Asylprotest in Berlin: Hungerstreik im Regen
Seit zwei Tagen befinden sich Flüchtlinge vor dem Brandenburger Tor im Hungerstreik. Sie fordern mehr Rechte – aber die Politik ignoriert sie.
BERLIN taz | Es hört nicht auf zu regnen. Sadegh Farahani hat sich unter ein blaues Regencape auf den Boden gehockt, umklammert mit seinen Armen die angewinkelten Beine. Der Regen, sagt der 40-jährige Iraner, mache es schwer diesmal. Alles sei nass, er könne nicht schlafen. „Aber wir müssen durchhalten.“
Seit Mittwochnachmittag befinden sich 23 Flüchtlinge im Hungerstreik, direkt vorm Brandenburger Tor. Schon vor einem Jahr protestierten dort Asylsuchende auf diese Weise für mehr Rechte. Nach einer Einladung in den Bundestag brachen sie die Aktion ab.
Farahani war schon damals dabei: Die aktuellen Hungerstreiker kommen aus Bayern, viele traten bereits im Juni in München in einen neuntägigen Hungerstreik, verweigerten am Ende auch das Trinken. Die Polizei räumte den Protest.
Ihnen seien Gespräche versprochen worden, sagt Elsa Mesfen, eine von zwei Frauen der Hungerstreikenden, die wegen ethnischer Konflikte aus Äthiopien floh. „Aber alles wurde abgesagt. Deshalb sind wir hier.“ Auch Farahani, früher oppositioneller Journalist im Iran, sagt, nichts habe sich für ihn im letzten Jahr verbessert. „Also muss ich weiterkämpfen.“
Mahnwache ohne Schlafsack
Der Kampf aber ist harsch: Nur auf Schaumstoffstreifen sitzen und schlafen die Flüchtlinge, umströmt von Touristen. Mit Regenschirmen schützen sie sich vor der Witterung. Zelte und Schlafsäcke gestattet die Polizei nicht, auch wenn der Protest als Mahnwache gestattet ist.
Ihren Hungerstreik knüpfen die Flüchtlinge an die gleiche Forderung wie in München: die Annahme ihrer Asylanträge. Nur reagiert die Politik bisher nicht. Vor einem Jahr kam noch die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) vorbei, organisierte das Treffen im Bundestag.
Am Donnerstag verwies Böhmer nur auf die „Zuständigkeit“ des Berliner Senats. Dort äußerte sich einzig Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD): Berlin habe bereits nach dem letzten Hungerstreik „zukunftsweisende Vorschläge gemacht, aber die Bundesregierung sich verweigert“. Es brauche eine „neue deutsche Asylpolitik“. Ein Hungerstreiker sagt, die Politiker werden schon kommen. Wenn nicht, werde man den Protest verschärfen.
Flüchtlinge aus Lampedusa
Mit dem Hungerstreik spitzt sich der Asylprotest in Berlin zu. Denn parallel demonstrieren seit einem Jahr auf dem Kreuzberger Oranienplatz Flüchtlinge mit einem Protestcamp. Die meisten Bewohner sind über Italien gekommen, viele über Lampedusa eingereist. Laut der Sozialverwaltung hat Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) für die Flüchtlinge ein Haus in Friedrichshain-Kreuzberg für den Winter gefunden, das er der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) anbieten will.
Am Hungerstreik beteiligen sich die Oranienplatz-Protestler nicht, rund 20 von ihnen kommen dennoch zum Brandenburger Tor. Sie besetzen das Foyer der benachbarten Vertretung der Europäischen Kommission. In Gedenken an das Lampedusa-Unglück stellen sie Grablichter auf, kleben Plakate: „Stop killing refugees“.
Die Komissions-Vertretung lässt gewähren. Eine Beamtin sagt, sie könne die Sorgen verstehen. „Wir wollen kein Verständnis“, sagt Flüchtling Patras Bwansi. „Wir wollen, dass sich was ändert.“
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