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Außenministerin Baerbock in der UkraineZeichen der Solidarität

Die Außenministerin ist überraschend nach Charkiw gereist und sagt Unterstützung durch Deutschland zu. Weiteres Kriegsgerät schließt sie nicht aus.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihr ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba in Charkiw Foto: Xander Heinl/imago

Charkiw taz | Überraschend war Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag nach Charkiw gereist. Aus Sicherheitsgründen gab es keine Ankündigung zu ihrem Besuch in der Ukraine. Baerbock war von Deutschland aus mit der Bahn angereist. Begleitet wurde sie vom ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba.

Baerbock besichtigte bei ihrem Besuch eines der größten Energieumspannwerke von Charkiw, das fast die gesamte Stadt versorgt. Mehrmals hatten die Russen versucht das Werk zu zerstören. Die Einwohner von Charkiw hatten mehrere Tage keinen Strom. Anschließend besuchte Baerbock ein Kinderkrankenhaus und eine Schule in Charkiw sowie den Stadtteil Servernaja Saltowka. Dieses Viertel hatte mit am stärksten unter den russischen Luft- und Artillerieangriffen gelitten.

Bei einer Begegnung mit der Presse am Charkiwer Bahnhof vor ihrer Rückreise nach Kyjiw sagte Baerbock, sie sei gekommen, um sich selbst davon zu überzeugen, welche Art von deutscher Militärhilfe die Ukraine jetzt brauche. Auf die Frage, ob die Lieferung von Panzern vom Typ Leopard 2 bereits beschlossen sei, antwortete sie ausweichend.

Partnerschaft fortsetzen

„Charkiw ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine, hier gingen zu Beginn des Krieges die ersten Raketen nieder“, sagte Baerbock. Gerade diese Region zeige, dass nicht nur die Verteidigung der Stadt und der Region wichtig sei, sondern auch die Befreiung der Zivilbevölkerung von den Schrecken der russischen Besatzung.

Und sie betonte die Bemühungen der vergangenen Monate. Die Lieferungen von Waffen für die Luftverteidigung, darunter das Abwehrsystem Iris-T. Auch den Flugabwehrkanonenpanzer Gepard erwähnte die Bundesaußenministerin. Und es ging um die Lieferung des Schützenpanzers Marder. „Wir werden diese Partnerschaft und die Lieferungen fortsetzen. Ich bin heute hier, um mit eigenen Augen zu sehen, wie wichtig diese Hilfe für die Ukraine ist. Sie muss fortgesetzt werden“, sagte Baerbock.

Gleichzeitig versicherte die Grünen-Politikerin, dass Deutschland die Ukraine bis zum Ende des Krieges militärisch unterstützen werde. „Ein Raketenangriff ist jederzeit möglich. Die Kinder wünschen sich Frieden, damit sie wieder in die Schule gehen und Sport machen können. Alles Dinge, die für uns in Europa normal sind.“ Der Krieg werde erst enden, wenn die russischen Truppen die Ukraine verließen und wenn es keine Raketenangriffe mehr gebe. „Dann wird Europa in Frieden leben können.“

Außenminister Dmytro Kuleba versichterte sie, dass Deutschland solange an der Seite der Ukraine bleiben werde, bis Kinder in Charkiw, Mariupol und Kyjiw ein friedliches Leben führen könnten. Baerbock merkte an, dass Charkiw 40 Kilometer von Russland entfernt liege, so dass der Krieg und die Bedrohung hier ständig zu spüren seien, auch wenn es keine Angriffe gebe.

Unterstützung für den Friedensplan zugesagt

Baerbock erklärte zudem, dass Deutschland alle 10 Punkte des vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski vorgestellten Friedensplans voll unterstützt. „Alles, was die Ukraine will, ist Frieden. Deshalb unterstützen wir den Friedensplan des ukrainischen Präsidenten.“

Kuleba dankte seinerseits der deutschen Regierung für die bereits geleistete militärische Unterstützung der Ukraine. Er betonte auch, dass die deutschen Leopard-Panzer für die Ukraine sehr notwendig seien, um die Menschen vor Russlands Kriegsverbrechen zu schützen. Und forderte eindringlich: „Diese Panzer sind notwendig, um die ukrainischen Städte und Dörfer zu befreien, die noch unter russischer Besetzung stehen. Um unsere Energieinfrastruktur zu retten, um Ukrainer vor Verbrechen zu bewahren: Deshalb brauchen wir deutsche Panzer.“ Aber Kuleba warnte auch vor zu langem Zögern: Je länger diese Entscheidung auf sich warten lasse, desto mehr Menschen würden sterben werden.

Aus dem Russischen Gemma Terés Arilla und Barbara Oertel

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6 Kommentare

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  • Zeichen der Solidarität .. Hätte es auch bedurft: In Lützerath. Frau Baerbock, Herr Habeck.

  • Persönlichen Mut hat sie, die Frau Baerbock. Die 10 Punkte sind defacto die russische Kapitulation. Von daher ist das als Friedensplan ein Witz.



    Tatsächlich ist es so, dass wohl immer mehr Waffen fließen werden. Die Ukraine würde ohne Waffenlieferungen aus dem Westen zusammenbrechen.



