Ausschuss zum Mordfall Walter Lübcke: Schwarz-Grün verlässt sich auf die AfD
Im Untersuchungsausschuss stimmten CDU und Grüne mit der AfD gegen die Opposition. Eine Zeugin soll in einer geheimen Sitzung aussagen.
Nach dem HNA-Bericht haben in der vergangenen Woche CDU und Grüne zusammen mit der AfD, gegen die Stimmen von SPD, FDP und Linken, beschlossen, dass eine Mitarbeiterin des Hessischen Verfassungsschutzes als Zeugin nicht in öffentlicher, sondern in geheimer Sitzung vernommen wird. Ein brisanter Beschluss, denn aus einer geheimen Vernehmung darf weder berichtet noch zitiert werden. Die Zeugin soll zu der zentralen Frage aussagen, was der Verfassungsschutz über rechte und gewaltbereite Netzwerke in Nordhessen vor dem Mord an Walter Lübcke wusste.
Auf die AfD war in dieser Frage Verlass
Das Gesetz, das die Ausschussarbeit regelt, sieht nicht ohne Grund hohe Hürden für den Ausschluss der Öffentlichkeit vor. Dafür ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. CDU und Grüne verfügen nur über eine knappe Mehrheit und waren deshalb bei der Abstimmung im Ausschuss auf die Stimmen der AfD angewiesen. Sie wussten, auf die AfD war in dieser Frage Verlass, denn den Rechtspopulisten passt die ganze Richtung der Untersuchung nicht. Stephan Ernst, der inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilte Lübcke-Mörder, war zeitweise für die AfD aktiv und hatte in Kassel für die Partei Plakate geklebt.
„Für die Grünen ist das ein einzigartiger Vorgang“, erklärte ihr Kritiker Lacher von „Nachgefragt Kassel“, der Lübcke persönlich kannte: „Es widerspricht allen ihren Grundsätzen im Allgemeinen und ihrem Wahlprogramm für Hessen im Besonderen“, so Lacher, der bislang jede öffentliche Sitzung des Ausschusses verfolgt hat.
Bestätigung der Grünen und der CDU
Da der umstrittene Beschluss in einer nicht öffentlichen, geheimen Sitzung gefallen ist, darf niemand von den Beteiligten den Vorgang bestätigen oder gar kommentieren. Der Ausschussvorsitzende, der CDU-Abgeordnete Christian Heinz, bestätigt der taz aber: „Der Untersuchungsausschuss hat auf Antrag eines Zeugen/einer Zeugin nach intensiver Beratung mit der erforderlichen qualifizierten Mehrheit beschlossen, diese Person am 15. Dezember nicht-öffentlich zu befragen. Dem Ausschuss stand kein politisches Ermessen zu, sondern er war aus (verfassungs-)rechtlichen Gründen verpflichtet, dem Gesuch zu entsprechen.“ Gleichzeitig versichert er: „In politischen Fragen arbeitet die CDU nicht mit AfD und nicht mit der Linkspartei zusammen.“ Ähnlich klang auch die Stellungnahme der innenpolitischen Sprecherin der Grünen, Eva Goldbach: „Es bleibt für uns Grüne dabei, dass wir keine Mehrheiten bilden, wenn diese von den Stimmen der AfD abhängig sind.“
Zu dem umstrittenen Vorgang selbst sagte sie der taz: „Bisher herrschte zwischen allen Fraktionen Einigkeit, dass bei Vorliegen einer Gefährdung die Person nicht öffentlich befragt wird. Wenn die Opposition diesen Grundkonsens verlässt und einem solchen Antrag nicht zustimmt, kann es dazu kommen, dass der Beschluss nicht wie sonst üblich einstimmig erfolgt. Dann kann die Situation eintreten, dass aufgrund des Verhaltens der Opposition die erforderliche 2/3-Mehrheit mit den Stimmen der AfD zusammen kommt. Eine solche Situation ist nicht akzeptabel und sollte verhindert werden“, so Eva Goldbach. Sie setze jetzt auf „Gespräche mit allen Fraktionen außer der AfD“. Indirekt bestätigen CDU und Grüne mit ihren Stellungnahmen indes die Beschlussfassung des Ausschusses, bei der die Regierungskoalition auf die Stimmen der AfD angewiesen waren.
Michael Lacher von „Nachgefragt Kassel“ überzeugt weder die Argumentation der CDU noch die der Grünen. „Der Vertreter der FDP, Stefan Müller, ist Jurist und hat hier offenbar eine abweichende Bewertung vorgenommen“, so Lacher: „Politisch ist die Zeuginnenbefragung durch die Koalitionäre offenbar höher bewertet worden als das Zusammengehen mit der AfD. Man hätte sie auch fallen lassen können, um einer Kooperation mit der AfD aus dem Weg zu gehen,“ so Lacher gegenüber der taz.
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