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Aus für den Nationalen SicherheitsratKein Wille zum Querschnitt

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Weil sich Auswärtiges Amt und Kanzleramt nicht einigen können, gibts keinen Nationalen Sicherheitsrat. Dabei ist Sicherheit eine Querschnittsaufgabe.

Doch lieber solo für die Sicherheit: Außenministerin Baerbock

V or zwei Jahren war Annalena Baerbock noch der Ansicht: In der Außen- und Sicherheitspolitik muss das Kanzleramt stärker koordinieren. Die Grünen-Politikerin war damals noch Kanzlerkandidatin und sprach von einem Kanzlerinnenamt. Ihre Forderung war klar: Wolle man angesichts von Krisen, Kriegen und Klima eine strategisch handelnde Bundesregierung, dürfe nicht jedes Ministerium sein eigenes Ding machen. Gefordert sei eine kohärente Außenpolitik.

Als Außenministerin denkt Baer­bock heute anders. Darauf deutet zumindest eine Meldung des Spiegel hin, die bestätigt, was sich seit Wochen angedeutet hat: Die Verhandlungen über die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats sind gescheitert. Außenministerium und Kanzleramt konnten sich demnach nicht darauf einigen, bei wem ein solches neues Gremium angesiedelt wird. Also kommt es gar nicht.

Das ist ein Fehler. Die Krisen der letzten Jahre haben gezeigt, wie eng Außen- und Innenpolitik zusammenhängen und wie sehr Sicherheit eine Querschnittsaufgabe ist. In der Pandemie rächte sich etwa die Abhängigkeit Deutschlands von Medizinprodukten aus China, im Konflikt mit Russland die naive Energiepolitik der vorherigen Jahrzehnte. Verschiedene Themen­fel­der zusammenzudenken, Entscheidungen auf sicherheitsrelevante Aspekte abzuklopfen, Gefahren ressortübergreifend zu antizipieren – das hätte die Aufgabe des Sicherheitsrats werden können.

Zumindest vorerst wird daraus nichts. Im Papier zu einer gemeinsamen Sicherheitsstrategie, an dem die Regierung derzeit arbeitet, wird das Gremium wohl nicht auftauchen. Wie später ein neuer Anlauf möglich wäre? Das Auswärtige Amt müsste sich von der Sorge lösen, Macht zu verlieren, wenn das Kanzleramt eine Querschnittsaufgabe koordiniert. Das Kanzleramt wiederum müsste bereit sein, eher zu koordinieren als durchzuregieren. In der Architektur eines solchen Gremiums müsste sich das dann auch niederschlagen.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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8 Kommentare

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  • Allein vom Wortverständnis .. - ein NATIONALER Sicherheitsrat kann nicht im AUSSENMinisterium sein.

    • @Tz-B:

      Das hat damit doch nichts zu tun. Das auswärtige Amt ist ja auch nur das nationale Außenministerium Deutschlands.

      Der nationale Sicherheitsrat wäre aber deswegen schlecht beim AA angesiedelt, weil er mehrere Ressorts betrifft und damit klar in den Bereich des Kanzleramtes fällt. Ansonsten wäre sowieso eher das Verteidigungsministerium einschlägig.

  • welch ein Glück das sich die beiden Ressorts nicht einigen konnten.



    So wurde verhindert ein weiteres Ressort zu eröffnen. Viele ach so wichtige Plätz zu besetzen mit Büros und Berater etc.



    Die Personen die wichtige Infos liefern und unsere Regierung beraten sind schon lange im Dienst. Also nicht nötig eine weitere Stelle zu eröffnen die das Gleiche macht wie andere auch und damit nur zu Verzögerungen führt da erst etwas entschieden werden dürfte nachdem sie eine Einschätzung abgegeben hätten, ohne dabei zu konkret zu werden da das ja zu Verantwortlichkeit führen könnte.



    Etwas Wasserkopf blieb uns erspart

  • Was hier so euphemistisch als "Querschnittsaufgabe" bezeichnet wird, wäre ein neues exikutives Gremium ohne die geringste demokratische Legitimation und hätte schlechtestensfalls zur Folge, dass das Land in wichtigen Politikfeldern ähnlich wie in den USA, ohne parlamentarische Kontrolle regiert würde.

    • @Thomas Müller:

      Warum?

  • Hier wäre ja nun wirklich mal die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers entscheidend. Querschnittsaufgabe bedeutet, dass die gesamte Regierung betroffen ist (zugegeben, das Ressort Familien, Senioren, Frauen und Jugend vielleicht weniger). Und gerade in Zeiten hybrider Bedrohungen, in denen Sicherheits-, Außen-, Innen- und Wirtschaftspolitik gefordert sind (Stichwort „fatale wirtschaftliche Abhängigkeit von russischem Gas aufgrund naiver Außenpolitik“) ist die Notwendigkeit einer koordinierten Politik offenkundig. Natürlich kann das bedeuten, dass das eine oder andere Ressort auch mal Kröten schlucken muss. Aber es geht hier nun wirklich um elementare Interessen des Staates und der Bevölkerung.

  • Sieht aus wie ein durchsichtiger Versuch von Frau Baerbock, mehr Macht an sich zu ziehen. Koordinationsaufgaben von so einem Sellenwert sich Kanzleramtssache.

  • Als Querschnittsaufgabe müsste der Sicherheitsrat im Kanzleramt angesiedelt werde, auch wenn ich ihn lieber bei Frau Baerbock sehen würde.