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Frankreichs Reaktion auf den AusstiegAtomkraft? Oui, merci!

Der Atomausstieg stößt in der französischen Regierung auf völliges Unverständnis. Sarkozy sprach von einer "mittelalterlichen Vorstellung". Auch die Medien kritisieren scharf.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy bei einer Konferenz zur zivilen Nutzung der Atomkraft. Bild: dpa

BERLIN taz | Der französische Premierminister François Fillon machte es kurz und bündig: "Das ist nicht unsere Entscheidung", sagte er zum deutschen Beschluss, bis 2022 ganz auf Atomenergie aus eigener Produktion zu verzichten.

In Paris verhehlt die Regierung ihren Ärger über Angela Merkels Entscheidung kaum, mit ironisch klingendem Verständnis wird sie als Folge politischer Pressionen interpretiert. Ungelegen kommt der deutsche Entschluss allemal: Er wird zwangsläufig die Skepsis bezüglich Frankreichs nuklearer Priorität in der Energiepolitik stärken.

Im Unterschied zu Deutschland, der Schweiz oder Österreich gehört Frankreich zu den Ländern, die unvermindert und weitgehend unbeeindruckt von der Fukushima-Katastrophe auf Atomkraft setzen. Sie soll Frankreich mit künstlich tief gehaltenen Preisen billigen Strom liefern – und Exporte fördern. 58 Reaktoren produzieren fast 80 Prozent des elektrischen Stroms. Die staatliche Atomindustrie und die großen nuklearen Energiekonzerne Areva, EDF und Suez-GDF bilden zusammen einen strategischen Sektor der Wirtschaft, der nicht unwesentlich zur Außenhandelsbilanz beiträgt.

Weitere Reaktionen

Schweden: Das skandinavische Land, das als alleiniger Eigner des Energiekonzerns Vattenfall direkt betroffen ist, sieht den Beschluss der Bundesregierung, aus der Atomkraft auszusteigen, kritisch. "Wichtig ist nicht das Jahr eines Ausstiegs; wichtig ist, die erneuerbaren Energien auszubauen, um so weniger abhängig von der Kernkraft und klimaschädlichen Emissionen zu werden", sagte der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren. Deutschland werde Atomstrom aus Frankreich einführen und verstärkt fossile Energien nutzen.

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Österreich: Die Alpenrepublik, in der kein Atomkraftwerk in Betrieb ist, begüßte die deutschen Pläne. Diese Entscheidung eines weiteren hoch industrialisierten Staates hat eine ganz starke Signalwirkung", erklärte Umweltminister Nikolaus Berlakovich.

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Schweiz: Die Eidgenossenschaft will ebenfalls aus der Atomkraft aussteigen, allerdings erst bis zum Jahr 2034. Das beschloss die Regierung in der letzten Woche.

Sarkozy: "mittelalterliche Vorstellung"

Die Regierung hält unerschüttert an der Atomkraft fest. Industrieminister Eric Besson sagte in einem Interview mit der Libération, Frankreich plane keinen Ausstieg und auch keinen Baustopp im EPR-Programm, der von Areva und Siemens entwickelten neuen Reaktorgeneration. Präsident Sarkozy hält die EPRs ebenso wie die bestehenden französischen AKWs für sicher, ein atomares Moratorium bezeichnete er als "mittelalterliche Vorstellung". Während des G-8-Gipfels in Deauville drängte angeblich gerade er darauf, die Kriterien von Stresstests für AKWs nicht zu streng zu gestalten.

Die Chefin des Atomkonzerns Areva, Anne Lauvergeon, versucht die deutschen Pläne zu verstehen und zu relativieren: Es handle sich um einen "rein politischen Entscheid ohne jede Volksbefragung". Sie schließt nicht aus, dass Deutschland seinen Beschluss bis 2022 wieder rückgängig machen könnte.

Electricité de France will Kapazitäten für Exporte steigern

Bei der französischen AKW-Betreiberin Electricité de France sieht man die Konsequenzen weit weniger dramatisch. Dort setzt man auf einen steigenden Stromimportbedarf Deutschlands und plant, die Produktionskapazitäten bis 2020 von 132 auf 200 Gigawatt zu steigern.

In einem scharfen Leitartikel der Wirtschaftszeitung Les Echos wird Deutschland wegen des mutmaßlich weiter steigenden Verbrauchs von Atomstrom aus dem Ausland kritisiert: "Hinter der vermeintlichen Tugend verbirgt sich eine gehörige Portion Heuchelei. Nach Italien wird auch Deutschland klammheimlich zum blinden Passagier der Atomenergie", heißt es.

Grund zur Sorge sei auch die zu erwartende größere deutsche Abhängigkeit vom russischen Erdgas. Für die französische Arbeitgeberpräsidentin Laurence Parisot könnte sich sogar ein ernstes Problem für die Wettbewerbsfähigkeit nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern der ganzen EU ergeben.

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20 Kommentare

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  • SA
    S. Atire

    @ überrascht

     

    Wunderbar!!

     

    Endlich mal jemand, der diese ganze Atompanik-Hetzpropaganda durchblickt hat!!

     

    Sie haben natürlich vollkommen recht: Verantwortungslose, paranoide Ausstiegs-Hysterikerinnen und Hysteriker gefährden unsere Versorgungssicherheit und den (natürlich wunderschönen) Wirtschaftsstandort Deutschland.

     

    Wir freuen uns daher sehr, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie sich mit dem unten nachzulesenden Kommentar erfolgreich für den Recall unserer neuen Traumtänzer-Sendung "Deutschland sucht das Super-Endlager" qualifiziert haben: Unsere allerherzlichsten Glückwünsche dafür!!

     

    Schon in den nächsten Tagen wird ein Team freundlicher und kompetenter Entsorgungs-Spezialistinnen und -Spezialisten Ihren Garten (Hinterhof / Mülleimer / PKW ...) besichtigen und im Hinblick auf eine potentielle Eignung als Endlagerstandort für - natürlich vollkommen harmlosen und sowieso auf mindestens 50.000 Jahre hinaus total sicher verpackten - KKW-Abfall begutachten. Ist das nicht wirklich super?!?

    (Anmerkung: Sie wissen natürlich - jegliche Ängste und Befürchtungen bzgl. der Sicherheit dieses Abfalls sind schlimmste, staatsgefährdende, paranoide Hysterie!!)

     

    Freuen Sie sich daher mit uns auf eine gemeinsame, strahlende Zukunft, sollten Sie zu den glücklichen Gewinnerinnen und Gewinnern unseres nationalen Standort-Wettbewerbs gehören.

     

    Mit freundlichen Grüssen

    Alfred Tom Strahlemann, Chef der Abteilung für KKW-Sicherheitspropaganda

     

    -

     

    E.ON RWE Vattenfall EnBW - Wir machen den Milliardenreibach von morgen!!!

  • V
    vic

    "Abhängig von Frankreichs Atomkraftwerken und russischem Gas"

    Applaus. Das ist exakt das, was Deutschlands Atomfreunde hören wollen.

  • F
    frenchman

    Die französichen Dummschätzer mal wieder. Keine Ahnnung vom Thema, vollkommen ignorant und dann auch noch so überheblich, dass sie uns erklären wollen, wie man es "richtig" macht.

     

    Deshalb ist wohl auch Deutschland die Nummer 1 in ganz Europa, weil alle anderen so viel schlauer sind und alles besser wissen.

     

    Auch bei Einführung des Recyclings und der Mülltrennung wurde Deutschland von allen anderen ausgelacht und für verrückt erklärt....Jahre später kamen Delegationen von allen, die uns vorher belächelt haben nach Deutschland um von uns das System für die Zukunft zu lernen und haben Deutsche Firmen sich mit dem Wissensvorsprung eine goldene Nase im Ausland verdient. Genauso wird es bei Erneuerbaren Energien sein, liebe rückständige Franzosen!

  • D
    dete

    Frankreich hat eine hervorragende CO2-Bilanz, da überwiegend elektrisch geheizt wird. Deutschland wirft die Klimaziele gerade über Bord und wird sich demnächst über steigende Energie- und Gaspreise beschweren.

    Allein der Rohstoffbedarf für die geplanten Windräder und Solarmodule ist auf dem Weltmarkt nicht zu beschaffen.

     

    Am besten, dass dann demnächst jeder kleine Enegieversorger einzeln mit Gasprom über die Gaspreise verhandeln kann und sicherlich ganz tolle Einkaufkonditionen bekommen wird.

     

    Hilfe!!

  • N
    Neutronenschnecke

    Ansonsten bin ich kein Fan von Herrn Sarkozy, aber hier hat meine Sympathie.

  • R
    rheijnelbe

    Guter grüner Atomstrom

     

    Nun kommt der gute Atomstrom eben aus Frankreich.

    Bald werden die Preise für den nun massenweise benötigten Export-Atomstrom mächtig steigen. Viel Spaß beim Zahlen!

     

    Politik nach Hutmenschen-Art.

    Simpel, heuchlerisch, bauernfängerisch und natürlich grün.

     

    So einfach ist das!

  • A
    atomfreund

    Wo wir sind, ist hinten. Vive la Président, vive la France!!!

  • IF
    IRosemarie Finke-Thiele

    Das war zu erwarten, dass Monsieur Sarkozy nicht erfreut ist : Alternativ denkende Franzosen könnte ja auf die Idee kommen, auch für Frankreich die Energiewende zu verlangen. Die Pariser Boulevards sind für Demonstrationen ideal und Parks und Bistros zum Ausruhen gibt es reichlich.

    Greenpeace auf dem Eiffelturm kann ich mir auch gut vorstellen...

    Wenn wir hier in Deutschland den Atomausstieg schaffen, geht es "nebenan" auch.

  • S
    Schorse

    Atomstrom ist sicher! Bien sur?

     

    Ist doch merkwürdig, das europäische Nachbarländer Deutschlands sich darüber echauffieren, dass sie zukünftig Atomstrom nach Deutschland glauben exportieren zu müssen.

     

    Was wäre denn aus der Sicht eines Landes, das auf Atomstromproduktion setzt und das für eine sichere und ungefährliche Produktionsweise hält, so schlimm daran, wenn sie einen Teil aus dieser aus ihrer Sicht umweltfreundlichen und gefahrlosen Produktion ohne "bösen Nebenwirkungen" nach Deutschland verkauften?

     

    Das Gezeter mancher Politiker unserer Atomstrom-produzierenden europäischen Nachbarländer ist ein Offenbarungseid, der deutlich macht, dass sie selbst nicht an das glauben was sie der Bevölkerung verzweifelt versuchen Glauben zu machen.

     

    Atomstromproduktion ist nicht sicher und sauber und das wird immer mehr Menschen in Deutschland und überall in Europa bewusst.

  • HS
    Hans Streckl

    Das werden wir ja noch mal sehen, wer hier in der Vergangenheit steckengeblieben ist.

  • O
    Ole

    Die spinnen, die Franzosen!

     

    Die werden noch ganz schön blöd aus der Wäsche schauen, wenn kaum noch einer ihre Risiko-Meiler kaufen will bzw. finanzieren kann, während die deutsche Erneuerbare-Energien-Branche boomt.

  • M
    Manuel

    Entschuldigung, aber hier fragt sich wer seine Sicht in mittelalterlichen Vorstellungen verklärt? Frankreich, mit immer und immer mehr Atommüll, der in Zukunft immer und immer mehr Land zu verseuchen droht, oder Deutschland, dass (zumindest ab 2022) keinen solchen Müll mehr produzieren wird. Frankreich, die sich dem Zukunfts- und nicht Mittelaltersektor der erneuerbaren Energien keinen Zentimeter weit öffnen, oder Deutschland, welches neben China zum wichtigsten Markt für erneuerbare Energien werden wird oder bereits ist?

    Erst denken, dann sprechen, möchte man Sarkozy wie so oft zurufen.

  • A
    anonymiser

    Die Frazosen wollen ihren Atomstrom nach Deutschland importieren?

    Das ich nicht lache - im Sommer müssen sie doch sowieso ihre AKWs vorübergehend runterfahren, da der Flusswasserpegel für die Kühlung zu niedrig ist. Und dann kaufen sie von uns...

    Aber dies scheint gar nicht thematisiert worden zu sein. Frage mich, ob alle Franzosen so blind sind, oder ob man den denkenden einfach das gehör verweigert?

    Was den deutschen Ausstieg angeht, so denke ich, es ist nur eine Farce - bis 2022. Lachnummer! Sie sollten lieber gleich zugeben, dass sie erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen wollen, und dann, wenn der der Bildleser vergessen hat, was Fukushima bedeutet (sprich: morgen früh) rudert man wieder Zurück unter die "Technologiebrücke" mit dem Hinweis, man wolle das deutsche Volk nicht in dem durch Klimaveränderung hervorgerufenen Regen ersaufen lassen!

  • HS
    Hans Siekmann

    Fall was passieren sollte, dann dürfen sie sich nicht wundern, wenn Sie einfach umgebracht werden. Als Abschreckung für Unbelehrkeit und Uneinsichtigkeit in die Notwendigkeiten der Lebenserhaltung. Was sind sie nur für ein opportunist. Grässlich. Das ich so was erleben muss.

  • B
    überrascht

    Na prima, der hysterische deutsche Michel macht sich mal wieder lächerlich in Europa, wie damals beim Waldsterben!

    Die Schwierigkeiten die Fukushima hat sind durch eine Naturkatastrophe enstanden die wir hier niemals erleben werden. Strom wird richtig teuer und alle die nicht paranoid sind müßen genau so zahlen wie der kleine Teil der Bevölkerung der auf die Straße geht. Und die AKW-Gegner werden gegen Windräder-Parks in ihrer Nachbarschaft und gegen Kohlekraftwerke demonstrieren.

    Der europäische Möchtegern-Klassenprimus ist mal wieder der Meinung:"Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!"......hat noch nie geklappt!!

  • H
    Hendrik

    Lächerlich, was die Franzosen da vom Stapel lassen. Aber was war von denen auch zu erwarten? Kein anderes Land sitzt dermaßen tief in der Atomsuppe wie sie.

  • D
    D.B.H

    Da kann man nur hoffen, dass der Rest Deutschlands, genauso einen Scheiß auf die Meinungen französischer Konservativer und Atomlobbyisten gibt, wie ich.

     

    Vive la Atomausstieg!

  • W
    Waldküre

    Nicht nur die Franzosen verstehen uns nicht mehr. Unsere Nachbar verstehen die Welt und die Art wie sie leben wollen, anders als wir. Ich fürchte das wird nicht lange gut gehen. Man wird sich gegenseitig überzeugen wollen - hoffentlich nur mit inhaltlichen Argumenten. Irgendwie beschleicht mich so langsam ein ungutes Gefühl, was Mitteleuropa anbetrifft.

  • DP
    Daniel Preissler

    Ils sont fous, les Gaulois !

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Ignorante, interessengeleitete Schwachköpfe.