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Ausschreitungen in AmsterdamGewaltexzesse nach dem Abpfiff

Nach einem Fußballspiel zwischen Ajax Amsterdam und Maccabi Tel Aviv werden israelische Fans angegriffen. Mindestens fünf Menschen werden verletzt.

Unklare Lage: Fußballfans von Maccabi Tel Aviv vor dem Spiel in Amsterdam am 7. November Foto: Mouneb Taim/Anadolu Agency/picture alliance

Amsterdam taz | Mindestens fünf Verletzte, die im Krankenhaus behandelt wurden, 62 Festnahmen, unbestätigte Berichte über Geiselnahmen: das Ausmaß der Gewaltexzesse gegen Fans des israelischen Fußballclubs Maccabi Tel Aviv ist auch am Tag danach immer noch nicht völlig deutlich.

Der Sicherheitsstab aus Bürgermeisterin, Polizeichef und Staatsanwaltschaft spricht von einer „sehr unruhigen Nacht“, in der „an mehreren Orten in der Stadt Anhänger belästigt und mit Feuerwerkskörpern beworfen wurden“. Mehrmals habe die Polizei eingreifen müssen „um israelische Fans zu beschützen und zu ihren Hotels zu begleiten“.

Die Lage eskalierte nach dem Europa League-Spiel des Maccabi- Teams gegen Ajax Amsterdam. Bürgermeisterin Femke Halsema meldete auf Instagram, die Angreifer seien „aktiv auf die Suche nach israelischen Fans gegangen um sie anzugreifen und zu misshandeln“.

Dick Schoof, der niederländische Premierminister, sprach von „Hit-and-run-Vorfällen“. Social-Media-Videos zeigen Jagdszenen im Zentrum der Stadt, bei denen Menschen verfolgt und angegriffen werden. Ein Verletzter, wehrlos auf dem Asphalt liegend, wird mehrfach getreten, bevor die Täter flüchten.

Eine Maccabi-Anhängerin berichtete gegenüber dem TV-Sender NOS am Flughafen Schiphol: „Sie sprangen auf alle, die in Gelb (der Farbe des Teams, Anm. d. Red.) herumliefen. Menschen wurden gestochen und geschlagen. Wir verschanzten uns in Hotels, bis es sicher war, um nach draußen zu gehen.“ Ein anderer Fan sagte dem Lokalsender AT5, er sei erst auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel angegriffen worden. Er habe sich hinein retten können, später jedoch habe „eine Gruppe“ die Lobby gestürmt, sodass die Maccabi-Fans sich in ihre Zimmer geflüchtet hätten.

Drei Vermisste

Das israelische Außenministerium geht von zehn Verletzten Israelis aus, drei sollen zudem vermisst sein. Israelische Konsulatsmitarbeiter sind auf der Suche nach ihnen, unter anderem in Krankenhäusern, so die Amsterdamer Tageszeitung Het Parool. Berichte über Geiselnahmen oder entsprechende Versuchen, die in der Nacht kursierten, konnte die Polizei nicht bestätigen. Am Freitagmorgen hieß es, eine Reihe vermisster Personen sei inzwischen gefunden worden.

Während zahlreiche Details noch unklar sind, ist offensichtlich, dass die Angriffe nicht unvorbereitet kamen. Seit mindestens einer Woche waren in der Stadt Plakate geklebt worden, die zu Protesten gegen das Match mit Beteiligung eines israelischen Clubs aufriefen. Vor dem Spiel hatte die Polizei bei einer pro-palästinensischen Demonstration in der Nähe des Stadions eingegriffen, um die Menge nicht zur Johan-Cruijff-Arena kommen zu lassen.

Die noch in Amsterdam verbliebenen Maccabi-An­hän­ge­r*in­nen sollten im Lauf des Freitags mit El-Al-Sonderflugzeugen zurück nach Israel geflogen werden. Unterdessen sprach der israelische Präsident Isaac Herzog von einem „antisemitischen Pogrom“ in Amsterdam. „Dies ist ein schwerwiegender Vorfall, ein Warnsignal für jedes Land, das die Freiheit schätzt“, so Herzog auf X.

