piwik no script img

Audienz beim PapstDer Linke und Seine Heiligkeit

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hat in Rom Papst Franziskus besucht. Die Audienz ist Ramelows Meisterstück.

„Ich werde noch Tage brauchen, um die Bilder in meinem Herzen zu verarbeiten“, sagt Ramelow nach dem Treffen mit dem Papst. Foto: dpa

Rom taz | Als Bodo Ramelow den Patre in seinen Plan einweiht, steht der Mond über dem Vatikan. Die beiden Männer sitzen in der Hotelbar, hinter ihnen der Petersdom, zwischen ihnen der Tisch mit zwei Gläsern Wein und eine Eichenholzkiste voller Senf. Der Weg dieser Senfkiste ist etwas ungewöhnlich und sagt eine Menge aus: über den Ministerpräsidenten und über das clevere Regieren.

Die Sache ist so: Die Senffabrik steht in Altenburg. Der Geschäftsführer begann nach der Wende mit drei Angestellten und exportiert heute bis nach Asien. Zur Belohnung berief ihn die Thüringer CDU einmal in die Bundesversammlung. Sie nahm seinen Senf aber nie mit ins Ausland.

Ramelow packte gleich drei Sorten ein. Und er nimmt die Sache ernst: Weil bei der Audienz morgen früh keine Lebensmittel erlaubt sind, ließ er Patre Hofmann ins Hotel kommen. Seit er ihn vor Jahren in Jerusalem kennenlernte, ist der Kuriensekretär sein Mann im Vatikan. Jetzt muss der Priester versprechen, die Senfkiste mitzunehmen und so zu platzieren, dass Franziskus garantiert darüber stolpert.

Cleveres Regieren eben. Als Ramelow im Dezember 2014 der erste Ministerpräsident der Linkspartei wurde, protestierten in Erfurt Tausende. Heute ist Ramelow Thüringens beliebtester Politiker, sogar die Hälfte der Unionsanhänger ist mit seiner Arbeit zufrieden.

Das Ergebnis eines Tricks, den er so beschreibt: „Ich bin Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und nicht die Außenstelle der Linken.“ In der Praxis bedeutet das: Er räumt seine Gegner barmherzig aus dem Weg. Wer Probleme mit seiner Partei hat, wer ihm im Weg steht oder ihm gar gefährlich werden könnte, den macht er sich einfach zum Freund. Egal, was der andere davon hält.

Ramelows Meisterstück

Die Audienz ist so gesehen sein Meisterstück: Die SED begegnete der Kirche bevorzugt mit Dynamit. Die Linkspartei will ihr die Privilegien streichen. Die Heimat der Gläubigen ist die Partei also nicht gerade. Aber kaum saß der Ministerpräsident in der Staatskanzlei, hatte er sich schon beim Vatikan angemeldet. Eine halbe Stunde bekommt er jetzt mit dem Papst im Apostolischen Palast. Wer in Thüringen Christ ist und das hört, traut der Linkspartei an sich vielleicht noch immer nicht – dem Ramelow aber schon ein bisschen mehr.

Ich bin Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und nicht die Außenstelle der Linken

BODO RAMELOW

Das bedeutet nicht, dass sein Glaube eine Masche ist. Die Audienz bedeutet ihm wirklich viel; und er, der Protestant, glaubt tatsächlich an Gott. Aber dass sich der Glaube auch politisch auszahlt, als schöner Nebeneffekt, das weiß er selbst.

Ab und an erzählt er von der Morgenandacht im Landtag, die jeden Donnerstag stattfindet. Als er zum ersten Mal dort auftauchte, seien die CDU-Abgeordneten in der Runde erstarrt. Eine Zeitzeugin bestätigt das: „Regelrecht empört“ seien einige ihrer Kollegen an dem Tag gewesen, sagt Christine Lieberknecht, seine Vorgängerin in der Staatskanzlei. Weil Ramelow zum Beten gekommen war, schickte Lieberknecht ihn nicht weg. Nachdem er mit ihr gebetet hatte, ging sie halbwegs normal mit ihm um. Und als Jahre später auch alle anderen normal mit ihm umgingen, das Land und die Medien und die Wähler, da nahm er ihr das Büro weg.

taz.am Wochenende

Montags baden Frauen, zum FKK-Schwimmen kommen Schwule und abends duschen Flüchtlinge. Im Stadtbad Berlin-Neukölln hat jede Gruppe ihre eigene Zeit. Wie sollen wir zusammen leben, wenn wir nicht zusammen planschen können? Dieser Frage gehen wir nach in der taz.am wochenende vom 27./28. Februar 2016. Außerdem: Die Feministin Laurie Penny im Gespräch über die Macht von Science-Fiction und die Schwierigkeit, ein Vorbild zu sein. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Wandel durch Annäherung, in geistlichen Fragen wie in weltlichen.

