Ausbeutung von Landarbeitern: Länger schuften ohne Sozialversicherung
Bauern dürfen Saisonkräfte künftig 90 Tage ohne Sozialversicherung beschäftigen. Und der Agrardiesel für Trecker wird wieder stärker subventioniert.
taz/dpa | Der Bundestag hat weitere Erleichterungen für die Landwirtschaft beschlossen: Saisonkräfte – zum Beispiel „Erntehelfer“ – können künftig länger beschäftigt werden, ohne dass für sie Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet werden müssen. Bislang ist die sogenannte kurzfristige Beschäftigung auf 3 Monate oder 70 Arbeitstage pro Kalenderjahr begrenzt. Der Bundestag entschied am Donnerstagabend, diesen Zeitraum für Agrarbetriebe auf 15 Wochen oder 90 Arbeitstage zu verlängern.
„Die sozialversicherungsfreie Beschäftigung hat zur Folge, dass die in der Regel aus anderen Ländern zur Ernte kommenden kurzfristig Beschäftigten keinen Zugang zur gesetzlichen Sozialversicherung haben“, hatte die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) im Vorfeld kritisiert. Den öffentlichen Versicherungen gingen Beiträge verloren.
Der Deutsche Bauernverband argumentiert, dass die Arbeitgeber als Ersatz oft private Gruppenkrankenversicherungen abschlössen. Diese würden aber zum Beispiel die „Behandlung von chronischen oder schon vor Reiseantritt bestehenden Krankheiten (z.B. Diabetes) häufig nicht“ bezahlen, so die IG BAU.
Deutschlands Landwirte erhalten ab dem kommenden Jahr auch wieder die volle Steuervergünstigung für Agrardiesel. Der Bundestag machte ebenfalls am Donnerstagabend die von der Ampel-Koalition beschlossene Abschaffung der Subvention wieder rückgängig. „Das ist eine echte Entlastung für unsere Betriebe – sie bekommen wieder Luft zum Atmen“, erklärte Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU).
Vergünstigung kostet 430 Millionen Euro im Jahr
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft können sich von der Energiesteuer für Diesel künftig wieder 21,48 Cent pro Liter zurückerstatten lassen. Der volle Steuersatz für Dieselkraftstoff beträgt aktuell 47,04 Cent pro Liter. Die Summe von jährlich rund 430 Millionen Euro soll die Betriebe finanziell entlasten und ihnen gleichzeitig in einem von starken Preisschwankungen geprägten Markt Planungssicherheit geben. Die Vorgängerregierung von SPD, Grünen und FDP hatte eine schrittweise Streichung dieser Vergünstigung beschlossen und damit heftige Bauernproteste ausgelöst.
Trotzdem stimmten die Grünen als einzige Fraktion im Bundestag gegen die Rückkehr zur vorherigen Regelung. Deren agrarpolitische Sprecherin Ophelia Nick kritisierte die Kosten von knapp einer halben Milliarde Euro pro Jahr zugunsten von Verbrennungsmotoren: „Subventionen auf Diesel in der Höhe sind doch keine Antwort auf die Probleme unserer Zeit.“
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