Während Po­li­ti­ke­r*in­nen wie Dick Schoof, der niederländische Premier, oder EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Geschehnisse verurteilten und ihr Entsetzen ausdrückten, brach der israelische Außenminister Gideon Sa´ar am Freitag nach Amsterdam auf, um sich mit seinem Amtskollegen Caspar Veldkamp zu besprechen.

Chanan Hertzberger, Vorsitzender des niederländischen Zentralen jüdischen Beratungsorgans (CJO) sagte, die Gewaltszenen hätten „Nazi-Deutschland nicht schlecht zu Gesicht gestanden“. Amsterdam und die Niederlande müssten sich „zutiefst schämen, vor allem am Vorabend der Pogromnacht-Gedenkfeier“.

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14 Kommentare

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  • Die niederländische Polizei hat nicht bestätigt, dass es "Vermisste" unterden Fußballfans gäbe. Eine finnische Zeitung ("Helsinki Times") berichtet unter Berufung auf israelsiche Medien, dass sich unter den "Fans" vermutlich IDF-Soldaten befanden, die "für Randale" sorgen sollten. Maccabi hat schon sehr lange ein Problem mit einem gewaltbereiten, rassistischen und rechtsextremen Teil seiner Fanszene. Die gibt es in Israel genauso, wie in vielen europäischen Ländern. Die Hooligans aus Haifa sollen schon in den zwei Nächten vor dem Spiel in der Amsterdamer Innenstadt randaliert haben, ohne dass die Polizei einschritt, um Migranten zu beschützen und ohne dass eine Zeitung es für notwendig erachtet hätte, darüber zu berichten. Zum Spiel waren etwa 800 Gästefans im Stadion, rund 90% davon dürften friedlich gewesen sein. Aber man stelle sich mal vor, was bei uns los gewesen wäre, würde eine russische Mannschaft hier ein Spiel bestreiten und Horden junger Russen mit "Fuck Ukraine" und Parolen, wie "Es gibt keine Schulen mehr in der Ukraine, aber es gibt ja auch keine ukrainischen Kinder mehr" durch die Strassen ziehen.

    Höchste Zeit, das einseitige "Pogrom"-Narrativ zu hinterfragen.

    • @scharfer Unterton:

      "Die Hooligans aus Haifa sollen schon in den zwei Nächten vor dem Spiel in der Amsterdamer Innenstadt randaliert haben"

      Nur, dass gar keine Fangruppen aus Haifa in Amsterdam waren. Da hat nämlich Maccabi Tel Aviv gespielt. Aber genau so läuft die Debatte aktuell. Wenig Hintergrund, viel Meinung.

    • @scharfer Unterton:

      "Höchste Zeit, das einseitige "Pogrom"-Narrativ zu hinterfragen."

      MMn höchste Zeit, beide einseitigen Narrative zu hinterfragen.

      Fakt ist, dass die Maccabi-Hools, planvoll und mindestens unter Begleitung israelischer Sicherheitsorgane, wüst randaliert und Menschen angegriffen haben, und zwar eben nicht, wie "üblich", gegnerische Fans/Hools (die Ajax- und Maccabi-Fans sind befreundet) sondern arabisch/palästinensisch gelesene Menschen, gezielt in deren Milieus. Das rechtfertigt in keiner Weise Angriffe gegen israelische Fans, erklärt aber zT. das Ausmaß und die Verbreitung der Krawalle.

      Ebenso Fakt ist, dass es bereits vor der Anreise konkrete Pläne nordafrikanischer Jugendgangs gab, Maccabi-Fans zu überfallen, dass also längst nicht alle Gewaltakte als spontane Reaktion auf die Hools erfolgten, wie oft ebenso einseitig dargestellt wird.

      Jeder, der meint, sich auf eines dieser Narrative festlegen zu müssen - und zu können -, tut dies offensichtlich aufgrund seiner einseitigen Agenda, und nicht auf der Basis von Tatsachen. Ich möchte mich weder für die Propaganda Netanjahu-Israels noch die der Hamasunterstützer entscheiden müssen.

