piwik no script img

Atomkraftwerke in FrankreichBei Hitze und Kälte läuft nichts mehr

Die meisten französischen Meiler werden mit Flusswasser gekühlt. Das wird derzeit wieder einmal knapp. Wenn die Trockenheit weiter anhält, müssen bis zu 44 Reaktoren vom Netz.

Wenn die Loire zufriert, muss das Atomkraftwerk Saint Laurent abgeschaltet werden. Bild: reuters

PARIS taz | Wie Deutschland leidet auch Frankreich unter einer anhaltenden Trockenheit. Von diesem Wassermangel sind nicht nur die Landwirte, die Haushalte und die Industrie betroffen – sondern auch die meisten Atomkraftwerke in Frankreich. Eben diejenigen, die für ihre Kühlung Flusswasser verwenden.

Dieses Kühlwasser stellt rund 60 Prozent des gesamten Wasservolumens dar, das aus Oberflächengewässern entnommen wird. Da das Kühlwasser anschließend wieder in die Flüsse zurückgeleitet wird, werden schnell die Grenzwerte überschritten, die für die Erwärmung des Flusswassers noch erlaubt sind.

Atomkraftgegner wie Stéphane Lhomme vom Observatoire du nucléaire sieht hier die "Achillesferse" der französischen Atomstromproduktion: "Es besteht die Gefahr, dass 44 der 58 Reaktoren in Frankreich abgestellt werden müssen." Besonders kritisch sei die Situation bereits in den Anlagen von Golfech an der Garonne und Civaux an der Vienne.

Schwere Versorgungsengpässe dürften sich erst recht ergeben, weil Frankreich – entgegen einer auch kürzlich von Industrieminister Eric Besson wiederholten – seit 2004 netto mehr elektrischen Strom aus Deutschland bezieht, als es dorthin exportiert.

Atom-Rückhalt bröckelt

Der lange Zeit bedingungslose Rückhalt der Franzosen für die Atomstrom-Produktion im Lande bröckelt seit der Reaktorkatastrophe von Fukushima. In einer am Sonntag vom Journal du Dimanche veröffentlichten Umfrage des renommierten Ifop-Instituts sprachen sich 62 Prozent der befragten Franzosen für einen Atomausstieg aus. Wenige Tage nach dem Erdbeben in Japan - das zur Katastrophe von Fukushima führte - waren es gerade mal etwas mehr als die Hälfte (51 Prozent).

Statt wie damals 30 Prozent sind heute nur noch 22 Prozent dafür, dass Frankreich unbeirrt an seinen Meilern festhält, die etwa 80 Prozent der Stromproduktion im Lande decken. Selbst bei den Wählern von Präsident Sarkozys bürgerlichem Lager bröckelt der Rückhalt bei dieser Frage. Aber auch die oppositionellen Sozialisten sind in Gegner und Befürworter der Atomkraft gespalten. (dpa)

Mit der definitiven Schließung von sieben deutschen AKWs verschärfen sich die Probleme. Das gilt übrigens nicht nur für die Hitze im Hochsommer, sondern erst recht auch bei extremen Temperaturschwankungen im Winter: Als das AKW Saint-Laurent gebaut wurde, hatte niemand in Betracht gezogen, dass die Loire gefrieren könnte, die zur Kühlung von vier AKWs dienen muss.

Wie Lhomme erzählt, musste im Januar 1987 der Reaktor A1 in Saint-Laurent notabgeschaltet werden, weil seine Kühlung aus der zugefrorenen Loire nicht mehr möglich war. Nur durch vorschriftswidrige Improvisationen habe der französische Stromkonzern EDF eine dramatische Entwicklung vermeiden können.

Für die Kritiker des Observatoire du nucléaire ist somit der doppelte Beweis erbracht, dass die Atomenergie keine Lösung für die Probleme des Klimawandels darstellt, sondern bei den erwarteten Temperaturausschlägen im Gegenteil gravierende Risiken birgt.

Atomstrom würde keineswegs eine Versorgung mit "günstiger" Energie garantieren, wie dies die Atomkraftlobby in Frankreich verspricht. Jetzt könne "EDF nur noch beten, dass der Regen fällt", um so zu vermeiden, dass die Mär von der zuverlässigen Energiequelle Atomkraft ein weiteres Mal auffliegt, spottet Lhomme.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • C
    Chris

    Schaltet man ein Kohle/Gas/Öl-Kraftwerk ab, produziert es keine Hitze mehr und muss auch nicht mehr gekühlt werden. Im schlimmsten Falle geht es kaputt.