Eine Stunde vor Ramelows Treffen mit dem Patre: Vor der Residenz der deutschen Botschaft will der Ministerpräsident gerade in seinen Wagen steigen, als der Landrat, Werner Henning von der CDU, eine Frage hat. Er wurde als einziger Kommunalpolitiker von der Staatskanzlei zur Vatikanreise eingeladen. Henning kommt aus dem Eichsfeld, der schwärzesten Ecke Thüringens. Weder Martin Luther noch die SED hatten dort nachhaltigen Erfolg; der Landkreis ist katholisch und wählt entsprechend. Henning ist seit 1990 Landrat.

Sorge ums Geld

„Ich hoffe, es war so in Ordnung?“, fragt er Ramelow. Er meint seinen Auftritt zuvor beim Abendessen: Am Tisch ging es um die Flüchtlingspolitik, und die Botschafterin wollte wissen, wie lange sein Kreis noch durchhält. Ach, sagte der Landrat, uns fällt schon immer was ein. Sorge mache ihm nur das Geld: Das Land erstatte ihm die Kosten nicht schnell genug.

Und was antwortet ihm Ramelow am Auto? „Natürlich war das in Ordnung! Sie müssen mir doch nicht nach dem Mund reden!“

An diesem Abend hat Ramelow sein Bundesland hervorragend im Griff. Er ist so nett zur Opposition, dass die sich schon entschuldigt, wenn sie ihn mal kritisiert.

Nun muss man sich nichts vormachen, natürlich hat Bodo Ramelow nicht immer alles unter Kontrolle. Am nächsten Vormittag zum Beispiel, als die Reise zwischenzeitlich zu einem Reinfall wird: Die Audienz fällt aus, der Papst hat Fieber, und Ramelow schaut schon wie auf der Beerdigung. In dem Moment läuft ihm im Hotel auch noch Dieter Althaus über den Weg, der Ministerpräsident a. D., was auch immer der dort zu suchen hat.

Aber Ramelow: Atmet durch, besinnt sich auf seinen Trick und lächelt. Herr Althaus, na so was! Sie der Katholik, ich der Protestant, schöne Ökumene!

Tief ergiffen

Funktioniert wirklich. Althaus muss dann ziemlich schnell weg, Franziskus wird gesund, und einen Tag später als geplant darf der Ministerpräsident doch noch zum Papst. So erleben Römer am Freitagmittag einen Ministerpräsidenten aus Thüringen, der tief ergriffen den Vatikan verlässt. „Ich werde noch Tage brauchen, um die Bilder in meinem Herzen zu verarbeiten“, sagt er und versucht es dann auf die Schnelle doch schon mal.

Erst stieg er aus dem Aufzug, dann ging es minutenlang durch prächtige Gänge. Am liebsten hätte Ramelow sich auf dem Rollbrett hindurchziehen lassen. Auf dem Rücken liegend, um an den Wänden und den Decken auch wirklich alles zu sehen.

Schließlich, in einem Raum am Ende des letzten Gangs, saß er: der Papst. „Heiliger Vater“, sagte Ramelow, und dann unterhielten sie sich einfach. Dreißig Minuten oder drei Stunden, er kann es nicht sagen. Sie redeten über die Flüchtlinge, die Beistand brauchen. Über die SED, die in Thüringen gegen die Christen kämpfte. Und über den Bischof von Erfurt, der am Dom die Lichter ausschaltet, wenn die AfD demonstriert.

Ein neuer Freund

Im Vatikan hat Bodo Ramelow am Ende seiner Reise also einen neuen Freund. Mit dem Papst hat er sich schließlich hervorragend verstanden.

In Altenburg hat er auch einen neuen Freund. Der Senf ist zwar nicht beim Papst angekommen, aber zumindest in der Präfektur.

Einzig in der Partei hat die Audienz nicht zur Anbahnung weiterer Freundschaften gedient. Was einen Linken am Papst alles stört, das hat Ramelow im Palast nämlich nicht angesprochen. „Ich bin nicht gekommen, um mit Franziskus über die Forderungen des Landesarbeitskreises Laizismus zu diskutieren“, sagt er.

Das ist eben das einzige Problem mit Freunden: Wer zu viele neue hat, kann gar nicht anders. Er muss die alten auch mal versetzen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Die Audienz sagt mehr ueber den Papst als uber Ramelow.

  • Zahnärzte und Miniatur-Eisenbahner hatten schon eine Audienz beim Papst. Warum also nicht auch mal der Ministerpräsident Thüringens? Wer die Bergpredigt verstanden hat und ernst nimmt, kann heute einfach nur noch ein Linker sein.

  • @ANAMOLIE

     

    (...) Opportunismus scheint er ja glänzend drauf zuhaben (..)

     

    Nun, Bodo Ramelow, ein Wessi, Niedersachse, bekennender Christ, geachteter Gewerkschafter, erster deutscher MP der Linken im vormals christdemokratisch regierten Thüringen, dem in Wahlkampfzeiten dies vom christ-demokratischen Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring (Apolda/Thür.) entgegenschallte:

     

    "Diese Bande jagen wir!“

     

    Diesem Ministerpräsidenten Ramelow gab ich gern meinen Vertrauensvorschuß.

