Ausbeutung bei Schlachtbetrieben: „Natürlich ist das illegal“
Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischkonzern Tönnies soll alles besser werden, verspricht die Politik. Nicht nur Gewerkschafter Sepsi hat Zweifel.
S zabolcs Sepsi fährt seinen Laptop hoch, setzt eine FFP2-Schutzmaske auf und rückt eine Plexiglasscheibe vor sich zurecht – Vorbereitungen für ein Beratungsgespräch zu Coronazeiten. Sepsi kommt einmal pro Woche in das Gewerkschaftsbüro von Rheda-Wiedenbrück, um osteuropäische ArbeitnehmerInnen zu unterstützen. Die meisten von ihnen arbeiten bei Tönnies, Deutschlands größtem Schlachthofbetrieb, in dem pro Tag bis zu 20.000 Schweine zerlegt werden. Ein Knochenjob, der den Beschäftigten viel abverlangt und gerade einmal den gesetzlichen Mindestlohn einbringt. Wenn denn überhaupt.
Es klopft. Ein 49-jähriger Rumäne kommt mit einer Plastiktüte voller Dokumente ins Büro. Nach zehn Jahren in der Fleischindustrie hat er genug: Er möchte zurück in sein Heimatland und erkundigt sich nach den Formalitäten. Sepsi, der fließend Ungarisch und Rumänisch spricht, sieht sich die Papiere an und ruft die entsprechenden Vordrucke auf seinem Laptop auf. Ein harmloser Fall, endlich einmal.
Doch das ist die Ausnahme. Schon die nächsten Besucher klagen über Existenzängste: Weil sie coronabedingt in Quarantäne mussten, hat ihnen ihr Arbeitgeber, ein Personaldienstleister, von einem Tag auf den anderen gekündigt – am Telefon, noch nicht einmal schriftlich. „Natürlich ist das illegal“, sagt Sepsi, „aber weil kaum jemand widerspricht, kommen die Firmen mit solchen Dingen oft durch.“
Die Zustände in der Fleischindustrie, sie sind nicht neu. Seit diesem Juni aber steht der Marktführer mit dem Rücken zur Wand: Nachdem sich über 1.400 Beschäftigte im Stammwerk von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück mit dem Coronavirus infiziert hatten, musste der Landkreis Gütersloh noch einmal in den Lockdown. Jetzt, so scheint es, greift die Politik endlich durch. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Werkverträge für die Mitarbeiter von Schlachthöfen künftig verbieten. Von 2021 an sollen sie in Großbetrieben ab 50 Beschäftigten nicht mehr erlaubt sein. Obendrein soll es künftig strenge Kontrollen geben, Leiharbeit nur noch in Ausnahmefällen erlaubt sein. Er wolle „aufräumen mit diesen Verhältnissen“, verspricht Heil.
Gewerkschafter Sepsi ist bei solchen Ankündigungen skeptisch. Zu dreist waren die Grenzüberschreitungen, die nicht nur Tönnies, sondern auch Subunternehmen und Leiharbeitsfirmen anderer Branchen in der Vergangenheit begangen haben. Der DGB hat ein Dokument zusammengestellt, in dem typische Fälle aufgezählt werden, mit denen die Beratungsstellen regelmäßig zu tun haben. Da heißt es:
Corona aus dem Urlaub Die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen in Deutschland hat am Mittwoch den höchsten Wert seit Anfang Mai erreicht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 1.226 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages. Mit den Grenzöffnungen sei der Anteil aus dem Ausland eingetragener Infektionen deutlich gestiegen, heißt es im aktuellen Situationsbericht des RKI. In der Meldewoche vom 3. bis 9. August habe er bei 31 Prozent gelegen. Am häufigsten seien bei Ansteckungen im Ausland in den vergangenen vier Wochen Länder des Westbalkans, die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Polen und Spanien als wahrscheinlicher Infektionsort genannt worden.