     

    Schaltet man ein AKW ab, produziert es weiterhin Hitze und MUSS gekuehlt werden. Tut man das nicht geht im schlimmsten Falle alles aussen herum kaputt.

     

    Unterschied genug und Erklärung genug "was der Autor damit sagen will"?

  • D
    David

    Dadurch, dass ein KKW stets einen geschlossenen Kreislauf hat, ist es natürlich weniger effizient, als ein beliebiges anderes Wärmekraftwerk (wo der erhitzte Damf direkt in die Umgebung gelangen darf, da nicht verstrahlt).

    Im Wiki-Artikel zu "Wärmekraftwerk" kann man lesen, dass die Dampftemperatur bei KKW auf 300°C begrenzt wird. Bei anderen jedoch 570°C erlaubt sind. Dies resultiert in einer deutlichen Effizienzsteigerung (und dadurch weniger Abwärme). Darüber hinaus sind beispielsweise Kohle- und Gaskraftwerke gut skalierbar, sodass sie auch in stadtnahe Gebiete gebaut werden können. Die hier entstehende Abwärme kann dann sinnvoll zur Warmwasserversorgung genutzt werden. Dies ist ohne weiteres bei KKW nicht möglich (Entfernung, Furcht).

  • J
    Johannes

    Dass andere Kraftwerke die gleiche Menge an Kühlwasser benötigen ist schlichtweg Unsinn.

    Gruß

  • MN
    Mein Name

    Frankreich importiert nicht mehr von Deutschland als es exportiert. Das kommt an einzelnen Tagen mal vor, aber im Jahresschnitt bezieht Deutschland fast immer mehr von Frankreich als andersrum.

  • DM
    Deine Mutter

    Ralle, es gibt abseits der Dampf-, Kohle- und Kernkraftwerke noch andere Kraftwerke; die du in deinem Post nicht erwähnst. Also, was willst du uns sagen?

  • K
    Karlklar

    So ist leider die Thermodynamik und das gilt für jedes Kraftwerk was Wasserdampf einsetzt um die Turbine zu treiben.

    Mit einer Notabschaltung hat das übrigens überhaupt nichts zu tun. Da werden sich die AKW-Betreiber nämlich im Zweifelsfall für eine kurze Zeit nicht darum schreren ob der Fluss unzulässig hoch erwärmt wird.

    Was da angeblich im Winter für ein sonderlicher Vorfall gewesen sein soll würde mich uch mal interessieren. Eisscholle den Zulauf verklemmt?

    Panikmache...

    Da wir aber in einem europaischen Verbundnetz leben, sollten sich eigentlich auch die Deutschen die Schadenfreude sparen. Wenn die Franzosen im Sommer Energie zukaufen müssen, dann betrifft das auch uns. Mal sehen welche AKWs dann wieder hochgefahren werden müssen um das Netz zu stabilisieren.

  • KF
    Öko Fritz

    @ Ralle:

     

    Der Autor will sagen:

     

    Atomkraftwerke sind ebenso wetterabhängig wie man das den erneuerbaren Energieen immer vorwirft!

     

    Alle anderen Dinge wie Kühlung. Gefahr und Risiko snd sicher mittlerweile jedem klar: Ohne Kühlung fliegen uns diese Höllenkraftwerke um die Ohren!

  • MK
    Michaela K.

    @Ralle:

     

    Lass uns mal gemeinsam nachdenken.

     

    Wo ist wohl der Unterschied zwischen einem AKW und anderen Dampfkraftwerken wenn wegen Wassermangel die Kühlung zunehmend unmöglich wird?

  • J
    Josch

    @Ralle:

     

    Bei den Kohlekraftwerken sind die Braunkohlekraftwerke insofern nicht betroffen, als sie in der Regel mit Grundwasser aus den Tagebauen gekühlt werden. Gas und Kohlekraftwerke sind in der Kühlung sowieso weniger problematisch als Kernkraftwerke, da sie von Natur aus weniger effizient sind und einfacher zurückgefahren werden können.

