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Aufruhr in GeraGegeneinander gegen Rassismus

Nach Diskriminierungsvorwürfen ziehen sich Teile der Geraer Verwaltung von Aktionen gegen Rassismus zurück. Die Anschuldigungen seien „unhaltbar“.

Kundgebung zum Internationalen Tag gegen Rassismus am Dienstag in Erfurt Foto: Bodo Schackow/picture alliance

Berlin taz | In diesen Tagen organisieren mehrere Städte in Deutschland ein Programm zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus. Auch Gera in Thüringen ist dabei. Doch nicht alle öffentlichen Einrichtungen machen mit. Der Grund: eine Demonstration, in deren Aufruf Geras Behörden als „individuell und strukturell rassistisch“ bezeichnet wurden. Nach der Veröffentlichung zogen mehrere, teils öffentliche Institutionen ihre Teilnahme an einer anderen Veranstaltung im Rahmen der Aktionswochen zurück.

Ursprünglich sollten unter anderem das Arbeitsförder- und Berufsbildungszentrum Otegau, die Agentur für Arbeit, das Jobcenter sowie die Stadt- und Regionalbibliothek und der Service Generationen als Ausstellungsorte für Plakate zur Verfügung stehen, auf denen Betroffene von ihren Diskriminierungserfahrungen in Gera berichten. Kurz vor der Veranstaltung haben jedoch alle der aufgezählten Institutionen ihre Bereitschaft zurückgezogen.

Das geht unter anderem aus einem Brief der Bundestagsabgeordneten Elisabeth Kaiser an Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb hervor, der der taz vorliegt. Darin bittet Kaiser, die Kreisvorsitzende der SPD in Gera ist, Vonarb darum, „mit Nachdruck für einen Dialog zwischen allen beteiligten Akteuren“ zu werben und sich dafür einzusetzen, dass „sich die städtischen Einrichtungen in diesem Jahr wieder an der Ausstellung zu den Wochen gegen Rassismus beteiligen“.

Die Aktionswochen wurden vom Bündnis Antira Gera organisiert, die einzelne Veranstaltungen in Arbeitskreise ausgelagert hat. Die antirassistische Demonstration am Dienstag plante eine Gruppe von Privatpersonen. In ihrem Aufruf beschuldigten sie Mitarbeitende des Sozialamtes der Stadt, Leistungen an Sinti und Roma widerrechtlich eingeschränkt zu haben, zudem soll die Ausländerbehörde angeblich regelmäßig Reisepässe und Anträge verschwinden lassen und Menschen absichtlich falsch beraten. Montagsdemos gegen Pandemiemaßnahmen und Ansammlungen von „Putinfans und Verschwörungserzähler*innen“ in Gera bezeichneten sie als „Kartoffel-Aufläufe“, die von „Nazis organisiert und begleitet“ würden.

„Unhaltbar und diffamierend“

Mit­glie­der*innen des Bündnisses sagten der taz, die genannten Institutionen forderten nach der Veröffentlichung des Demoaufrufs, die Antira Gera solle sich von dem Schreiben distanzieren. Dort wurde dies nicht eingesehen: Auch wenn der Text nur von einigen der Mit­glie­der*in­nen verfasst wurde, stehe man hinter der Sache, heißt es. Daraufhin zogen Agentur für Arbeit, Jobcenter & Co. ihre Bereitschaft zur Ausstellung der Plakate zurück.

Auf taz-Anfrage ließ die Pressestelle der Stadtverwaltung ausrichten, die Stadt habe sich von der Plakataktion distanziert, „da der Demo-Aufruf allen Mitarbeitern der Verwaltung eine rassistische Arbeitsweise unterstellt“. Auch die expliziten Vorwürfe gegen das Sozialamt und die Ausländerbehörde weise man „als unhaltbar und diffamierend zurück“. In der Antwort heißt es, Anträge würden unter gesetzlichen Vorgaben bearbeitet, ergänzt wird dies jedoch vielsagend mit: „Ermessensspielräume werden genutzt.“ Der Demoaufruf fördere „in keinem Maße Toleranz und ein offenes Miteinander“, ein geschlossenes Auftreten gegen Rassismus rücke in den Hintergrund.

Die Mit­glie­der*innen von Antira Gera vermuteten gegenüber der taz, Stadt- und Be­hör­den­mit­ar­bei­te­r*in­nen hätten sich unter anderem an der Bezeichnung „Kartoffel-Aufläufe“ gestört und sie als eine Art „Rassismus gegen Weiße“ empfunden. Auch wenn das Bündnis den Unmut über die Eindeutigkeit der Vorwürfe im Aufruf verstehen würden, halten sie die Absage, an der Ausstellung mitzuwirken, für nicht gerechtfertigt. Ein Demoaufruf solle Menschen auf die Straße bringen und benennen, was falsch läuft. Zudem wären etwa auch keine öffentlichen Gelder, die dem Bündnis zukommen, an den Arbeitskreis und somit in die Planung der Demonstration gegangen.

Auch Elisabeth Kaiser zeigt Verständnis für den Ärger über die Anschuldigungen, sieht im Rückzug der Institutionen von der Ausstellung jedoch ein falsches Signal. Im Brief an Oberbürgermeister Vonarb sagt sie: „Kritik und kontroverse Positionen sollten und können wir als Demokratinnen und Demokraten wechselseitig annehmen und aushalten, im gemeinsamen Verständnis, lokal und im Alltag Diskriminierung abzubauen.“ Hinzu komme, dass der Aufruf nach ihrem Verständnis „nicht die erwähnte Ausstellung oder gar die gesamten ‚Wochen gegen Rassismus‘ in Gera im Allgemeinen repräsentiert“.

Oberbürgermeister schweigt

Und der Oberbürgermeister selbst? Der möchte sich zur Sache nicht äußern, ließ aber ausrichten, dass er Kaiser noch eine Antwort schicken werde. Die Pressestelle der Stadt teilte derweil mit, der Service Generationen und die Bibliothek positionierten sich immerhin durch den Aushang des offiziellen Plakates zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus.

Die Ausstellung konnte am Samstag, dem 18. März, auch ohne die verlorene Unterstützung eröffnen. Die Demo ist laut Antira Gera am Dienstagabend mit etwa 120 Teil­neh­me­r*in­nen friedlich verlaufen. Auch viele Mi­gran­t*in­nen seien anwesend gewesen, die teilweise von ihren Rassismuserfahrungen berichteten.

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1 Kommentar

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  • Ach Gera...wann wird diese Stadt einmal positive Nachrichten schreiben? Herr Vonarb hat vergessen wie man sich gegen Rechts positioniert. Oder traut er sich nicht, weil die AFD die Mehrheit der Sitze im Stadtrat besetzt? Klare Kante gegen Rechts gab es, seitens der Stadtverwaltung, in dieser Stadt noch nie. Spricht man sich dagegen aus (wie die Antira-Wortmeldungen, o.ä) muss man mit viel mehr Gegenwind als Rückenwind rechnen. Das geht von Gaslighting über Gewaltandrohungen bishin zu Farbbomben an Hauswänden. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Diese drehen sich in Gera eben fast ausschließlich rechts herum.



    Grüße, eine Anwohnerin