Konservenfabrik betroffen Ein Corona-Ausbruch im bayerischen Mamming weitet sich aus. In einer Konservenfabrik wurden 75 weitere Fälle festgestellt. Dort hatten sich bereits über 150 Menschen mit Corona angesteckt. Einen weiteren Ausbruch hatte es auf einem benachbarten Gemüsehof gegeben.
Testpflicht für Erntehelfer Als Konsequenz aus den Mamminger Vorfällen hat der Freistaat Bayern eine Coronatestpflicht für alle Erntehelfer und Saisonarbeiter eingeführt. „In landwirtschaftlichen Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten dürfen ab sofort nur noch Personen beschäftigt werden, die zu Beginn ihrer Tätigkeit einen negativen Coronatest vorlegen können“, sagte die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am Dienstag. Bei Verstößen drohen bis zu 25.000 Euro Strafe. (taz, dpa)
„In mehreren […] Fällen haben sich Beschäftigte […] mit Knochensägen Finger abgeschnitten. Bevor eine Überprüfung der Maschine durch die zuständigen Behörden stattfinden konnte, wurden Schutzvorrichtungen an die Maschine installiert, die es vorher nie gab. Mehrere Personen berichten uns, dass (ein) Vorarbeiter ihre Krankenversicherungskarte einbehalten hat. Er verlangt, dass die Mitarbeiter um seine „Genehmigung“ bitten, bevor sie einen Arzt aufsuchen. Subunternehmen drücken den Krankenstand beziehungsweise umgehen die Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit, indem sie eine tägliche Zusatzmiete für jeden Krankheitstag […] erheben. Ein bulgarischer Ratsuchender berichtet, dass er ohne jegliche Einweisung eine Kettensäge zum Zertrennen von Schweineköpfen bedienen musste. Außerdem wurde er unter Druck gesetzt, schneller zu arbeiten und am Arbeitsplatz angeschrien und beschimpft.“
Szabolcs Sepsi, Gewerkschafter
„Wenn solche Fälle vor Gericht gehen, gewinnen die Leute fast immer“, sagt Sepsi. Doch genau darin liege das Problem: Die meisten trauten sich nicht, wüssten nicht um ihre Rechte. „Wir haben hier kostenlose Deutschkurse angeboten“, erzählt der Gewerkschafter und zeigt auf Buchstabentafeln, die in seinem Büro in Rheda-Wiedenbrück hängen. Die Nachfrage sei riesig gewesen, aber man habe den Kurs trotzdem frühzeitig beendet. „Viele mussten abbrechen, weil die Unternehmen keinerlei Rücksicht auf private Verpflichtungen nehmen.“ Schichtpläne würden regelmäßig ohne Absprache geändert – wer nicht spurt, fliegt raus.
Besserung geloben, nichts ändern
Immer, wenn die Fleischindustrie in den vergangenen Jahren in die Kritik geriet – und an Kritik mangelte es selten –, gelobte die Branche Besserung. So etwa vor fünf Jahren. Am 21. September 2015 sitzt Clemens Tönnies, der Chef des inzwischen bundesweit bekannten Schweineschlachtbetriebs, im Bundeswirtschaftsministerium. „Ich bin heute gerne nach Berlin gekommen, weil wir heute ’nen großen Schritt weitergekommen sind in einem Thema, was uns gemeinsam unter den Nägeln gebrannt hat“, sagt Tönnies in die Kameras. Man wolle „Verantwortung zeigen, um eventuelle Kritikpunkte ein für alle Mal auszuräumen.“
Verkündet wird damals eine Selbstverpflichtung, der sich neben Marktführer Tönnies noch fünf andere große Player anschließen. Laut der Vereinbarung sollen nicht nur alle Beschäftigten bei einem in Deutschland gemeldeten Unternehmen sozialversichert werden. Auch wird mehr Transparenz und Mitbestimmung versprochen. Subunternehmen, die gegen den gesetzlichen Kündigungsschutz verstoßen, werden „erhebliche Vertragsstrafen“ angedroht. Zum Schluss folgt das eigentlich Selbstverständliche: Die beteiligten Unternehmen bekennen sich zu „geltendem Recht und Gesetz“. Arbeitszeit, Kündigungsschutz, Mutterschutz – all das werde eingehalten.