      • @Systemknecht:

        Genau so sieht's aus. Bei Allem rund um dieses Thema sehen Viele prinzipiell nur noch, was sie sehen wollen. Da können noch so viele Fakten auf dem Tisch liegen. Im eigenen Lager wird relativiert, beim Gegner der dickste Maßstab angelegt. Hier wurde die Bühne Fußball von politisch und rassistisch motivierter Gewalt mißbraucht. Und nichts rechtfertigt weder die der einen noch die anderen Seite.

    • @scharfer Unterton:

      Du bist ein Fußball Nerd, bitte teile die israelischen Fußballclubs doch danach ein wie ihre Fans, der Club und ihre Ultras/Hools drauf sind (links-rechts usw.) es reichen jene die auch außerhalb Israels in Europa spielen.

    • @scharfer Unterton:

      Die Unruhestifter seien «aktiv auf die Suche gegangen nach israelischen Fans, um sie anzugreifen und zu misshandeln».



      ...



      «An mehreren Stellen in der Stadt wurden Fans belagert, misshandelt und mit Feuerwerkskörpern beworfen»

      Das Schreiben Polizei und Bürgermeister von Amsterdam.

      www.nzz.ch/interna...sterdam-ld.1856578

      Und Ihre "Helsinki Times" bezieht sich auf Quellen von Al Jazeera. Sehr unabhängige Quelle! Haben Sie auch vergessen zu erwähnen.

      Und Ihre Russen-Hooligan-Theorie ist absurd. Ich bezweifle stark, dass dann ein Mob wütender Ukrainer auf die Russen losgehen würde. Aber Sie können es ja einfach behaupten, wie alles andere in Ihrem Kommentar auch.

      Was Menschen wie Sie davon haben Gewalt gegen Juden zu relativieren? Keine Ahnung.

      Fakt ist. Selbst wenn die Fans das getan hätten was Sie behaupten (Was nicht stimmt) wäre dies keine Rechtfertigung Menschen gezielt zu jagen und zu misshandeln. Und das waren eben keine Juden die dies getan haben! Schauen Sie sich die Videos an!

    • @scharfer Unterton:

      Es wäre sinnvoll für die Einschätzung der Vorfälle, Sie könnten Ihre Anschuldigungen gegen Maccabi Tel Aviv auch mit Quellen belegen. So aber sieht’s ganz nach klassischer Täter-Opfer-Umkehr aus.



      Und mal ganz abgesehen davon: eine Entschuldigung für die pro-palästinensischen Gewaltexzesse wäre das auch nicht.



      Aus meiner Sicht haben hier mindestens zwei Parteien mächtig Öl ins Feuer gegossen, schon im Vorfeld, aber auch jetzt im Nachklang. Die gefährlichsten Brandstifter in diesem Spiel sind jedoch nicht israelische Provokateure oder radikale palästinensische Israelhasser, sondern die niederländischen Faschisten um Geert Wilders, die v.a. ein vitales Interesse an solchen Ausschreitungen haben.



      Wir sollten derartige Interessen nicht noch durch einseitige Parteinahme in die eine oder andere Richtung bedienen.

  • Und das alles kommt aus dem nichts ?



    Neuer Un-Bericht: Nov. 23 bis April 24, ein Zeitraum von einem halben Jahr - 10000 verifizierte Tote, 80% starben in zivilen Gebäuden, 70% sind Frauen und Minderjährige.



    Das sind Tote, die Netanjahu zu verantworten hat.



    Ich verurteile jegliche Gewalt, auch die Ausschreitungen von gestern.



    Überraschen tut mich das aber nicht.

    • @Krumbeere:

      Wow. Ich glaube Ihren Kommentar findet man als Beispiel im Duden wenn man nach "Whataboutism" sucht.

      Da hilft ihr "ich verurteile jegliche Gewalt" Satz am Ende auch nicht.

