Auf der Finanzmesse „Superreturn“: Die Luxus-Sorgen der Investoren
Diese Woche treffen sich 2.700 Finanzleute in Berlin. Sie diskutieren über Anlagetipps und Renditedruck. Die Vorträge sind überraschend simpel.
Carlyle, Blackrock, Brookfield – alle sind sie da auf der Messe „Superreturn“, zu Deutsch Superprofit, die diese Woche in Berlin stattfindet. 2700 Finanzleute haben sich angemeldet, für andere Gäste ist das Hotel geschlossen – es scheint sich für das Hotel zu lohnen. Eintrittspreis für das Drei-Tage-Paket der Messe: 3.999 englische Pfund. Eingeladen waren, wenn überhaupt, nur Finanzjournalisten. Wer sich anmeldete, wie die taz, kam trotzdem hinein. Davon haben deutsche Medien offenbar kein Gebrauch gemacht: Hiesige Medienvertreter waren nicht zu sehen.
Finanzinvestoren haben einen gemischten Ruf. Sie sammeln Kapital ein, kaufen damit Unternehmen auf; es geht um Zahlen, weniger um Inhalte. Es gibt solche, die am langfristigen Gedeihen eines Unternehmen interessiert sind. Und dann gibt es diejenigen, die ein Unternehmen auf maximale Rendite trimmen, keine Rücksicht auf die Beschäftigten nehmen und den Laden nach wenigen Jahren abstoßen.
Viel Geld, aber keine Anlagemöglichkeiten
Geschäftssprache im Intercontinental ist natürlich Englisch, man hört mehr britisches Englisch als US-Englisch. Auffallend wenige Deutsche sind dabei. Nur ungefähr jeder zehnte Besucher ist weiblich. Bei der Gleichstellung ist in der Private-Equity-Branche noch Luft nach oben.
Bei einer Gesprächsrunde mit dem unbescheidenen Titel „State of the union“ spricht Moderatorin Gillian Tett von der Financial Times die derzeitige Luxus-Sorge der Finanzinvestoren an: „Viel Geld ist derzeit im Umlauf, aber es kann kaum noch angelegt werden, weil keine Unternehmen auf dem Markt sind. Welchen Ausweg gibt es?“ Ein Manager von „General Atlantic“ empfiehlt die „Emerging Markets“ – das sind ehemals arme Länder, die für Investoren den roten Teppich ausrollen.
Die Financial Times-Journalistin fragt in die Runde, was für heiße Anlagetipps sie so haben. Sie klingt ein wenig wie Evelyn Hamann in dem berühmten Sketch von Loriot, in dem sie den Filmstar, der das Monster mimt, nach dessen Lieblingsspeise fragt. Der Vertreter von „Ares Management“ empfiehlt die Branchen Energie und Einzelhandel, dann fällt die Mikrofonanlage aus. Als sie wieder heil ist, nennt der Mann von „General Atlantic“ plötzlich nicht mehr die aufstrebenden Märkte, sondern Europa. Für Europa hat er eine hübsche Formulierung parat: Europa sei eine „unappreciated jam“ eine verkannte Sorte Marmelade.
Auf der Suche nach Friedrich Merz
Man soll sich nichts vormachen: Finanzinvestoren bedienen nicht nur die Interessen der Reichen. Auch Pensionsfonds, die das Geld von normalen Leuten anlegen, drücken in den Markt. Die Mittelschicht hat sich längst in das Bett der Finanzinvestoren gelegt, ohne es richtig zu merken. Christina, die für einen schwedischen Pensionsfonds in Berlin ist, sagt beim Mittagessen – Havelländer Apfelschwein, dazu gedünstetes Gemüse und Kartoffelgratin – auf die Frage, ob schwedische Rentner durch den Renditedruck nicht indirekt dafür sorgen, dass eine Firma Leute entlässt: „Unternehmen, die von Finanzinvestoren gehalten werden, wachsen mehr als andere.“ Will heißen: Entlassungen gebe es eher nicht.
Die Vorträge kommen argumentativ überraschend einfach daher. Ein Manager von Blackrock beamt eine Wachstumskurve hinter sich. Die Kurve hat vier Zacken nach unten, unter drei von ihnen steht „Russland marschiert in der Krim ein“, „US-Wahl 2016“ und „Brexit-Votum“. Welterklärung kann auch einfach sein.
Blackrock? Zeit zu schauen, ob Friedrich Merz im Haus ist. Der Fondsgigant Blackrock, der sich listig-bescheiden „Vermögensverwalter“ nennt, hat den kleinen Raum „Litfaß“ gemietet. Die junge Engländerin vor der Tür kennt keinen Friedrich Merz und auch keinen Friedrick Mörz. Schade. Ohne ihre Erlaubnis kommt man nicht hinein.
Abends oben im Hugos, bei Rinderfilethäppchen und Weißwein, weiht Oliver, Investmentbanker aus der Schweiz, in die Geheimnisse der Branche ein. Warum kaufen die Reichen nicht einfach Aktien? Ganz schlecht, sagt Oliver. Die Vermögenden wollen, dass der Nachwuchs die Anteile später nicht einfach zu Geld macht. Anteile an geschlossenen Fonds können nicht so einfach verkauft werden. Er berichtet von der großen Angst der Vermögenden, ihr Vermögen zu verlieren. Warum reichen denen nicht vier Prozent Rendite statt zwanzig? In der Liga habe man andere Erwartungen, sagt Oliver. Kann man die Angst nicht einfach nehmen, indem alle Vermögen- und Erbschaftsteuer zahlen? Wer weniger hat, kann auch weniger verlieren. Das sei eine eher philosophische Frage, sagt Oliver und zieht weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“