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Aufregung über „Corona-Bonus“Opfer höherer Tarifpolitiklogik

Die Empörung über eine Sonderzahlung an Mitarbeiter:innen von Bundestagsabgeordneten ist groß. Aber ist sie auch berechtigt?

Sollen Mitarbeitende von Bundestagsabgeordneten Sonderzahlungen bekommen? Foto: Kay Nietfeld/dpa

Wenn sonst nicht mehr viel funktioniert, dann wenigstens noch die Reflexe. Der „Corona-Bonus“ für die Mitarbeiter:innen der Bundestagsabgeordneten, den der Ältestenrat beschlossen hat, sorgt für mächtige Entrüstung. In den Sozialen Medien überschlagen sich die Empörungswellen. Da wird wutgewittert bis die Schwarte kracht. „Unfassbar unverschämt!“, „Unglaublich dieser Selbstbedienungsladen!“ oder „Ich bin fassungslos“ sind noch die moderateren Reaktionen.

Einschlägige rechtspopulistische Heiopeis heizen kräftig die Stimmung an: „Der normale Arbeitnehmer – insbesondere aber die Menschen die an vorderster Front in der Corona-Krise standen und stehen – müssen sich doch total verarscht vorkommen“, twittert beispielsweise der Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski.

Selbst manche, die es eigentlich besser wissen müssten, stimmen in den Chor der Aufgebrachten mit ein. So schreibt Jules El-Khatib, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Linksfraktion im Bundestag, auf Twitter: „Ich bin Mitarbeiter von Abgeordneten im Bundestag, alle Mitarbeiter erhalten Corona-Bonus für die Arbeit, während es für Krankenpfleger nur Applaus gibt. Das kann ich nicht mit mir vereinbaren und werde daher das Geld an Organisationen spenden, die sich um die Ärmsten kümmern.“

Es ist sicherlich nichts dagegen einzuwenden, wenn El-Khatib, der nebenbei auch noch stellvertretender Landesvorsitzender der nordrhein-westfälischen Linkspartei ist, Geld für einen guten Zweck spenden will. Allerdings: Tatsächlich bekommt er die gleiche Sonderzahlung wie auch alle Krankenpfleger:innen – wenn sie denn im öffentlichen Dienst beschäftigt sind.

Unwissenheit über Tarifpolitik

Offenkundig ist er nicht der einzige im Bundestag Beschäftigte, der keine Ahnung davon hat, wie der „Corona-Bonus“ zustande gekommen ist. So zitiert die Augsburger Allgemeine einen namentlich nicht genannten Kollegen El-Khatibs mit der Aussage, mehrere Abgeordnetenmitarbeiter:innen würden sich „überrascht, aber eher etwas befremdet als erfreut“ über die Zahlung zeigen.

Verständlich ist diese Überraschung nicht. Denn sie hätten schon Ende Oktober wissen können, dass es für Beschäftigte im Bundestag eine vermeintliche „Corona-Sonderzahlung“ von – je nach Gehaltsgruppe – 300 bis 600 Euro geben wird.

Warum sie das schon damals hätten wissen können? Weil es Ende Oktober die Tarifeinigung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen gegeben hat. Und Teil der Vereinbarung zwischen der Gewerkschaft Verdi und dem Deutschen Beamtenbund mit der Arbeitgeberseite war auch der „Corona-Bonus“. Den bekommen übrigens alle rund 2,3 Millionen Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes – auch die, die im Krankenhaus oder in der Pflege arbeiten!

Nun sind Mitarbeiter:innen von Abgeordneten zwar nicht Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, sondern haben ausschließlich befristete privatrechtliche Arbeitsverträge. Aber dass die Ergebnisse der Tarifverhandlungen auf sie übertragen werden, ist das lange schon praktizierte Verfahren. Gleiches gilt für die Beamt:innen.

