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Asylverfahren in DrittstaatenWohl möglich, kaum praktikabel

Die Union fordert, Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU zu verlagern. Nun legt die Bundesinnenministerin einen Prüfbericht vor.

Skeptisch, wenn es um Asylverfahren außerhalb der EU geht: Gerade-noch-so-Innenministerin Nancy Faeser (SPD) Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin rtr | Das Bundesinnenministerium hält die Verlagerung von Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union (EU) für grundsätzlich denkbar, sieht aber sehr hohe rechtliche Hürden und praktische Schwierigkeiten. Dies geht aus dem am Sonntag vom Ministerium veröffentlichten Abschlussbericht hervor, mit dem die Ministerpräsidentenkonferenz das Ministerium beauftragt hatte.

„Kooperationen mit Drittstaaten können ein weiterer Baustein sein, um irreguläre Migration zu begrenzen“, erklärte die scheidende Innenministerin Nancy Faeser (SPD), deren Amt in wenigen Tagen der CSU-Politiker Alexander Dobrindt übernehmen soll. „Die Erfahrungen in Großbritannien zeigen aber auch, dass solche Versuche auch immense Kosten verursachen und auf ganzer Linie scheitern können“, warnte Faeser. Dies müsse „in eine realistische Betrachtung einfließen“.

Im Streit über die Begrenzung der Migration war immer wieder die Forderung aufgekommen, Asylanträge bereits außerhalb der Europäischen Union (EU) zu prüfen. Eine Umsetzung verschiedener Drittstaatenmodelle wäre dem Prüfbericht zufolge nur bei teils wesentlichen Änderungen des deutschen und des EU-Rechts möglich. „Zugleich bestehen gewisse rechtliche Risiken, und die Steuerungswirkung dieser Modelle erscheint ungewiss“, heißt es in dem 37-seitigen Bericht. „Darüber hinaus ergeben sich teils erhebliche praktische Herausforderungen und Hürden.“

Über mögliche politische Schlussfolgerungen aus dem Bericht werde die künftige Bundesregierung zu entscheiden haben, teilte das Innenministerium mit. In dem Bericht wird auch hervorgehoben, dass eine Verlagerung in Drittstaaten auf bestimmte Personengruppen beschränkt werden müsste. Und dass derzeit keine sicheren Drittstaaten zu entsprechenden Kooperationen bereit seien.

„Taugt nicht als Massenverfahren“

„Die Erfahrungen anderer Staaten sowie die im Bericht (…)ausführlich dargelegten Herausforderungen und Schwierigkeiten führen dazu, dass die Anwendung des Drittstaatenkonzepts nicht als Massenverfahren taugt“, heißt es in dem Bericht. „Es kann allenfalls einen Baustein von vielen zur Migrationssteuerung darstellen. Hierfür wäre es notwendig, seine Anwendung auf bestimmte Fall- oder Personengruppen zu beschränken.“

Eine Umsetzung sicherer Drittstaatenkonzepte könne allenfalls auf europäischer Ebene gelingen. „Auch Dänemark hat nationale Pläne zur Durchführung von Asylverfahren in Ruanda Anfang 2023 auf Eis gelegt und setzt sich seitdem für eine europäische Lösung ein“, heißt es im Bericht. „Absehbar scheint nur eine relativ kleine Anzahl von Staaten in relevanten Regionen überhaupt für ein Drittstaatenmodell (…) infrage zu kommen. (…) Allerdings gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass diese Drittstaaten bereit wären, über eine entsprechende Kooperation zu verhandeln.“

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4 Kommentare

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  • "Die Union fordert, Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU zu verlagern."



    Als es die italienischen Postfaschisten versuchten, war es ein Skandal.



    Als es die Briten versuchten, war es Unrecht.



    Inzwischen bedeutet es nur noch eine 'rechtliche Prüfung'. Ausgerechnet in Deutschland!

  • Das ist ein eindeutiges Ergebnis.



    Es spiegelt die Position wider, die die Innenministerin, sowie zumindest der rot grüne Teil der Ampel bereits im vergangenen Jahr vertreten hat.



    Mit dem vorliegenden Papier wird die Position untermauert.



    Es wird hierdurch nochmals deutlich, dass die SPD , als verbliebener Teil der Ampel, in der kommenden Regierung nicht die cDU Position übernommen hat.



    Es mag sein, dass der zukünftige Innenminister die nicht rechtskonformen cDU Pläne durchzusetzen versucht, doch angesichts der Vorlage ist dies zum Scheitern verurteilt.



    Das ist eine gute Nachricht!

  • Maximal versagt in Sachen Innenpolitik und Migration. Doch es wird demnächst noch schlimmer. Es kommt der Mautverlierer und wird an der Migration wiederholt grandios scheitern. Mit dem Unterschied das es hierbei um Menschenleben geht und nicht nur um bürokratisches Geldverdienen. Die wenigen Alten aus der Kreigsgeneration sind leider schon zu wenig, um hier noch den Hebel rum zureissen. Es bleibt nur mehr unsere Entschuldigung an alle Betroffenen, die ein Herr Spahn noch nicht einmal fertig bringt. Armes Deutschland.

  • Es wäre nett, wenn der Mief des Populismus auch bei diesem Politikfeld nüchterner Analyse wiche.



    Wobei ich annehme, dass die Union eigentlich nicht so vollhonk war, das nicht schon vorher zu wissen - sie wollte halt mal bräunlich blinkern.