Aufarbeitung von Missbrauchsfällen: Grüne bereiten Opferhilfe vor
Sieben Missbrauchsopfer haben sich an die Hotline der Grünen gewandt. Zwei haben indirekt mit der Partei zu tun, aber welche Verantwortung trägt diese?
BERLIN taz | Am Montag hat der Parteivorstand der Grünen ein neues Gremium geschaffen: einen dreiköpfigen „Anhörungsbeirat“. Er soll sich darum kümmern, wie man Personen, die von sexueller Gewalt aus dem Grünen-Kontext betroffen sind, angemessen entgegenkommen kann. Auch ein externer Opferanwalt soll dem Beirat angehören.
Der Beschluss hat eine lange Vorgeschichte und einen konkreten Anlass: Bei der Hotline der Grünen für Missbrauchsopfer haben sich zwei heute erwachsene Brüder gemeldet, die als Kinder zwischen 1980 und 1984 in der christlich-alternativen Dachsberg-Kommune in Kamp-Linfort (NW) sexuell missbraucht wurden – am Rande von Grünen-Treffen und parteinahen Veranstaltungen.
Ihre Berichte seien „sehr klar und glaubwürdig“, sagt Marcus Bocklet, Mitglied der parteiinternen AG Aufarbeitung und Landtagsabgeordneter aus Hessen. Bocklet selbst hat für seine Partei mit den Brüdern gesprochen. Die Dachsberg-Kommune hat zwar längst den Ruf eines Orts des Missbrauchs, aber die Gemengelage ist kompliziert. Der Dachsberg war keine Parteieinrichtung, sondern gehörte zur Emmaus-Gemeinschaft. Allerdings saß der Geschäftsführer als Pädophilielobbyist im Landesvorstand der Grünen. Welche konkrete Verantwortung leitet sich daraus für die Grünen rund dreißig Jahre später ab?
Einer der Betroffenen aus NRW hat laut Bocklet inzwischen den Wunsch nach einer Geldzahlung vorgebracht. Der neue „Anhörungsbeirat“ der Partei wird sich nun wohl damit befassen.
Erst vergangene Woche trafen sich Spitzen-Grüne nochmals mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, um sich über die nächsten Schritte zu beraten. Schließlich ist nicht unwahrscheinlich, dass sich auch aus Berlin in nächster Zeit noch Betroffene melden, die Opfer von Tätern mit grünem Parteibuch wurden.
Institutionelle Verantwortung im Einzelfall
Parteichefin Simone Peter teilte am Mittwoch mit: Die Grünen trügen zwar „grundsätzlich keine Verantwortung für Straftaten einzelner Parteimitglieder“, aber man wolle sich „in jedem Einzelfall der Frage nach unserer institutionellen Verantwortung“ stellen. Konkret seien Hilfen beim Zugang zu Therapien denkbar – „oder eine Zahlung an Betroffene zur Anerkennung des ihnen zugefügten Leides“.
Insgesamt sieben Betroffene hätten sich inzwischen bei einer Telefonhotline gemeldet, die seit letztem Sommer geschaltet ist. Fünf dieser Fälle haben nach Grünen-Angaben nichts mit der Partei zu tun. In den zwei Fällen aus Nordrhein-Westfalen besteht ein begründeter Verdacht.
„Die Grünen waren mehr als nur ein Ort der Debatte“, sagt der Grünen-Abgeordnete Bocklet. „Das ist eine bittere Erkenntnis.“ Aber seine Partei sei bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen.
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