Der angebliche „Skandal“ ist also sogar noch größer. Denn die Beschäftigten im Bundestag werden nicht nur einen „Corona-Bonus“ erhalten, sondern auch noch ab dem 1. April 2021 eine Gehaltserhöhung von 1,4 Prozent, am 1. April 2022 kommen noch einmal 1,8 Prozent hinzu. Ob der Linksparteiler Jules El-Khatib auch dieses zusätzliche Geld an Organisationen spenden wird, „die sich um die Ärmsten kümmern“? Die würden sich bestimmt darüber freuen.

Der „Corona-Bonus“, der eigentlich keiner ist

Das wirklich Ulkige an der gegenwärtigen Aufregung ist, dass es sich eigentlich gar nicht um einen echten „Corona-Bonus“ handelt, den die Bundestagsbeschäftigten da bekommen. Denn tatsächlich haben die Tarifparteien bei ihrem Abschluss im Oktober einen kleinen Trick angewendet, um eine ohnehin übliche Einmalzahlung anders zu verpacken. Das klingt kompliziert, ist es aber bei genauerer Betrachtung nicht.

Also: Der Tarifvertrag von Verdi und dem Beamtenbund mit den Arbeitgebern des Bundes und der Kommunen gilt rückwirkend zum 1. September 2020, die erste prozentuale Gehaltserhöhung gibt es am 1. April 2021. Für einen solchen Zeitraum dazwischen gibt es üblicherweise eine einmalige Ausgleichszahlung.

Nun hat die Bundesregierung allen Unternehmen ermöglicht, ihren Beschäftigten bis Ende dieses Jahres einen Corona-Bonus in Höhe von bis zu 1.500 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei auszuzahlen. Diese Regelung haben sich die Tarifparteien im öffentlichen Dienst zu Nutze gemacht. Deswegen nennen sie die vereinbarte Einmalzahlung nun „Corona-Bonus“.

Der Deal: Die Arbeitgeber zahlen einen niedrigeren Betrag als eigentlich für die Gewerkschaften akzeptabel wäre – was diese aber deswegen mitgemacht haben, weil die Arbeitnehmer:innen das Geld steuerfrei bekommen, also ohne Abzüge. Und alle gemeinsam können so tun, als würden sie den Corona-Belastungen der Beschäftigten besonders Rechnung tragen. Nun ja, diese höhere Tarifpolitiklogik müssen nun die Mitarbeiter:innen von Bundestagsabgeordneten ausbaden. Dumm gelaufen.

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5 Kommentare

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  • Ok. Und wie verteidigen Sie z.B. die Diätenerhöhung, die sich der sächsische Landtag noch dieses Jahr genehmigen will? Da sind sich nämlich alle einig außer der Linken. Sind SPD, CDU usw. jetzt alles Faschisten, weil sie zusammen mit der AfD dafür sind? Nein, nur gespürlose Idioten!

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @Fabian Wetzel:

      Warum sollte ich eine solche Diätenerhöhung verteidigen?

  • Alberner Artikel.

    Die Sachlage ändert sich trotzdem nicht und wer dieses Verhalten und diese Zahlung ungerecht findet, der hat zumindest nicht Unrecht. Es ist ungerecht das diese Leute entsprechende Zahlungen erhalten, wenn es für andere Menschen im besten Fall Applaus gibt.

    Die Politik hätte hier mal ein Zeichen setzen können und 300-6000 an die Leute geben können die es brauchen.

    • Pascal Beucker , Autor des Artikels, Inlandsredakteur
      @Megatronic:

      Die Politik hätte ein Zeichen setzen können, wenn sie denen, die für sie arbeiten, Geld vorenthält? Sorry, aber ein Zeichen würden Abgeordnete setzen, wenn sie selbst auf 300 oder 600 Euro verzichten würden, um sie denen zu geben, die das Geld dringender brauchen. Am besten nicht nur einmal, sondern monatlich. Fände ich übrigens eine gute Idee.

      • RS
        Ria Sauter
        @Pascal Beucker:

        Ja, das wäre msl eine sehr gute Idee. Ich vermute mal, das wird nicht umgesetzt.