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Ausgaben für Flüchtlinge sollen sinkenLänder drohen Scholz mit Aufstand

Finanzminister Scholz will die Ausgaben für Flüchtlinge senken. Länder und Kommunen protestieren und sehen die Integration gefährdet.

Olaf Scholz bereitet sich auf schlechte Zeiten und die Länder aufs Sparen vor Foto: dpa

Berlin taz | In den Ländern braut sich heftiger Widerstand zusammen gegen die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, geplante Schrumpfung der Ausgaben für Geflüchtete. „Mit dem aktuellen Vorschlag des Bundes würde der Bund seine Ausgaben auf weniger als ein Drittel verringern“, heißt es in einer Stellungnahme aus dem SPD-regierten Hamburg gegenüber der taz. So erhielten die Kommunen derzeit unter anderem 1,8 Milliarden Euro pro Jahr als Zuschüsse für die Kosten der Unterbringung. „Fallen diese Mittel weg, bestellt sich die Bundesregierung einen Aufstand der Bürgermeister und Landräte“, droht Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher.

Scholz, der derzeit den Haushaltsentwurf für 2020 erarbeitet, plant die Ausgaben für Geflüchtete von insgesamt 4,7 Milliarden Euro auf 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zu senken. Das bestätigte ein Sprecher des Ministeriums. Zur Begründung nannte er die gesunkene Anzahl der Asylanträge. Tatsächlich hat sich die Zahl der Erst- und Folgeanträge deutlich verringert. Gingen 2016 noch rund 746.000 Asylanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein, waren es im vergangen Jahr nur noch knapp 186.000.

Auf dem Höhepunkt der Zuwanderung hatte sich der Bund 2016 verpflichtet, die Kosten für Unterkunft und Heizung für die Jahre 2016 bis 2018 zu übernehmen. Außerdem stellte er den Ländern ein jährliche Integrationspauschale in Höhe von 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Regelungen laufen 2019 aus.

Nach Hamburger Informationen plant Scholz nun eine auf fünf Jahre gestreckte Pauschale von 16.000 Euro pro anerkanntem Asylbewerber. In Deutschland leben laut Mediendienst Integration derzeit etwa 1,1 Millionen Menschen, die unter verschiedenen Voraussetzungen Schutz erhalten. Hinzu kommen rund 500.000 Menschen, deren Verfahren noch laufen oder die eine Duldung besitzen.

Kommunen sehen Integration gefährdet

Die Länder wollen sich dem Vorschlag des Bundesfinanzministers in dieser Form jedenfalls nicht anschließen. „Auch wenn die Zahlen der monatlichen Neuzugänge geringer geworden sind, ist die Gesamtzahl der Flüchtlinge in Deutschland weiterhin hoch“, heißt es in der Stellungnahme der Hamburger Senatskanzlei. „Die Länder und Kommunen haben dementsprechend weiterhin hohe Kosten für die Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen.“

Auch aus anderen Bundesländern kommt heftiger und fast gleichlautender Widerspruch, und zwar quer durch das politische Farbspektrum. So moniert Dieter Lauinger, Grüner Migrationsminister im rot-rot-grün regierten Thüringen gegenüber der taz: „Es ist unakzeptabel, dass sich der Bund jetzt aus der Verantwortung stehlen will. Damit werden unnötig Erfolge gefährdet, Konflikte geschürt und jahrelange Bemühungen in Frage gestellt.“ Thüringen und seine Kommunen hätten insbesondere die Einzelunterbringung ausgebaut und eine hohe Qualität erreicht. „Der Bund muss sich nicht nur weiterhin dauerhaft an der Unterbringung beteiligen, sondern sich vielmehr auch noch stärker als bisher im Bereich der Integration engagieren“, so Lauinger.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU, nannte die geplante Pauschale „zu gering“. Olaf Scholz versuche sich zulasten der Länder davonzustehlen, sagte Bouffier der Rheinischen Post.

Nordrhein Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, sagte der Rheinischen Post, der Vorschlag des Bundesfinanzministers sei indiskutabel. „Wer den Kommunen die Erstattung der flüchtlingsbedingten Kosten der Unterkunft streichen will, provoziert Steuererhöhungen in den Kommunen wegen der Flüchtlinge – und zündelt damit an dem Konflikt, den wir gerade mühsam befrieden konnten.“

MinisterpräsidentInnen treffen sich diese Woche

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, warnte ebenfalls in der Rheinischen Post davor, dass Kürzungen Integrationserfolge gefährden könnten. „Anstelle jetzt Einsparüberlegungen anzustellen wäre es vielmehr notwendig, die Kommunen zusätzlich auch bei den Kosten für die Geduldeten zu entlasten“, forderte Landsberg.

Hamburg, wo Scholz bis 2018 als Erster Bürgermeister regierte, hat derzeit den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne. Die Ministerrunde trifft sich diesen Donnerstag im Bundesrat, das Thema Flüchtlingskosten steht auf der Tagesordnung.

Der Haushaltsentwurf soll diesen Mittwoch im Kabinett beraten werden. Insgesamt sieht er wachsende Ausgaben vor, aber vor dem Hintergrund der nachlassenden Konjunktur plant das Finanzministerium auch in anderen Ressorts, namentlich Verteidigung und Entwicklung, mittelfristig Einsparungen.

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5 Kommentare

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  • 9G
    91690 (Profil gelöscht)

    Deutschland first auf SPD Art..



    der alte Spruch taucht wieder auf..... wer hat uns verraten ??? ....

  • Geflüchtete und Schutzsuchende sind eine große Hoffnung, besonders wenn sie entweder weiblich oder geschlechtlich nicht fixiert sind. Das sollte Herr Scholz mal verinnerlichen, bevor er das nächste Mal die Klappe hält.

  • Wie wärs, das 1.000-Millionen-EUR-Geschenk für die Batteriebauer, die ihre Investitionen nicht von den reichlich liquiden Privaten holen möchten, umzuschichten? Wenn jemand nicht investieren mag, kann es auch daran liegen, dass er, zB aufgrund der SPD-Niedriglöhne, fehlende Kaufkraft sieht.

    • @EricB:

      Ihr Beitrag strotzt vor volkswirtschftlicher Fachkenntnis, ich pflichte Ihnen vollumfänglich bei. Jeder Unternehmer investiert am lierbsten dort, wo die Löhne am höchsten sind. Darum kommen auch so viele Waren aus Norwegen. Billiglohnländer wie China oder Taiwan haben da keine Chance.

  • Irgendwann kommen die Zahlen auf den Tisch. Dass es am Ende niemand bezahlen will, ist doch klar. Selbst die größten Befürworter offener Grenzen machen nicht die eigen Schatulle auf. Der Staat sind wir am Ende alle zusammen. Also los: welche Partei fordert den Flüchtlingssoli oder 20. MwSt.-Punkt?