      Wenn Sie Gewalt verurteilen, hören Sie auf diese relativieren zu wollen

    • @Krumbeere:

      Nein, überrascht hat mich das auch nicht und eine solche Eskalation passiert auch nicht im luftleeren Raum. Wenn Sie dafür den Gazakrieg anführen (bzw. die Methoden, mit denen Israel diesen Krieg führt sowie die vermutlich dahinterstehenden Ziele), liegen Sie damit natürlich nicht falsch. Es so zu sehen, bedeutet übrigens auch keine Täter-Opfer-Umkehr und es hat auch nichts mit (möglicherweise unterstellten) antisemitischen Motiven zu tun.



      ABER: es gibt schlicht keine entschuldbare Rechtfertigung für diese anti-israelischen Ausschreitungen und die Gewalt gegen israelische Bürger, mögen auch einzelne Provokateure unter ihnen gewesen sein ( was erst mal nachzuweisen ist).



      Auch bei nachvollziehbarer Wut der Angreifer bleiben es Straftaten, die die niederländische Justiz mit aller Härte zu verfolgen hat, denn sie zielen gegen den inneren Frieden und die liberalen demokratischen Wette der niederländischen Gesellschaft.

    • @Krumbeere:

      So wie sie ihren Kommentar geschrieben haben, läuft er primär auf ein Beispiel hinaus, wie man Gewalt relativiert/rechtfertigt, und Täter von ihrer Verantwortung freispricht, da wirkt ihre Verurteilung von Gewalt auf mich auch primär vorgeschoben, damit sie primär „Agitieren“ können.



      Somit haben sie auch ihren Anteil daran, wenn sich Gewalt gegen Israelis und Jüdische Personen, oder als solche wahrgenommenen Personen normalisiert, und die dementsprechende Akzeptanz solcher Gewalt steigt.



      Erinnert vom Muster auch an das Runterspielen/Verharmlosen rechter Gewalt in den Neunzigern.

      • @serious?:

        Es ist richtig, jede/r Einzelne bleibt verantwortlich für sein Handeln und wenn es sich dabei um Straftaten handelt, hat er/sie auch die Konsequenzen daraus zu tragen.



        Das gilt ja erst mal GRUNDSÄTZLICH, ob man diese anti-israelischen Ausschreitungen nun als Pogrom oder nicht bezeichnen möchte, ob man muslimischen Judenhass dahinter vermutet oder 40.000 tote Palästinenser in Gaza, die aufs Konto der IDF gehen, zur Rechtfertigung dieser Ausschreitungen heranzieht. Oder darauf verweist, dass Maccabi-Fans nun auch nicht gerade die Heilsarmee sind.



        Für die strafrechtliche Verfolgung von Gewaltdelikten in einem Rechtsstaat sollte all das keine Rolle spielen.

      • @serious?:

        Falsch interpretiert.....



        Israel wurde angegriffen, Israel hat sich zu recht gewehrt.



        Was aber jetzt passiert, hat mit Jagd auf Hamas und Hisbollah nicht mehr viel zu tun. Auch in Israel gibt es massive Proteste gegen Netanjahu und co.



        Ausbaden müssen das unsere jüdischen Bürger oder wie hier, Fans der Israelischen Mannschaft, die als Projektionsfläche für den von der Israelischen Regierung zu verantwortenden zynisch betitelten "Kollateralschaden" herhalten müssen. Mit ihrem ungehemmten vorgehen züchtet Israel die nächste Generation von Terroristen heran.

  • "... drei sollen zudem vermisst sein."

    Ich hoffe und wünsche, dass sie nicht als Geiseln genommen wurden, und auch, dass es sich dabei nicht um Mädchen/Frauen handelt. Ich weiß, dass ich mich dafür bei männlich gelesenen Personen entschuldigen muss und tue das hiermit. Die Bilder des 07.10.23 und das, was man den weiblichen Opfern und Geiseln angetan hat sind für mich gegenwärtig; ebenso scheint mir, dass die Täter des 07.10.23 und deren Unterstützer auch für pro-palästinensische Bürger:innen in Europa Vorbilder sein könnten.