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Aus Angst vor CoronaWeniger Passagiere in Bus und Bahn

Die Nutzerzahlen im öffentlichen Personennahverkehr brechen ein. Viele haben Angst vor dem Virus – und fahren lieber mit dem Auto.

Ein Intercity in Bochum Foto: Fabian Strauch/dpa

Berlin taz | Die Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen sind in den ersten drei Monaten 2020 coronabedingt um 11 Prozent eingebrochen. Das erwartet das Statistische Bundesamt nach Auswertung der Daten großer Verkehrsunternehmen. Vollständige Ergebnisse auf der Basis von 800 Verkehrsunternehmen gibt es voraussichtlich im Juni.

Laut den StatistikerInnen entsprach die Auslastung im Januar und Februar noch dem üblichen Aufkommen. Erst im März haben Verkehrsunternehmen Verbindungen stark einschränkt, viele Menschen blieben aus Furcht vor Infektionen fern. Im Jahr 2019 haben Verkehrsunternehmen im Schnitt 32 Millionen Fahrgäste am Tag in Linienverbindungen befördert.

Für den Eisenbahnnah- und -fernverkehr hat das Statistische Bundesamt ausnahmsweise jetzt schon die Zahlen für März. Danach sind die Fahrgastzahlen aufgrund der Coronakrise hier um 40 Prozent eingebrochen. Betroffen war hier vor allem das größte Unternehmen, die Deutsche Bahn. Für sie arbeitet die Bundesregierung derzeit an einem Rettungspaket von knapp 7 bis 9 Milliarden Euro, das auch Kürzungen etwa beim Personal vorsieht. Der Aufsichtsrat der Bahn berät am Freitag darüber.

Denn viele Menschen haben Angst vor Infektionen unterwegs, wie Untersuchungen zeigen. Solange kein Impfstoff zur Verfügung stehe, wollen rund 40 Prozent seltener öffentliche Verkehrsmittel wie Busse oder Züge nutzen, hieß es kürzlich in einer Umfrage des Strategieberatung McKinsey. Stattdessen wollen die Befragten häufiger zu Fuß gehen, oder auf das Fahrrad oder das eigene Auto zurückgreifen.

Nicht nur Hilfe für Staatskonzern Bahn

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert, dass der Bund nicht nur dem Staatskonzern Bahn hilft. Die gesamte Branche habe Angebote aufrecht erhalten, die betriebswirtschaftlich aufgrund der gesunkenen Nachfrage kaum noch zu rechtfertigen, aber für die Gesamtgesellschaft wichtig seien, sagte VDV-Geschäftsführer Oliver Wolff. „Um die Funktionsfähigkeit der Unternehmen nicht zu gefährden, ist nun ein Beitrag des Staates dringend erforderlich.“

Die Konferenz der Verkehrsminister der Bundesländer hat bereits im April in einem Brief an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen Rettungsschirm von mindestens 5 Milliarden Euro für den Nahverkehr gefordert.

Bei einer Telefonkonferenz am Donnerstag werden die Länderverkehrsminister nochmals über das Thema beraten, sagte eine Sprecherin des saarländischen Verkehrsministeriums. Die saarländische SPD-Ministerin Anke Rehlinger ist derzeit Vorsitzende der Konferenz. „Es hat noch keine formelle Antwort von Bundesverkehrsminister Scheuer gegeben“, sagte die Sprecherin. Rehlinger sei bei ihm mit dem Anliegen aber auf „offene Ohren“ gestoßen.

Das Bundesverkehrsministeriums sei derzeit „in engem Austausch mit allen relevanten Akteuren zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Verkehrsträger und -unternehmen“, sagte ein Sprecher. „Dazu gehört auch der ÖPNV“. Gespräche liefen, zu Ergebnissen könnten noch keine Angaben gemacht werden.

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21 Kommentare

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  • Es ist auch selbst verursachtes Leid.



    In Bremen wurden von RRG die Taktungen frühzeitig reduziert. Die resultierte dann in überbelegten Bussen. Seitdem haben Busse und Bahnen ihr Fett weg als Virenkutschen.

    • @Rudolf Fissner:

      Das sind sie ja auch!

  • Die schwach ausgelasteten Züge (und auch die leereren Straßen) bringen eine ganz neue Lebensqualität mit sich. Einfach weniger Verkehr. Kann von mir aus so bleiben! Aber Kapitalismus funktioniert anscheinend besser, wenn alle dauernd "rumgurken".

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Man muss nicht von Angst regiert sein, wenn man eine vernünftige Entscheidung trifft. Mehrere Stunden in der Bahn, mit Maske und womöglich infizierten Mitreisenden muss man sich nun wirklich nicht antun.



    Ich fliege demnächst Innerdeutsch - weil ich kein Auto habe.

    • @4813 (Profil gelöscht):

      ... und schwuppdiwupp... ist der Inlandsflug plötzlich "vernünftig".

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @kommentomat:

        Die 350kg CO2 hole ich mit dem Fahrrad wieder rein.

  • Hm, Angst vor Ansteckung ist weder bei mir noch bei vielen Bekannten das Problem. Es ist eher die Vorstellung, 5 Stunden mit Maske o.Ä. in der Bahn sitzen zu müssen. Aus dem Grund fährt mein Mann nächste Woche mit dem Auto 500 km. Das ist dann doch bequemer und beim Beine vertreten auf dem Parkplatz braucht er nicht darauf zu achten, niemandem zu nahe zu kommen. Das soll jetzt nicht Anti-Maskenpflicht sein, macht sicher Sinn im ÖPNV. Ist aber schon angenehmer ohne und alkein im Auto braucht man sie halt nicht. Aber diese wirklich naheliegende Erklärung kommt in den Medien irgendwie nicht vor.