     

    Beste Grüße!

  • K
    knusper

    nur, wenn ein kohlekraftwerk runterfährt oder notabgeschaltet wird, kann nicht so viel schiefgehen. das macht den ganzen unterschied!

  • C
    Christopher

    @Ralle: Ein Dampfkraftwerk kann man aber gefahrlos abschalten. Ein Atomkraftwerk muss weiter gekühlt werden, egal ob an oder aus. Was passiert wenn man das nicht tut sehen wir ja in Japan.

  • J
    Jens

    Kohle verstrahlt aber Deine Umwelt nicht über ein paar tausend Jahre.

  • T
    Toby

    @Ralle

    Der Autor möchte uns sagen, daß eine ausfallende Kühlung in einem Kohlekraftwerk keine Kernschmelze verursachen kann.

    Nes pas?

     

     

     

    „sprachen sich 62 Prozent der befragten Franzosen für einen Atomausstieg aus.“ – allons enfants!

  • MM
    Müller Meinung

    na , er will uns sagen, dass nach den dargestellten Erkenntnissen die Atomkraft weit stärker Risikobehaftet ist, wenn schon, wie Sie es sagen, die Kühlung "konventioneller" Kraftwerke nicht reibungslos gewährleistet werden kann.

     

    Klingt logisch, oder?!

  • T
    tillt

    @ Ralle ... habs gerade versucht eine behauptung zu googeln aber auf die schnelle nichts gefunden. Tue mir doch bitte den gefallen und konkretisiere deine These, das andere industrielle Betriebe incl. konventioneller Kraftwerke ebenfalls einen hohen kuehlwasserbedarf haben sehe ich ein, eine relevante Groesse waere jedoch die Menge an benotigtem Kuehlwasser in relation zur Energieausschuettung.

    Zumal Windraeder etc. meineswissens keine exorbitanten mengen Wasser umsetzen...

  • E
    Elvenpath

    Ralle: Der Autor will uns damit sagen, dass zu lange auf Atomkraft als Zukunftstechnologie gesetzt wurde, wir von vorne bis hinten belogen wurden, und wir endlich massiv auf eine ökologisch vertretbare Energiegewinnung umschwenken müssen.

  • K
    KlausK

    Sehr gut!

    Merkel brauchte eine Katastrophe im fernen Japan, um aufzuwachen, Sarkozy bekommt massive Schwierigkeiten im eigenen Land.

    Sarko, aufwachen!!

  • H
    Hiramas

    Das stimmt wohl in soweit, dass auch die anderen Kraftwerke abgeschaltet werden müssen, wenn es zu Warm werden sollte. Gleiches gilt bei zugefrorenen Flüssen und Kanälen. Führt halt zu Stromausfällen. Holt die Kerzen raus!

    Aber ein Gas- oder Kohlekraftwerk fliegt uns halt nicht gleich um die Ohren, sobald die Kühlung ausfällt, sondern wird abgeschaltet.

    Atomkraftwerke kann man nicht einfach abschalten, die müssen auch in runtergefahrenem Zustand weiterhin gekühlt werden (Siehe Fukushima).

    Doch schon eine etwas ernstere Situation, oder?

  • E
    edefault

    jaja, das "gute" alte Kondensationskraftwerk ...

     

    ein Auslaufmodell, nur noch zur Rettung des Geschäftsmodells der Energiekonzerne (Strom-Mono- oder Oligopol) nach dem Grundlast/Spitzenlast Paradigma geeignet - das aber überholt ist, wenn erneuerbare Energien den Vorrang im Netz erhalten: dann sind dynamische Lastfolgekraftwerke gefragt.

     

    Und auch die werden bei fortschreitender Verbrauchereffizienz, Speicherung und Dezentralisierung irgendwann obsolet.

     

    Und das ist gut so, denn letztendlich sind die fossilen Energien begrenzt - und werden damit irgendwann unbezahlbar. Die Sonne aber schickt nicht mal eine Rechnung.

  • R
    Ralle

    Ist ja alles richtig, gilt aber auch für alle anderen Dampfkraftwerke (Kohle etc.). Ausnahme solche mit luftgekühlten Kondensatoren, die haben aber einen schlechteren Wirkungsgrad. Also, was will uns der Autor sagen?