Sigmar Gabriel, damals Bundeswirtschaftsminister und später Honorarberater von Tönnies, feiert die Selbstverpflichtung 2015 als „deutlichen Schritt nach vorn“. Danach wird es wieder still um die Branche.
Die Ausbeutung der osteuropäischen ArbeiterInnen, die Zustände in den Unterkünften, das undurchsichtige Konglomerat von Subunternehmen: All das, was der Spiegel treffend als „Schweinesystem“ bezeichnet, geriet wieder in Vergessenheit. Bis zum nächsten großen Skandal.
Dabei gab es schon viele Anläufe, die Situation zu verbessern: Seit nunmehr sechs Jahren gilt in der Fleischindustrie der branchenbezogene Mindestlohn, seit 2015 die eingangs erwähnte Selbstverpflichtung. Im Jahr 2017 folgt das „Gesetz zur Sicherstellung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft“ (GSA Fleisch). Hat all das überhaupt nichts gebracht?
Das Zeugnis der Wissenschaftler
WissenschaftlerInnen der Universität Duisburg-Essen, die sich schon länger mit dem Thema beschäftigen, sehen zumindest den Mindestlohn als Schritt in die richtige Richtung. Doch selbst da habe sich der Staat „lange vor dieser neuen Verantwortung gedrückt“, heißt es im aktuellen Report des Instituts für Arbeit und Qualifikation. Ansonsten verheißt das Papier (Titel: „Das Scheitern der Selbstverpflichtung“) nichts Gutes. Jahrelang habe sich der Staat mit freiwilligen Vereinbarungen begnügt. Erst „die unheilvolle Kombination schlechter Arbeits- und Wohnbedingungen mit hohen Infektionsraten“ habe zu einem neuen politischen Impuls geführt. Und auch diesmal werde sich nur etwas ändern, „wenn dahinter auch ein ernsthafter staatlicher Umsetzungswille steht“. Sprich: mehr Kontrollen.
Anhand der 2015 unterzeichneten Selbstverpflichtung lässt sich eindrucksvoll nachvollziehen, was passiert, wenn man den Beteuerungen der Industrie zu sehr vertraut. „In den Unternehmen […] stieg der Anteil der eigenen Beschäftigten nur geringfügig von 44,8 Prozent im Jahr 2014 auf knapp über 49 Prozent Ende 2016“, schreiben die WissenschaftlerInnen. In den beiden Folgejahren sei er wieder auf unter 47 Prozent gesunken. Auch beim Mindestlohn sei lange gemogelt worden, und um den Arbeitsschutz stehe es ebenfalls schlecht. „Zwischen Juli und September 2019 führte der Arbeitsschutz in Nordrhein-Westfalen eine Überprüfung von 30 Schlachtbetrieben […] durch und stellte insgesamt 8.752 gravierende Verstöße fest“, bemerkt der Report. Wohl gemerkt: Die Rede ist hier nicht nur von Tönnies, sondern von der gesamten Branche.
Passieren muss also noch viel, bevor sich die Fleischindustrie zum Besseren wandelt. Zumal das geplante Gesetz zum Verbot der Werkverträge noch nicht verabschiedet worden ist. Es muss nach der Sommerpause den Bundestag und den Bundesrat passieren.
Schon jetzt bringen sich die Lobbyisten in Stellung. „Wir befürchten, dass der vorliegende Gesetzentwurf europa- und verfassungsrechtlich nicht standhält“, schreibt der Verband der Fleischwirtschaft am 4. August in einer Stellungnahme. Werkverträge sollten „mit Rücksicht auf kleine, mittelständische Betriebe“ in Firmen mit bis zu 100 Beschäftigten erlaubt bleiben. Das Verbot der Leiharbeit sei „unverhältnismäßig und […] nicht notwendig“, schreiben die Verbandsvertreter.