  • In München sind die S-Bahnen momentan so gefüllt, das die Abstandsregeln so halbwegs eingehalten werden können. Mehr passen also eigentlich auch gar nicht rein momentan, wenn man sie Regeln einhalten möchte.



    Wenn demnächst für viele wieder das Homeoffice wegfällt und die Schulen langsam wieder hochfahren, dann wird es schnell wieder (zu)voll werden.

  • Sicher

    Das eigene Auto ist eben sicherer und kann regelmäßig desinfiziert werden!



    Im pivaten Pkw finden sich keine hustenden Gestalten. Das ist auch die Chance für die Autobranche, das beste Verkaufsargument der Zukunft. Bleib gesund, fahr allein im eigenen Auto!

    • @Hartz:

      Das Auto hustet hinten raus, und davon kriegt wiederum der Mensch Husten. Aber Sie sicher nicht.

      • @kommentomat:

        Das Auto macht kein Corona, sondern verhindert es.



        - Tatsache!



        ...

        • @Hartz:

          Das Auto macht auch 3700 Verkehrstote pro Tag weltweit.



          - Totsache!

      • @kommentomat:

        Ja, schon unglaublich, wie das Autofahren jetzt plötzlich als gesund verharmlost wird. Autofahren ist sicherlich nicht ungefährlicher als Zugfahren, wenn die Regeln eingehalten werden. Wie viele Verkehrstote, Verletzte und Menschen mit Asthma - v.a. Kinder, die wegen ihrer Größe näher am Auspuff sind - gibt es?

        • @resto:

          Und wie viele Menschen werden durch Autos gerettet (Krankenwagen!)?



          ...

  • RS
    Ria Sauter

    Grund dafür ist nicht nur die Angst vor Ansteckung.



    Ich, als Vielnutzerin des ÖPNV, kann mir wegen Kurzarbeit, die nicht aufgestockt wird, die Jahreskarte nicht mehr leisten.



    Damit bin ich nicht allein, wie die vielen vorherigen Busfahrer, die jetzt zu Fuss gehen, mir auch bestätigen.



    Das kommt in den ganzen Überlegungen nicht vor.



    des Weiteren möchte ich nicht stundenlang in meine Maske atmen müssen. Das ist hygienisch gesehen, ein völliges Desaster. Es schadet mehr, als dass es nutzen würde.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Ich flieg demnächst innerdeutsch. 6h Bahnfahrt mit Maske - nein Danke.



    Bus und Bahn im Nahverkehr sollte man auch meiden.



    Wenn ich demnächst im Restaurant meine Kontaktdaten angeben muss, dann frage ich mich, wie das im Nahverkehr funktionieren soll.

  • Blieben die Leute weg, weil sie Angst vor Ansteckung hatten, oder sind sie einfach nicht zur Arbeit gefahren wegen Homeoffice? DIe Straßen waren im März und April ja auch sehr leer.

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Kaum Flugzeuge am Himmel, keine Kreuzfahrten mehr, weitgehend leere Autobahnen sowieso. Der Traum jedes ökologisch bewegten Menschen. Und (aber...) auch der immer wieder als Heilsbringer jeder nur denkbaren Mobilitätswende gebetsmühlenartig dargebotene öffentliche Personen(nah)verkehr liegt am Boden bzw. steht vor dem Totalschaden;

    www.spiegel.de/aut...-ba92-e36cb7f5036e

    weiß sogar der Spiegel - und bemüht sich scheinbar ernsthaft um die nun wohl erforderliche Quadratur des Kreises.

    Wir wohnen außerhalb einer größeren Stadt, sind per Straßenbahn in das Zentrum eben dieser Stadt eigentlich gut angebunden. Nun, seit Ende Februar 2020 nutzen wir den ÖPNV nicht mehr, glauben (nur wenig augenzwinckernd) unserer fürsorgenden Regierung, wenn es um die Gefährlichkeit dieses neuen Grippevirus geht. Und unter der Maske, mit nicht selten beschlagenen Brillengläsern den eigenen Dreck immer wieder einatmen -wo doch die Natur das so genial eingerichtet, uns Mund und Nase auch als Filter mitgegeben hat- das muß nicht sein. Natürlich, diesen feuchten Dreck wollen und dürfen wir auch anderen nicht zumuten; dem eigenen Auto schon ...

    Insofern, hoch -und hoffentlich noch lange- lebe unser Euro4-Schadstoffdiesel ...

  • "...viele Menschen haben Angst vor Infektionen unterwegs."



    "...viele Menschen blieben aus Furcht vor Infektionen fern."



    Gleich zweimal Angst als Begründung. Der Wegfall der allermeisten Reisegründe (Arbeit, Schule, Urlaubs- und Geschaftsreisen, Besuche) kommt hingegen als Ursache gar nicht vor?

    • @kommentomat:

      Genau so ist es. Ich (ohne Auto) habe keine Angst, aber auch keinen Grund, viel ÖV zu fahren. Gründe waren: Essen gehen, FreundInnen besuchen, Museen, Konzerte, Ferien.

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @kommentomat:

      Wichtiger Punkt

      werden die andauernden Kontaktbeschränkungen im Artikel nicht thematisiert.

      Für mich ist das ja gerade die Crux, das Paradoxe. Wenn man regierungsamtlich, großmedial überbracht die Drohkulisse von der Gefährlichkeit des Virus weiter hochhalten will, so kann man von Maskenpflicht, Kontaktbeschränkung, neuen Blockwarten und Vorratsdatenspeicherung etc. nicht ohne Glaubwürdigkeitsverlust wieder runterkommen;

      was dann jedoch nicht nur in Sachen ÖPNV zu genau dieser paradoxen Situation führt.