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Aufhebung des „Compact“-VerbotesDie Zweifel der Rich­te­r:in­nen

Im Februar entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ob „Compact“ von verfassungsfeindlichen Inhalten geprägt ist. Bis dahin darf das Magazin erscheinen.

Wie ein Trophäe beim Landesparteitag der AfD in Sachsen-Anhalt: Compact Titel Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Berlin taz | Das Bundesverwaltungsgericht wird am 12. Februar über das Verbot des rechtsextremistischen Magazins Compact verhandeln. Das Leipziger Gericht hatte das Verbot vorige Woche in einem Eilbeschluss ausgesetzt. Inzwischen liegt die Begründung hierzu vor.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Compact Verlags GmbH am 16. Juli verboten, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richte. Sie verhängte ein Vereinsverbot nach dem Vereinsgesetz. Dagegen hatte die GmbH geklagt und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Am 14. August gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dem Eilantrag statt und setzte das Verbot vorläufig aus.

Allerdings hatten die Leipziger Rich­te­r:in­nen keine Bedenken, das Vereinsgesetz auf ein Pressemedium anzuwenden. Vielmehr sei noch zweifelhaft, ob sich der Compact-Verlag wirklich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte – also gegen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat.

Zwar stellten die Rich­te­r:in­nen durchaus fest, dass Compact Inhalte enthält, die die Menschenwürde verletzen. So würden eingebürgerte Deutsche nicht als gleichberechtigte Staatsbürger anerkannt, sondern als „Passdeutsche“ abgewertet. Propagiert würden auch die Pläne des österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner, der „nicht-assimilierte“ eingebürgerte Deutsche aus Deutschland verdrängen möchte, etwa indem die Religions- und Versammlungsfreiheit von Muslimen eingeschränkt wird. Außerdem würden Ausländer in Compact generell „verächtlich“ gemacht, indem ihnen „pauschal Negativeigenschaften und ein Hang zur Kriminalität“ unterstellt werden.

Gesamtbetrachtung steht noch aus

Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch noch „Zweifel“, ob diese Inhalte für die Compact Verlags GmbH „prägend“ seien. Schließlich enthalte Compact auch andere Inhalte, die „in weiten Teilen nicht zu beanstanden“ seien, etwa Filmkritiken, Buchbesprechungen, Porträts, Berichte über Sportereignisse und archäologische Ausgrabungen. Eine Prägung werde dabei nicht quantitativ festgestellt, sondern „wertend“, so die Richter:innen, erforderlich sei ein „Gesamtbild“.

Diese Gesamtbetrachtung nimmt das Gericht in seinem Eilbeschluss aber nicht vor, sie wird wohl im Hauptsacheverfahren erfolgen. Das Gericht führte angesichts der „offenen“ Erfolgsaussichten der Klage eine „Interessensabwägung“ durch, bei der die Pressefreiheit Vorrang vor dem Interesse der Allgemeinheit an einem sofortigen Vollzug des Verbots erhielt. Compact kann bis zur mündlichen Verhandlung am 12. Februar wieder erscheinen.

Diese könnte komplex werden, das Gericht hat sich vorsorglich auch den 13. und 14. Februar freigehalten. Geprüft wird, ob die Verbotsverfügung zum Zeitpunkt Mitte Juli 2024 rechtmäßig war. Das Innenministerium kann seine Argumentation noch nachbessern und darf hierzu auch Dateien und Gegenstände auswerten, die im Juli beschlagnahmt wurden.

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14 Kommentare

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  • "Allerdings hatten die Leipziger Richter:in­nen keine Bedenken, das Vereinsgesetz auf ein Pressemedium anzuwenden."



    Das trifft nicht zu. Sowohl in der Pressemitteilung vom 14.08. als auch in der Begründung ist nicht von einem Pressemedium die Rede, sondern von dem "Presse- und Medienunternehmen" bzw. "Medienorganisationen". Damit ist nicht das Magazin als solches gemeint, sondern der Verlag. Das Magazin selbst unterliegt der Medienaufsicht (Landesrecht) und nicht dem BMI.

  • "Vielmehr sei noch zweifelhaft, ob sich der Compact-Verlag wirklich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte – also gegen Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat."



    Der war gut...! 🤣🤣🤣

  • Entschuldigung, aber ich finde die Begründung des Bundesverwaltungsgericht einfach nur kafkaesk. Es ist also in Ordnung als Magazin gegen andere Menschen zu hetzen und Andersdenkende zu Diffamieren (Stichwort Volksverhetzung), solange man auch gleichzeitig den Wetterbericht und die Bundesligaergebnisse abdruckt.