Auch Teile der Union schlagen bereits mahnende Töne an. Werkverträge und Zeitarbeit seien für viele mittelständische Betriebe entscheidend, findet Astrid Hamker, Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrats.
Verena Knöbel, Metzgerin
In Rheda-Wiedenbrück selbst schwankt die Meinung zwischen Misstrauen und Gleichgültigkeit. „Die Leute vergessen sehr schnell“, sagt Verena Knöbel, die zusammen mit ihrem Mann Thomas eine Metzgerei in der westfälischen Kleinstadt betreibt. Das Fleisch von Tönnies sei qualitativ in Ordnung, sagt sie, „aber wir wollen kein System unterstützen, in dem Arbeiter ausgebeutet werden“. Die eigenen Rinder beziehe man von Bauernhöfen aus der Umgebung; Schweine von einer regionalen Genossenschaft. „Es gibt hier immer noch viele, die lieber hochwertiges Fleisch kaufen“, sagt Knöbel. „Aber eben auch die, die am Anfang nachgefragt haben und jetzt wieder im Supermarkt abgepackte Ware kaufen. Hauptsache billig!“
Im Nebenraum zerlegt Thomas Knöbel ein komplettes Rind. An seiner weißen Metzgerschürze klebt Blut, vor ihm liegt ein 70 Kilo schwerer Fleischbrocken, den er mit einem Messer zerschneidet. „Hier gibt’s keine Bandarbeit wie bei Tönnies“, sagt Knöbel. „Das mache ich alles selbst.“ Überhaupt sieht er sich von dem Skandal um die Fleischindustrie eher abgekoppelt. Im Ort gebe es noch genügend Menschen, die traditionelles Handwerk schätzten. Er lacht: „Was richtig gut läuft, ist unser Wurstomat“, sagt er und erzählt von einem Gerät, das auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten Würste und Steaks ausspuckt. „Für die junge Generation ist das perfekt. Die drücken lieber Knöpfe, als persönlich in den Laden zu kommen.“
Bislang hat es Tönnies noch immer geschafft, Kritik mit großspurigen Ankündigungen abzubügeln und somit ernsthafte Veränderungen zu verhindern. Aktuell hat die Firma ein „25-Punkte-Sofortprogramm“ veröffentlicht. Demnach sollen bis Ende September 1.000 Werksbeschäftigte in Rheda-Wiedenbrück direkt bei Tönnies angestellt werden. Bis zu 400 neue Wohnungen werden in Aussicht gestellt; die Tierhaltung soll verbessert werden, ebenso die Pandemieprävention. Da ist von einem „Kantinenkonzept“ die Rede, von „HEPA-Filtration“ und „arbeitsmedizinischer Versorgung“. Fast klingt es, als wolle das Großunternehmen diesmal wirklich etwas verändern. Wenn da nicht dieses Interview wäre.
„Immer an Recht und Gesetz gehalten“
Im Westfalen-Blatt beteuert Clemens Tönnies, er habe sich immer an Recht und Gesetz gehalten. Die massive Kritik an ihm und seiner Firma sei ein „politischer Feldzug“, gegen den er sich wehren werde. Und überhaupt: Ein Verbot von Werkverträgen führe zu einer massiven Abwanderung, orakelt Tönnies. Am 14. Juli meldet Tönnies 15 neue Tochterfirmen beim Amtsgericht Gütersloh an. Der Zweck: „Herstellung und Vertrieb von Fleischwaren aller Art einschließlich der Schlachtung, Zerlegung und Kommissionierung“. Warum genau? Unklar.
