Atomkraft in Finnland: Problem-Reaktor geht ans Netz
Olkiluoto-3 geht nach fast zwei Jahrzehnten Bauzeit in Betrieb. Finnland plant mit 60 weiteren Jahren Atomstrom.
Während Deutschland aus der Atomkraft aussteigt, stockt Finnland seine Atomstromproduktion auf. Viereinhalb Jahrzehnte nach Inbetriebnahme der bisherigen vier finnischen Reaktoren soll in der Nacht zum Sonntag der fünfte seinen regulären Betrieb aufnehmen. Es wird der bislang leistungsstärkste, teuerste und der mit der längsten Bauzeit: Olkiluoto-3. Geht alles nach Plan, wird Finnland sich mit diesem in Frankreich entwickelten Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) weitere 60 Jahre von Atomstrom abhängig machen.
„Finnlands größtes Klimaprojekt“ oder „das mächtigste Atomkraftwerk der Welt“, wie die PR-Abteilung der Betreiberfirma abwechselnd schwärmt, wird mit seinen dann drei Reaktoren auf der Ostseeinsel Olkiluoto in den kommenden Jahren für rund 30 Prozent der finnischen Stromproduktion stehen. Der neue dritte Reaktor mit seinen 1.600 Megawatt Leistung allein für 14 Prozent.
Lange Bauzeit, zahlreiche Pannen
Warten musste man darauf wahrlich lange genug. Den Auftrag für den damals ersten Reaktorneubau Europas seit mehr als einem Jahrzehnt hatte das Baukonsortium mit der französischen Areva und dem deutschen Siemens-Konzern 2003 bekommen. Nach dem Baubeginn 2005 war mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2009 gerechnet worden. Doch die Fertigstellung verspätete sich um 14 Jahre. Mit geschätzt 12 Milliarden Euro wurde der Bau auch rund viermal so teuer wie kalkuliert.
Was allerdings noch relativ preisgünstig ist im Vergleich zum EPR im französischen Flamanville, dessen Bau im Jahre 2007 begonnen hatte. Hier kauten letzte Schätzungen des französischen Rechnungshofs auf Kosten von 19,1 Milliarden Euro. Die schon mehrfach verschobene Inbetriebnahme ist nun für das Frühjahr 2024 geplant.
Für den dritten Olkiluoto-Reaktor hatte die finnische Atomaufsichtsbehörde bereits im März 2019 die Betriebsgenehmigung erteilt. Und nach Beginn des Probebetriebs im Dezember 2021 war eigentlich damit gerechnet worden, dass dieser ab Juni letzten Jahres seine reguläre Produktion werde aufnehmen können.
Die Pannenserie, die den Bau von Anfang an verspätet und verteuert hatte, hielt an. Im Turbinensystem wurden lose Teile gefunden und bei den von Siemens gelieferten Speisewasserpumpen Schäden entdeckt. Dann gab es Probleme mit der Steuerungstechnik und zuletzt mit dem Ventilsystem.
Aufwändige Reparaturen wurden schon vor Aufnahme des Regulärbetriebs notwendig. Die nicht eingeplante Stromlücke musste mit teurem Importstrom gedeckt werden, was sich in der Haushaltskasse der FinnInnen empfindlich bemerkbar machte. Zeitweise zahlten sie die höchsten Stromtarife in Nordeuropa.
Für finnische Verhältnisse sind so große Kraftwerke ganz einfach problematisch, sagt Juhani Hyvärinen, Professor für Energietechnik an der Universität Lappeenranta. Produktionsausfälle oder -schwankungen führten dann nämlich schnell zu großen Störungen im Netz. Aber Helsinki will offenbar für mehrere weitere Jahrzehnte auf Atomkraft setzen.
Die Grünen in Finnland sind für Atomkraft
Die insgesamt fünf Reaktoren an den AKW Standorten Olkiluoto und Loviisa stehen für rund 40 Prozent der Stromproduktion des Landes. Vor zwei Monaten verlängerte die sozialdemokratisch geführte Regierung von Sanna Marin auch die Betriebslizenz für die beiden Reaktoren sowjetischer Bauart des AKW Loviisa bis zum Jahr 2050. Die waren 1977 bzw 1981 ans Netz gegangen und würden dann rund 70 Jahre in Betrieb sein.
Hatten die finnischen Grünen noch 2002 aus Protest gegen die Genehmigung des Reaktorprojekts Olkiluoto-3 die Regierung verlassen, erhoben sie als Teil der letzten Koalitionsregierung weder Einwände gegen die Inbetriebnahme dieses Reaktors noch zu den Laufzeitverlängerungen. Auch zum möglichen Bau neuer Kleinreaktoren (SMR) würde man wohl nicht Nein sagen.
Im Parteiprogramm für die Legislaturperiode 2023-2027 heißt es zum Thema Atomkraft: „Zu einer nachhaltigen Energiepalette gehört die Kernkraft.“ Und: „Wir werden den derzeitigen finnischen Kernreaktoren eine Genehmigung zur weiteren Stromerzeugung erteilen, wenn die Behörde für nukleare Sicherheit den Weiterbetrieb für sicher hält. Wir werden das Kernenergiegesetz erneuern und die Regelung insbesondere für kleine Kernreaktoren flexibler gestalten, ohne die Sicherheit zu beeinträchtigen.“
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