  • Ich finde den Vorstoß von Faeser richtig.

  • Haben wir tatsächlich so wenig Vertrauen in unsere Demokratie, dass wir alles verbieten müssen, was nicht die Regierungsmeinung vertritt? Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass man auch abstruse Meinungen äußern darf. Das gehört für mich zur vielfach gewünschten Diversität dazu.

    • @Brigitte Dost-Tauschl:

      Hass, Hetze und Rassismus gehören für Sie also dazu. Für mich gehören Menschen, die so denken nicht nach Deutschland.

    • @Brigitte Dost-Tauschl:

      "Es erscheint widersprüchlich, Extremisten die Meinungsfreiheit zu gewähren, die ..., wenn sie damit Erfolg haben, die Meinungsäußerung derjenigen rücksichtslos unterdrücken, mit denen sie nicht übereinstimmen.“



      Toleranz-Paradoxon wikipedia

    • @Brigitte Dost-Tauschl:

      Es geht aber nicht um eine Abweichung von der Regierungsmeinung, was auch immer das sein soll. Diversität bedeutet auch nicht Toleranz gegenüber Inntoleranten. Es geht um unsere Demokratie und Freiheitsrechte,

    • @Brigitte Dost-Tauschl:

      Abstruse Meinungen darf man selbstredend folgenlos äussern. Die Grenze verläuft aber sicher bei der öffentlich geäusserten Forderung, einen "Sturz des Regimes" herbeizuführen, um die Machtübernahme der AfD durchzusetzen.

      Ich würde Ihnen empfehlen, die SPIEGEL-TV Dokumentation über Julius Streicher - u. a. Herausgeber der Hetzschrift "Der Stürmer" im 3. Reich - anzuschauen um zu verstehen, wie Hetze funktioniert und welche Folgen das tatenlose Zuschauen hatte.

  • Eines der höchsten deutschen Gerichte gibt ein rechtsradikales Hetzblatt wieder frei. Eines der höchsten deutschen Gerichte verurteilt eine 99-jährige, die in ihrer ganzen Jugend der nationalsozialistischen Hetze ausgesetzt war für Taten die sie in eben dieser ihrer Jugend begangen hat. Man finde den Fehler.

  • »und darf hierzu auch Dateien und Gegenstände auswerten, die im Juli beschlagnahmt wurden.«



    Ja, es ist zynisch, und dennoch erscheint es plausibel, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung, 80 II Nr. 4 VwGO, nur diesen Zweck hatte. Es liegt auf der Hand, dass bei der Vollziehung jede Menge Material erlangt wurde, das im Prozess zentral für den Vortrag der Beklagten werden kann.

    Das Gericht erinnert zurecht daran, dass die rechtsextreme Lüge von einer politischen Justiz sich hier nicht beweisen darf. Es versteht sich gerade nicht von selbst, dass nicht Kindergeburtstage sondern der organisierte Kampf gegen die FdGO der Kern dieser Organisation war. Man ahnt langsam, wie weit der Weg zu einem (anderen) Parteiverbot noch sein könnte.

    Es ist die Tragik des Konservatismus, dass er es immer wieder für nötig hielt, die eigenen Grundsätze zu verletzen, um der zersetzenden Neuerung beizukommen. Die Verfallsliteratur der Aristokratie ist voll davon, wie der große Satz von T. di Lampedusa. Ironisch, aber nicht neu, ist hier wohl die Rolle der SPD…

  • 12., 13. & 14. Februar? Wow! Das Gericht will scheinbar das Verfahren abschließen bevor der Wahlkampf startet. Scheinbar will der Senat, dass die Frage der zulässigen oder unzulässigen Einschränkung der Meinungsfreiheit klären, bevor die Bürger zur Wahlurne schreiten.

    Insgesamt ein gutes Signal: So können die Bürger in jedem Fall eine informierte Entscheidung treffen. Entweder Frau Faeser hat Recht und Compact verboten oder die Bundesregierung hat eine untragbare Attacke auf die Meinungs- und Pressefreiheit gefahren.

    Es ist gut, wenn vor der Wahl feststeht, was hier passiert ist.

    • @Kriebs:

      Wenn beides im Rahmen der Möglichkeit liegt, wäre es m. E. keine "untragbare Attacke", sondern eine plausible Entscheidung, die aber nicht haltbar ist.

    • @Kriebs:

      Die nächsten Wahlen finden am 01.09. (Thüringen, Sachsen) und am 22.09. (Brandenburg) statt.