„Eine Tochtergesellschaft zu gründen, ist an sich natürlich nicht illegal“, sagt Armin Wiese, Berater bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Aber es ist schon eigenartig, dass Tönnies genau jetzt, wo eine Gesetzesverschärfung im Raum steht, neue Tochterfirmen gründet.“ Wiese vermutet, dass es vor allem um die Einschränkung von Mitbestimmungsrechten geht. Ein mögliches Szenario sieht so aus: Die MitarbeiterInnen erhalten bei den Tönnies-Töchtern neue, nur befristete Verträge. „Wer befristet angestellt ist, wird nicht auf die Idee kommen, einen neuen Betriebsrat zu gründen“, sagt Wiese.
In einem Punkt stimmt der Gewerkschafter mit Tönnies sogar überein: „Die Leute könnten tatsächlich zu Amazon oder in andere attraktivere Branchen wechseln“, sagt Wiese. Eigentlich müsste es deshalb im ureigenen Interesse der Firma sein, langjährige Beschäftigte zu halten. Er weiß aber auch, dass die Realität oft anders aussieht, wenn rumänische oder bulgarische ArbeitnehmerInnen, die kaum Deutsch sprechen, einen neuen Vertrag vorgelegt bekommen: „90 Prozent unterschreiben sofort.“
Kommt also demnächst der große Wurf? Oder bleibt am Ende doch alles beim Alten? Tönnies selbst hüllt sich dazu in Schweigen. Eine Besichtigung des Werks in Rheda-Wiedenbrück lehnt der Fleischkonzern ab. Stattdessen antwortet ein Pressesprecher per E-Mail. „Es geht dezidiert nicht um die Umgehung von zukünftigen Regelungen“, schreibt er in Bezug auf die neuen Tochterfirmen. Um die derzeitigen Werkvertragsarbeiter fest anzustellen, brauche es eine rechtliche Grundlage – und mehrere voneinander getrennte Arbeitgeber. Nur so könne sichergestellt werden, dass bei „Situationen wie in Coronazeiten“ im Ernstfall nicht alle Betriebsbereiche geschlossen werden. Eine Anstellung in Tochtergesellschaften sei „völlig normal und unumstritten in anderen deutschen und internationalen Konzernen“.
Die desillusionierte Aktivistin
Wenige Kilometer vom Schlachthof entfernt posiert Inge Bultschnieder in ihrem Garten. Die 48-Jährige ist in Rheda-Wiedenbrück so etwas wie das Gesicht des Widerstands – nicht nur gegen Tönnies, sondern auch gegen die zahlreichen Subunternehmen, die osteuropäische ArbeiterInnen schlecht behandeln. Mit ihrer Bürgerinitiative „IG Werkfairträge“ besucht sie FremdarbeiterInnen in ihren Unterkünften, hält Mahnwachen ab und prangert die Ausbeutung immer wieder öffentlich an.
So auch an diesem Tag: Eine Fotografin und eine Redakteurin der Frauenzeitschrift Emma sind zu Besuch, um die willensstarke Frau zu porträtieren. Bultschnieder ist der ganze Trubel um ihre Person unangenehm, aber sie weiß auch, dass sie die Gunst der Stunde nutzen muss: Der jüngste Corona-Ausbruch bei Tönnies hat die Aufmerksamkeit auf ihr Herzensthema gelenkt; sogar NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat sich bereits mit ihr getroffen.
Dennoch ist Bultschnieder desillusioniert. „Die Angst etwas zu sagen, war nie so groß wie heute“, sagt sie in Bezug auf die mehreren Tausend SchlachthofarbeiterInnen, die in Rheda-Wiedenbrück und Umgebung leben. Der Konzern bezahle in den Werkswohnungen sogar Spitzel, um unliebsame InformantInnen abzuschrecken. Dass ein neues Gesetz an solchen Methoden etwas ändert, mag die Aktivistin noch nicht so recht glauben. „Tönnies ist ein gewiefter Typ, der jedes Schlupfloch nutzen wird“, sagt Bultschnieder. Und ergänzt: „Wenn Sie das acht Jahre machen, so wie ich, dann glauben Sie gar nichts mehr.“
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