    Die Idee, dass die Russen einfach so die Raketenangriffe einstellen und die Ukraine verlassen ist - vorsichtig gesagt - sehr unrealistisch.



    Von daher sind wir in der Sackgasse eines ewigen "Fleischwolfs", der Menschen verschlingt. Bis eine Seite zusammen bricht, weil ihr die Soldaten ausgehen oder diese revoltieren.



    Keine schönen Aussichten.



    Von einer deutschen Außenministerin, gerade angesichts unserer Geschichte, hätte ich einen besseren Plan erwartet.

    • @Kartöfellchen:

      Wie sähe den ihr Plan für einen guten und nachhaltigen Frieden aus?

      • @Machiavelli:

        Nun, da sind zwei Punkte:



        1. Ich bin nicht Außenministerin, Frau Baerbock schon, von daher ist es ihr Job, das zu wissen.



        2. Ich sehe den Frieden nicht mehr. 2021 wäre es noch möglich gewesen, Föderalismus gegen Integrität und Neutralität gegen Sicherheit zu tauschen. Ich weiß, manche Leute halten die NATO-Frage für einen Vorwand, aber ich habe so viele Warnungen gefunden (sowohl von Russland ab JELZIN! als auch von Amerikanern von George F. Kennan bis Bill Burns, dass ich das ernst nehme. Zum Beispiel die Formel: Die Ukraine darf erst dann Mitglied der NATO werden, wenn auch Russland Mitglied wird. Bis dahin stoppt man auch die Manöver, die Aufrüstung der Ukraine (begonnen von Trump 2017).



        Aber auch klar machen: Wenn ihr dennoch angreift, dann erhält die Ukraine alles, was sie an Waffen braucht.



        Wir hatten in Istanbul eine Friedensformel: Neutralität gegen Frieden.



        Nunmehr glaube ich nicht mehr an Frieden. Beide Seiten haben Maximalforderungen ohne etwas zu bieten. Russland sagt: "Gebt uns vier eurer wertvollsten, besten Gebiete, dann ist Frieden". Die Ukraine sagt: "Gebt alles zurück, auch die Krim, dann ist Frieden".



        Von daher fürchte ich, Prof. Mearsheimer wird Recht behalten (Zitat vom März 22), was die Russen versuchen werden:



        "The Russians will crush Ukraine. They will put out the big guns. They will turn cities like Charkiw and Kiew into rubble. We will see Grosnzys, we will see Aleppos, we will see Mosuls".

        Surovikin hat nebenbei die Spitznamen "General Armageddon" (Russland) bzw. "Schlächter von Syrien" (im Westen).



        Ich habe keinerlei Hoffnung mehr auf einen guten Ausgang.



        Gewinnt die Ukraine wird der Preis in Menschenleben, Gesundheit und Traumata so furchtbar sein, dass es ein "Aschesieg" ist.



        Gleiches gilt für Russland. Sie werden einen Friedhof erobern.

        • @Kartöfellchen:

          Wenn sie selber sagen sie sehen keine Lösung für Frieden dann warum die Kritik? Ich sehe keine Lösung für Krebs, ich kritisiere aber auch den Gesundheitsminister nicht dafür.

          Neutralität für Frieden das Angebot gab es Putin hat es abgelehnt. www.euractiv.com/s...commended-by-aide/

          " Zum Beispiel die Formel: Die Ukraine darf erst dann Mitglied der NATO werden, wenn auch Russland Mitglied wird. Bis dahin stoppt man auch die Manöver, die Aufrüstung der Ukraine (begonnen von Trump 2017)." Wenn Russland etwas im Gegenzug anbietet hätte man darüber verhandeln können. Keine Manöver Russlands mehr, Rückzug aus der Ukraine.

          Dann stimmen wir also darin überein das dieser Krieg bis zum bitteren Ende ausgekämpft werden muss.

          Mearsheimer liegt übrigens falsch die Rebellen in Syrien hatten weder Luftwaffe, Flugabwehr noch wirklich Artillerie. Um solche Schäden wie in Aleppo anrichten zu müssen müssten die russischen Flugzeuge über die Städte fliegen, das überlebt die russische Luftwaffe vielleicht 2 Wochen dann haben sie keine Piloten mehr. Mit Raketen ist das nicht zu bewerkstelligen.

          "Surovikin hat nebenbei die Spitznamen "General Armageddon" (Russland) bzw. "Schlächter von Syrien" (im Westen). " Jup heute ist er degradiert worden. Ist auch was anderes Zivilisten abzuschlachten als gegen die beste Armee Europas zu kämpfen.

          " Gewinnt die Ukraine wird der Preis in Menschenleben, Gesundheit und Traumata so furchtbar sein, dass es ein "Aschesieg" ist. " Deswegen soviele Waffen wie möglich um die Verluste der Ukrainer niedrig zu halten.

          " Gleiches gilt für Russland. Sie werden einen Friedhof erobern." Die Ukrainer würden nie aufhören zu kämpfen, Russland müsste das Volk auslöschen.

        • @Kartöfellchen:

          Russland sagt: "Gebt uns vier eurer wertvollsten, besten Gebiete, dann ist Frieden". Die Ukraine sagt: "Gebt alles zurück, auch die Krim, dann ist Frieden"

          Noch Fragen?