunächst Doris Sayn-Wittgenstein als Landeschefin wieder, obwohl gegen die „Flügel“-Frau ein Parteiausschlussverfahren lief. Inzwischen ist sie aus der Partei geflogen, was im Norden aber keineswegs für Ruhe sorgt.
Durch die internen Machtkämpfe sind viele der AfD-Westverbände paralysiert. Dies führt – neben den hohen Wahlergebnissen – dazu, dass die im Durchschnitt radikaleren Ostverbände ihren Einfluss immer weiter ausbauen können. Sie sind nicht nur stramm auf Flügelkurs, sondern haben die parteiinterne Opposition auch weitgehend vergrault. Und sie können eines: mobilisieren. Trotz der personellen Niederlage in NRW wird Flügel-Chef Björn Höcke deshalb weiterhin mehr Einfluss für die ostdeutschen Landesverbände im Bundesvorstand einfordern.
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