Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge: Schwarz-rote Abwehrreflexe
Die Innenminister der Länder sehen sich kaum noch in der Lage, neue Unterkünfte für Flüchtlinge zu besorgen. Diakonie und Linke widersprechen: Es gibt genügend Platz.
![](https://taz.de/picture/94499/14/fluechtlinge31082014_dpa.jpg)
BERLIN/BREMEN epd/dpa | Wegen des wachsenden Flüchtlingszustroms nach Deutschland fürchten die Innenminister von Union und SPD eine Überforderung der Länder. „Wir stoßen nun an Grenzen“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der nordrhein-westfälische Ressortchef Ralf Jäger (SPD), der Welt am Sonntag.
Die Landesinnenminister der SPD hatten erst am Freitag ein Programm von der Bundesregierung gefordert, um Kommunen bei der Aufnahme weiterer Flüchtlinge zu unterstützen. Innenminister der unionsregierten Bundesländer haben generell skeptisch auf Forderungen ihrer SPD-Kollegen nach einem Aufnahmeprogramm für irakische Flüchtlinge reagiert.
Sachsens Innenminister, Markus Ulbig (CDU), erklärte: „Sachsen nimmt nach Kräften Asylbewerber auf, und viele Menschen kümmern sich. Aber keinem Flüchtling ist geholfen, wenn wir uns durch neue Forderungen überfordern.“
Es gehe zunächst nicht um Aufnahmekontingente, sondern um Hilfe vor Ort, sagte auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU). „Natürlich müssen weitere Flüchtlingsaufnahmen von Bund und Ländern auch weiterhin gemeinsam finanziert und gewährleistet werden.“
Allerdings gebe es jetzt schon erhebliche Probleme, alle Asylbewerber und Flüchtlinge in den Kommunen unterzubringen, sagte Caffier, der auch Sprecher der Unions-Innenminister ist. „Wer also wie mein niedersächsischer Amtskollege allgemeine Forderungen zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge aufstellt, muss diese Forderungen auch bezahlen und die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen können.“
EU soll entlasten
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) verlangte Entlastung von Seiten der Europäischen Union. Im internationalen Vergleich übernehme die Bundesrepublik angesichts der Flüchtlingsdramen viel Verantwortung, sagte er der Welt am Sonntag. Es müsse nun sichergestellt werden, „dass sich auch unsere europäischen Partner stärker einbringen“.
Sein Kollege Jäger aus NRW forderte bei der Unterbringung flexible Maßnahmen: Eine Beherbergung in Zelten – wie vor Kurzem in Duisburg geplant – könne nur die letzte Notlösung sein. „Wir sollten versuchen, möglichst schnell leer stehende Kasernen oder Kliniken zu nutzen“, sagte der SPD-Politiker. Wie vor ihm Volker Kauder (CDU) sprach sich Jäger zugleich für ein Aufnahmekontingent von 15.000 Flüchtlingen aus dem Irak aus.
Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) warnte, die Länder – auch Bayern – hätten „kaum noch Kapazitäten, um die vielen Flüchtlinge unterzubringen“.
Diakonie: „Ausreichend Wohnraum“
Aus Sicht des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche können dagegen wesentlich mehr Menschen aus Kriegsgebieten untergebracht werden. „Wir haben ausreichend Wohnraum für Flüchtlinge“, sagte Diakoniepräsident Ulrich Lilie.
Der Vorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger fordert, eine „große Zahl“ von Flüchtlingen aus der syrisch-irakischen Bürgerkriegsregion in Deutschland aufzunehmen – ebenso bereitwillig, „wie wir Waffen liefern“.
Der frühere Präsident der EU-Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), schlug eine europäische Flüchtlingskonferenz vor. „Ich rege an, dass die italienische Ratspräsidentschaft, die ja bis Ende dieses Jahres dauert, hier eine Initiative ergreift“, sagte Pöttering am Wochenende im Deutschlandradio Kultur.
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