     

    Denn: An meinen Wohnsitzen (in NRW und ST) erhielt ich geistig-kulturelles Rüstzeug ;-) durch diese Ministerpräsidenten - chronologisch:

     

    Karl Arnold, Fritz Steinhoff, Dr. Franz Meyers, Heinz Kühn, Johannes Rau, Wolfgang Clement, Peer Steinbrück, Dr. Jürgen Rüttgers und Rainer Haseloff…

     

    Gion (jetzt Thüringen)

    • @Gion :

      Anamolie - seit geraumer Zeit auch Thüringen.

      Natürlich ist mir seine Art Opportunismus viel lieber, als die Selbstherrlichkeit der z.B. Aufgeführeten und schon lange einer MP Lieberknecht.

      Angesichts der sehr guten Kontakte zur Thüringer Wirtschaft, die ihn als hervorragenden Partner bezeichnen und er auch noch von CDU-Leuten regelmäßig goutiert wird, ist mir dabei etwas mulmig. Er zeigt zu wenig Partei-Charakter und ist zu sehr Landesvater Ich fürchte den Kretschmann-Effekt.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @lions:

        Es gibt keinen Kretschmann-Effekt.

        Ist ein "Parteiischer" per Wahl zum Ministerpräsidenten eines Landes geworden, sollte er natürlich alle Menschen und alle Strömungen im Blick haben.

        Ramelow ist wahrscheinlich diesbezüglich schon weiter als Kretschmann...

  • Na ja, wenn der Ramelow den Laden auch im Griff hat, Opportunismus scheint er ja glänzend draufzuhaben. Trotz allem ist mir ein blaßroter Ramelow, der beim Papst seinen Senf dazu gibt lieber, als ein scheinkatholischer Horst, der beim Orban um Audienz bittet.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @lions:

      Der Bodo-Horst-Vergleich hinkt.

      Der eine macht's für alle, der andere für sich und seinen reinen Machterhalt, indem er 's seiner Parteischwester so richtig zeigt und hofft, dafür dahoam Schenkelklopfer einheimsen zu können.

  • "Die Audienz ist Ramelows Meisterstück."

     

    Na, wenn in der Politik schon ein Papstbesuch mit Senf zu den Meisterstücken zählt, sollte man weiters nicht mehr viel erwarten. Nicht umsonst sinkt die Beteiligung von Wahl zu Wahl.

  • Da kann man wieder einmal sehen, dass zwischen Schillers Freundschaftsbegriff und dem der modernen Facebook-Gesellschaft schon wieder mehr als 200 Jahre und einige veritable Rückwärtsrollen liegen! Und überhaupt: Freundschaften als „Meisterstück – auf so was muss man erst mal kommen. Helm ab!

     

    Immerhin verstehe ich jetzt manches etwas besser. Zum Beispiel, dass MP Kretschmann gar nicht anders konnte. Es war ein Freundschaftsdienst, den er der Kanzlerin und dem CSU-Chef geleistet hat mit seiner Zustimmung zum neuen „Asylpaket“. Wie schade, dass Tobias Schulze mir nicht erklärt hat, was genau der Papst Herrn Ramelow i Gegenzug für den ganz offiziell nicht angenommenen Senf geschenkt hat – mal abgesehen von seiner Freundschaft natürlich.

    • @mowgli:

      Wieso sollte er Ramelow irgendwas schenken? Hat er ja nix davon. Da gibt´s lukrativere Leute als den Konkursverwalter einer ostdeutschen Provinz.

  • Franz vor einigen Tagen: Abtreibung ist einem Mafiamord gleichzusetzten. Pfui Teufel! Pfui Ramelow! Warum kriechst du beim Papst rum? Widerlich!

    • @RPH:

      Weil Politik mehr als nur rumpöbeln ist?

      • @robby:

        Ja. Na und? Macht die Rumkriecherei nicht weniger ekelhaft.

        • @Ruhig Blut:

          Franziskus ist das mit Abstand progressivste was man von der k. Kirche erwarten kann. Das er nicht mit allen Standpunkten der Kommunistischen Plattform d'accord ist kann man sich ja denken. Trotzdem ist es wichtig und richtig sich mit allen politischen Kräften, und nur so ist imho der Papst hier zu werten, die zumindest eine bestimmte Richtung einschlagen zumindest zu reden. Nur so kann man Dialoge starten und Dinge in den Köpfen ändern. "Gewalt erzeugt Gegengewalt" gilt auch rhetorisch.Ohne Kompromissfähigkeit und nur mit beharren auf Maximalforderungen kommt niemand weiter.

          • @Amie:

            Ist schon richtig. Bei dem Besuch ging es aber doch um die Symbolik, nicht darum, reale politische Dinge auszuhandeln. Und wenn Ramelow, als demokratisch gewähltes Landesregierungsoberhaupt, dann beim absolutistischen und demokratisch kein Stück legitimierten Chef von Vatikanstaat & kath. Kirche aufschlägt, nachdem die ihm gnädig eine Audienz gewährt haben, mit seinem Senf im Gepäck und sich danach unglaublich beeindruckt gibt – dann ist das die völlig falsche Symbolik, gerade bei einem Linken.