Atompolitik der Bundesregierung: Keine Reform von Euratom-Vertrag
Die Bundesregierung will keine Initiative für eine Reform des Euratom-Vertrags starten – trotz Ankündigung im Koalitionsvertrag.
Die Koalition werde sich „dafür einsetzen, dass die Zielbestimmungen des Euratom-Vertrages hinsichtlich der Nutzung der Atomenergie an die Herausforderungen der Zukunft angepasst werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. In Zukunft dürfe es „keine EU-Förderung für neue Atomkraftwerke“ mehr geben.
Praktische Konsequenzen hat diese Zusage aber nicht. „Derzeit sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Einberufung einer Regierungskonferenz zur grundlegenden Überarbeitung des Euratom-Vertrages“, schreibt das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die der taz vorliegt.
Stattdessen soll abgewartet werden, dass die EU-Kommission von sich aus eine Mitteilung zur Zukunft von Euratom vorlegt. Das SPD-Umweltministerium erklärte, diese Haltung sei mit ihm abgestimmt.
Kritik von Grünen und SPD
Bei den Grünen stößt dieses Vorgehen auf Kritik. „Mit ihrer Untätigkeit riskiert die Regierung sehenden Auges eine Niederlage“, sagte Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl der taz. Denn wenn die „notorisch atomfreundliche EU-Kommission“ sich erst einmal festgelegt habe, werde es „umso schwieriger, Euratom zu reformieren“.
Die Chancen für eine Überarbeitung des umstrittenen Atomvertrags sind derzeit günstig. Denn wegen des britischen EU-Austritts sind ohnehin Anpassungen nötig. Dieses Zeitfenster müsse die Regierung nutzen, „um das überkommene und rückwärtsgewandte Relikt namens Euratom zu reformieren und die Sonderstellung der Atomkraft in Europa endlich zu beenden“, fordert Kotting-Uhl.
Ähnliche Forderungen kommen auch aus der SPD, die die Ankündigung zu Euratom in den Koalitionsverhandlungen mühsam gegen die Union durchgesetzt hatte: „Ich halte es für unzureichend, in dieser Frage auf eine Initiative der EU zu warten“, sagte die SPD-Energieexpertin und Bundestagsabgeordnete Nina Scheer der taz. „Und es entspricht auch nicht dem Koalitionsvertrag, denn dort ist ein aktives Vorgehen für eine Euratom-Anpassung vorgesehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit