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Atomkraftgegner über Ampelkoalition„Die Grünen müssen jetzt handeln“

Der Atomausstieg ist noch nicht abgesichert, auch die Urananreicherung in Deutschland kann beendet werden, sagt Atomkraftgegner Eickhoff.

Münster, April 2020: Atom­kraft­geg­ne­r:in­nen demonstrieren gegen den Castortransport aus Gronau Foto: Rupert Oberhäuser/imago
Interview von Andreas Wyputta

taz: Herr Eickhoff, im Koalitionsvertrag der Ampel versprechen SPD, Grüne und FDP, den „Atomausstieg abzusichern“. Ist die Anti-Atom-Bewegung damit zufrieden?

Matthias Eickhoff: Nein. Viele Fragen bleiben offen. Denn im Atomausstiegsgesetz, das nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossen wurde, klaffen riesige Lücken. Die Urananreicherungsanlage Gronau, die Brennelemente-Fabrik Lingen und der Forschungsreaktor Garching haben noch immer unbefristete Betriebsgenehmigungen. Wir fordern von der neuen Bundesregierung: Diese Atomanlagen müssen so schnell wie möglich stillgelegt werden.

Warum?

Die UAA Gronau beliefert jeden zehnten Atomreaktor weltweit mit Uranbrennstoff. Das soll laut bisheriger Planung auch nach Ende 2022, wenn die letzten deutschen AKW heruntergefahren werden, so weiter gehen. Dabei entstehen in Gronau jedes Jahr rund 5.000 Tonnen Atommüll, der billig in Russland entsorgt wird. Die Fässer mit radioaktivem Abfall aus Gronau rosten am Ural unter freiem Himmel. Die Umweltschutzorganisation Ecodefense des Trägers des Alternativen Nobelpreises, Vladimir Slivyak, protestiert seit 15 Jahren dagegen.

Und Lingen und Garching?

Die Brennelemente-Fabrik Lingen versorgt gefährliche Hochrisiko-Reaktoren wie Doel und Tihange in Belgien und Cattenom in Frankreich. Und der Forschungsreaktor Garching wird mit hochangereichertem und damit atomwaffenfähigem Uran betrieben. Das ist rechtswidrig.

Gerade die FDP dürfte von Stilllegungsplänen wenig begeistert sein.

FDP-Chef Christian Lindner hat im NRW-Landtag 2017 ein Ende der Brennelemente-Transporte nach Belgien gefordert – schließlich haben die Reaktordruckbehälter in Tihange und Doel Tausende Risse. Auch die SPD steht im Wort: Deren Umweltministerin Svenja Schulze hat das Ende der Atomanlagen in Gronau und Lingen gefordert – und beklagt, sie werde von der CDU ausgebremst.

Und jetzt?

privat
Im Interview: Matthias Eickhoff

55, arbeitet als Politikwissenschaftler und Übersetzer. Er ist einer der Sprecher des Aktionsbündnisses Münsterland gegen Atomanlagen

Jetzt werden die entscheidenden Ministerien von den Grünen geführt. Als Umweltministerin muss Steffi Lemke schnell einen Stilllegungsfahrplan aufstellen. Und Robert Habeck muss als zuständiger Wirtschaftsminister ein Exportverbot von angereichertem Uran, von Brennelementen und von Uranmüll durchsetzen.

Der Koalitionsvertrag sagt dazu allerdings nichts.

Ausdrücklich erwähnt werden Gronau, Lingen und Garching nicht. Es heißt aber klipp und klar: „Wir stellen uns der Verantwortung für die radioaktiven Abfälle.“ Außerdem verspricht die Ampel, sich für die „Abschaltung der grenznahen Risikoreaktoren einsetzen“ zu wollen. Die Grünen haben also klare Aufträge im Koalitionsvertrag. Jetzt müssen sie handeln – auch Außenministerin Annalena Baerbock.

Wieso Baerbock?

Die Technologie der Urananreicherung steht auch für die Fähigkeit, Atombomben zu bauen. Jedes Land, das über diese Technologie verfügt, ist eine stille Atommacht – das zeigt der Streit über das iranische Atomprogramm. Eine Stilllegung der UAA Gronau wäre deshalb auch außenpolitisch ein starkes Signal des Friedens: Es wäre das erste Mal, dass ein Staat freiwillig auf die Urananreicherung verzichtet.

Aber die Bundesrepublik ist doch dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten?

Dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag aber nicht. Hierzu heißt es im Koalitionsvertrag nur, die Ampel wolle „die Intention des Vertrags konstruktiv begleiten“. Die Anti-Atom-Initativen fordern deshalb den Abzug der US-Atomwaffen vom Luftwaffenstützpunkt Büchel in der Eifel. Das und die Stilllegung der UAA Gronau wären zwei sehr konstruktive Schritte hin zu einer Welt ohne Atomwaffen.

Ist das realistisch?

Die Urananreicherung ist ein milliardenschweres globales Business. Die UAA-Betreiberfirma Urenco will sogar beim Bau neuer Reaktoren dabei sein. Auf EU-Ebene wird aktuell ein Greenwashing der Atomenergie betrieben. Die grünen Mi­nis­te­r:in­nen müssen deshalb jetzt schnell handeln – Atomenergie ist und bleibt brandgefährlich.

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7 Kommentare

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  • Schöner, informativer Artikel. Vielen Dank für die Weitergabe der Informationen.

  • Was soll eine "Absicherung des Atomausstiegs" überhaupt sein? Wer hindert die übernächste Regierung nach dem Eingeständnis des Scheiterns der dt. Energiewende so ca. 2030 daran, die Atomenergie als einzige Möglichkeit eines deutschen Ausstiegs aus der fossilen Stromerzeugung wieder zu nutzen?

  • Leben die immer noch in den 80er? Die meisten jungen Menschen haben verstanden, dass wir Kernenergie brauchen, um den Klimawandel zu bewältigen.

  • Mir ist nicht ganz klar warum auch die Forschungsreaktoren abgeschaltet werden sollen. Warum muss Deutschland aus der Forschung einer Technologie aussteigen die ganz sicher noch für Jahrzehnte global von vielen Ländern genutzt werden wird? Das kommt dann als Forderung von der Fraktion die seit einiger Zeit immer behauptet es müsse auf die Wissenschaft gehört werden.

    • @Šarru-kīnu:

      Treffender Kommentar.

      Deutschland wird sowieso nie über Atomwaffen verfügen. Das würden die Atommächte USA, Russland, Frankreich und das Vereinigte Königreich mit Sicherheit verhindern - wenn es denn überhaupt entsprechende Bestrebungen Deutschlands gäbe. Es fordert aber hierzulande praktisch niemand, dass Deutschland sich atomar bewaffnen solle.

  • >> Eine Stilllegung der UAA Gronau wäre deshalb auch außenpolitisch ein starkes Signal des Friedens > Es wäre das erste Mal, dass ein Staat freiwillig auf die Urananreicherung verzichtet.

  • Vielen Dank für das Interview und vor allem das Engagement von Herrn Eikhoff. Es bleibt zu Hoffen das die taz die Atom- und Rüstüngspolitik der neuen Regierung kritisch Begleitet und nicht vollends auf das Dudenhöffer Auto aufspringt.