Aussichten für 2024: Unternehmen pessimistisch
Die Mehrheit der Wirtschaftsbranchen blickt wenig zuversichtlich ins neue Jahr. 30 von 47 deutschen Verbänden sehen die Lage düster.
afp/rtr/taz | Hohe Zinsen, schwache Weltwirtschaft, Haushaltschaos: Die Mehrheit der Branchen der deutschen Wirtschaft blickt pessimistisch ins kommende Jahr. Wie eine Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unter 47 deutschen Wirtschaftsverbänden ergab, beschreiben 30 von ihnen die aktuelle Lage im Jahresvergleich als schlechter – und nur neun gehen davon aus, im nächsten Jahr mehr zu produzieren.
„Selten war die Lage so düster wie derzeit, und selten war die Prognose so pessimistisch“, lautet die Zusammenfassung der Autorinnen und Autoren der am Mittwoch vorgestellten Studie. Mit einer wesentlichen Verschlechterung rechnen laut der Untersuchung vor allem energieintensive Branchen, etwa Gießereien, die Keramische Industrie, die Lederindustrie sowie die Kunststoffverarbeitung. Auch die Immobilienwirtschaft, Baugewerbe und Bauindustrie sowie Banken und Sparkassen sind angesichts der hohen Zinsen pessimistisch.
„Die deutsche Wirtschaft leidet flächendeckend darunter, dass sie nicht planen kann“, erklärte IW-Direktor Michael Hüther. Das „Desaster um den Haushalt“ in der Regierungskoalition zeige, wie gravierend die Lage sei. Er warnte vor einer Deindustrialisierung und einer zunehmenden Abwanderung der Firmen aus Deutschland und forderte unter anderem eine Reform der Schuldenbremse.
Außerdem machte sich Hüther für einen Infrastruktur- und Transformationsfonds stark. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei die Ampel-Regierung mit dem Staatsschuldenrecht konfrontiert, sagte Hüther am Mittwoch im Deutschlandfunk.
IW fordert Infrastruktur- und Transformationsfonds
„Man bastelt drum herum. Man redet noch mal über die Notlagen. Das sind aber alles keine nachhaltigen Lösungen, mit denen der Eindruck entsteht, wir hätten das im Griff.“ Er sei nicht für eine Aufhebung der Schuldenbremse. „Aber wir können kluge Lösungen finden, indem man einen gesamtstaatlichen Infrastruktur- und Transformationsfonds auflegt.“
„Alle Investitionen, für die wir eine Planungs- und Verfahrensbeschleunigung machen könnten, die gehörten beispielsweise in einen solchen Fonds, Subventionen nicht“, sagte Hüther weiter. Das einseitige Beachten der Schulden und nicht des Bruttoinlandsprodukts (BIP) führe dazu, dass die Regierung selbst verschärfend in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hineinwirke. „Und das macht die Sache nun wirklich nicht besser.“
Hüther hatte bereits zuvor ein Sondervermögen ähnlich dem der Bundeswehr ins Gespräch gebracht sowie die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung kritisiert. Sein Institut rechnet für 2024 auch wegen der Haushaltskrise mit einem weiteren Rezessionsjahr. Das BIP werde wie schon im zu Ende gehenden Jahr voraussichtlich um 0,5 Prozent schrumpfen, teilte das IW Köln vor zwei Wochen mit.
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