Untersuchungsausschuss zu Lübcke-Mord: Noch mehr Ungereimtheiten
2015 sperrte Hessens Verfassungsschutz die Akte von Stephan Ernst. Interner Widerstand dagegen wurde offenbar übergangen.
Sie habe diese Bedenken in einem Vermerk festgehalten und eine Prüfung verlangt, so die Zeugin weiter. Immerhin hatte im Jahr 2009 der damalige Präsident des Landesamts den rechtsextremistischen Gewalttäter als „brandgefährlich“ bezeichnet. Diese Einschätzung sei ihr damals bekannt gewesen, versichert die Zeugin. „Das war kein Standardfall“, sagt sie.
Am Ende wurde die Akte von Stephan Ernst trotzdem gesperrt, trotz seiner Verurteilungen wegen einer Messerattacke auf einen Imam und einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft. Von diesem Zeitpunkt an waren die Daten von Ernst für die Sicherheitsbehörden nicht mehr zugänglich, bis zur Ermordung von Lübcke. Dem Kollegen, der sich damals über die Sperrung der Akte geärgert hatte, habe sie nach diesem Mord gesagt: „Du hattest den richtigen Riecher“, so die Zeugin am Mittwoch im hessischen Landtag.
Ein weiteres Versäumnis des Verfassungsschutzes
Dass die Sperrung der Akte Ernst ein Fehler war, hat der Leiter der Rechtsabteilung des hessischen Innenministerium, Wilhelm Kanther, als Zeuge vor dem Ausschuss bereits eingeräumt. Angesichts der Vorstrafen und der offenkundigen Gewaltbereitschaft des Rechtsextremisten hätte er auf dem Schirm der Sicherheitsbehörden bleiben müssen. Nach der Aussage der Zeugin hat es wohl vor der Entscheidung intern Bedenken im Landesamt gegeben, die offenbar übergangen wurden.
Doch wieso ist der Vermerk unauffindbar, den die Sachbearbeiterin verfasst haben will, fragen die Abgeordneten von SPD und Linken. Sie vermuten einen weiteren Skandal in der langen Liste der Versäumnisse des hessischen Verfassungsschutzes.
Sie werden wohl in einer zweiten Runde alle LfV-MitarbeiterInnen erneut als ZeugInnen vorladen, die mit dem Vorgang befasst waren.
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