Aussagefähigkeit von Klimamodellen: Es ist heiß in Mordor
Wissenschaftliche Modelle prognostizieren das Klima. Auch das von Mittelerde wurde schon modelliert. Alles hilfreich, aber leider selten eindeutig.
„Im Grunde sind alle Modelle falsch, aber einige sind nützlich“, sagte der britische Statistiker George Box erstmals im Jahr 1978. Seitdem wiederholte Box seine These immer wieder. Gemeint ist, dass kein Modell der Realität entspricht, aber einige helfen können, sie verständlicher zu machen.
Der Aphorismus gilt auch heute noch. Das Modell der Kippelemente im Erdklimasystem etwa ist mittlerweile auch bei Nichtwissenschaftler:innen bekannt. Nach diesem Modell hat das globale Klimasystem unterschiedliche, überregionale Bestandteile, die kippen können, zum Beispiel das Grönlandeis.
Wenn eine kritische Schwelle erreicht wird, führt das zu unumkehrbaren Veränderungen im Klimasystem. Klimaaktivist:innen der Letzten Generation berufen sich auf die Kippelemente, wenn sie vor einem unkontrollierbaren Klimawandel warnen. Das Modell der Kippelemente kann also nützlich sein. Aber ist es – wie Box sagen würde – auch falsch?
Klimamodelle beruhen auf dem aktuellen Kenntnisstand der Physik, Chemie und Biologie. Diese Kenntnisse werden in Form von mathematischen Gleichungen geschrieben und in eine Form umgewandelt, die von einem Computer gelöst werden kann. Da die Modelle selbst aber keine physikalische Realität, sondern eine menschliche Einordnung davon sind, ist in der Theorie alles modellierbar.
Klima Mittelerdes etwa wie das von Westtexas
Um das zu verdeutlichen, simulierten Forscher:innen bereits das Klima Mittelerdes, also der Welt aus den Herr-der-Ringe-Romanen. Sofern einige Vermutungen stimmen, wie etwa, das Mittelerde Teil eines kugelförmigen Planeten ist, wäre der größte Teil von Frodos Heimat von dichtem Wald bewachsen. Zumindest dort, wo Drachen, Orks und Zauberer die Landschaft nicht verändert haben. Mordor wiederum wäre eine unwirtliche Gegend. Das Klima entspräche etwa dem in Westtexas: heiße, schwüle Sommer und kalte, windige Winter.
Klimamodelle sind im Regelfall nicht nur Computersimulationen wie auf Mittelerde, sondern werden von detaillierten Beobachtungen gestützt. Allerdings zeigen verschiedene Modelle unterschiedliche Ergebnisse an. Der Klimaforscher Thomas Stocker erklärte in der Zeit, dass es beim Kippelement Grönlandeis sowohl Modelle gäbe, die ein Kippen anzeigen, wie auch welche, die die Lage als stabil bewerten.
Falsch sind diese Klimamodelle deshalb trotzdem nicht. Vielmehr zeigt sich, wie sinnvoll es ist, mehrgleisig zu fahren. Denn die Richtung des Klimawandels bleibt bei den Grönlandeis-Modellen gleich. Nur die Haltestelle verändert sich. Für Stocker Anlass, eine Verbesserung der Modelle zu fordern.
Klimamodelle helfen also dabei, sich auf Veränderungen in der Zukunft einzustellen. Sie beeinflussen politische Entscheidungen. Sogar Menschenleben können davon abhängen, ob etwa ein Frühwarnsystem robust konzipiert wurde. Wenn Modelle falsch prognostizieren, wird die Autorität der Wissenschaft in Frage gestellt. Gerade deshalb ist eine ehrliche Kommunikation auch über die Grenzen wissenschaftlicher Modelle so entscheidend.
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