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Asyl-Anfrage der LinksfraktionLieber nicht nach Eisenhüttenstadt

Sind die Chancen auf einen positiven Asylbescheid in verschiedenen Regionen Deutschlands unterschiedlich hoch? Neue Regierungszahlen weisen darauf hin.

Eine Geflüchtete gibt zur Registrierung ihre Fingerabdrücke in Eisenhüttenstadt ab Foto: dpa

Berlin dpa/taz | Asyl-Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) fallen in manchen Außenstellen der Behörde deutlich anders aus als in anderen.

So erhielten im vergangenen Jahr 98,6 Prozent der Menschen aus Somalia, über deren Asylanträge in München entschieden wurde, eine Form von Schutz. Im brandenburgischen Eisenhüttenstadt dagegen lag die Gesamtschutzquote für An­trag­stel­le­r*in­nen aus Somalia nur bei 50 Prozent. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervor, über die die dpa berichtet.

Deutliche Unterschiede gibt es auch bei An­trag­stel­le­r*in­nen aus Afghanistan. Ihre Gesamtschutzquote lag in der Mehrheit der örtlichen Bamf-Büros bei über 90 Prozent. In der Außenstelle Eisenhüttenstadt waren es lediglich 60,8 Prozent. Die Erklärung der Bundesregierung, die auf einen niedrigeren Anteil weiblicher Schutzsuchender aus Afghanistan an diesem Standort verweist, ist aus Sicht der Linken nicht überzeugend.

„Ich möchte mal wissen, was in Eisenhüttenstadt los ist“, sagt die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. „Im Asylverfahren müssen gleiche Chancen für alle gelten.“

Asyl-Aktivist*innen hatten schon in der Vergangenheit auf auffällige Zahlen in Eisenhüttenstadt hingewiesen und die Rechtfertigungen der Behörde als unlogisch zurückgewiesen.

Weniger erfolgreiche Klagen

Deutschlandweit, auch das ergibt die Antwort auf die Linken-Anfrage, haben deutsche Verwaltungsgerichte 2024 weniger Klagen gegen Asylbescheide stattgegeben als in den Jahren zuvor. Demnach klagten im vergangenen Jahr lediglich 18 Prozent der Schutzsuchenden erfolgreich gegen eine Entscheidung des Bamf.

In der Vergangenheit war die Quote teils deutlich höher. 2023 hatten die Gerichte noch 24,4 Prozent der Bamf-Entscheidungen kassiert. 2022 lag die gerichtliche Aufhebungsquote bei den Verfahren, die sich nicht aus formalen Gründen erledigten – etwa wegen einer Rücknahme der Klage – bei 36,5 Prozent.

Der gestiegene Anteil der abgelehnten Klagen deutet auf eine verbesserte Entscheidungspraxis des Bamf hin. Das mag damit zusammenhängen, dass die Behörde im vergangenen Jahr weniger neue Asylanträge zu bearbeiten hatte als 2023, was eine gründlichere Bearbeitung begünstigt haben könnte. In Deutschland stellten 2024 insgesamt 229.751 Menschen erstmals einen Asylantrag. Hinzu kamen 21.194 Asylfolgeanträge. Die Zahl der Erstanträge ging im Vergleich zum Vorjahr um 30,2 Prozent zurück.

Laut Bundesregierung beschäftigen sich beim Bundesamt aktuell 2.747 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Bearbeitung von Asylanträgen. 396 Bamf-Beschäftigte kümmern sich um sogenannte Dublin-Verfahren, die Asylbewerber betreffen, für deren Antrag ein anderes europäisches Land zuständig ist. 117 Beschäftigte werden für Widerrufs- und Rücknahmeverfahren eingesetzt. Ein Widerruf des Schutzstatus steht an, wenn sich die Lage im Herkunftsland grundlegend geändert hat. Rücknahmeverfahren gibt es, wenn Hinweise auftauchen, dass jemandem zu Unrecht Schutz gewährt wurde, etwa bei falschen Angaben zur Identität.

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5 Kommentare

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  • In Eisenhüttenstadt läuft was schief.



    Wobei sich die Rechtslage drastisch geändert hat, eine Rückführung innerhalb Dublin geht z.B. für Griechenland mit der Begründung, dass Afghanen und Syrer, die männlich und über 18 sind, dort in Pennerübernachtungsstellen schlafen und auf dem Grau- und Schwarzmarkt des Landes arbeiten können, dort seien sie nicht mehr durch die Taliban (und früher Assad) in Gefahr, dies reiche aus, um ein Asylgesuch in Deutschland so abzulehnen, dass das Verfahren eben dort durchzuführen sei.



    Das ändert dann sehr viel.



    Aber in Eisenhüttenstadt geht die Entscheidungsbefugnis nach meiner Einschätzung über Dublin hinaus, die wollen da möglichst selten positiv bescheiden und das scheint dort (zunächst) zu gehen. Ich habe auch zig Menschen kennengelernt, die noch im Asylverfahren aus den ostdeutschen Bundesländern wegziehen wollten. Es scheint dort insgesamt nicht angenehm zu sein, als Asylbewerber dort leben zu müssen. Das BAMF muss aber für gleiche Standards sorgen, so kann das m.M. nicht weitergehen. Und der Leiter dort muss mal in die Zentrale bestellt werden ...

    • @Andreas_2020:

      Die hier thematisierte Statistik beinhaltet nicht die formelle Ablehnungen (Dublin-Fälle), sondern ausschließlich die inhaltlich entschiedenen Asylanträge. Und dabei wird Mensch also in Eisenhüttenstadt sehr viel seltener als anderswo politisch verfolgt anerkannt :-(

  • Sieben Jahre lang war ich in einem Jobcenter in einer Großstadt in Norddeutschland beschäftigt. Mit Spezialisierung für Flüchtlinge.



    Auffällig waren die Hinzugezogenen aus den ostdeutschen Bundesländern. Warum: weil dort (in Ostdeutschland) die Chancen einer Abschiebung ziemlich hoch waren.

    Es gibt nunmal den "Königsteiner Schlüssel ".

    Und das ist gut so.

    • @skytalker07:

      Wer es zum Jobcenter geschafft hat, besitzt auch bereits eine Flüchtlingsanerkennung. Asylsuchende mit noch offenem Verfahren müssen zum Sozialamt.



      Fakt ist aber der größere Rassismus im Osten. Der ist statistisch signifikant nicht nur bei Wahlen, sondern offenbar auch in den Asylämtern. Dass anerkannte Geflüchtete dort wegziehen möchten ist sehr nachvollziehbar.

  • Wer hätte das gedacht? Ich. Schon lange predige ich, dass Asyl schon lange nicht sicher ist in Deutschland. Es wird von Menschen gewährt und Menschen sind eben stellenweise - und leider auch immer mehr - Rassisten. Wer der AfD oder CDU zugetan ist, wird mit Sicherheit die Schutzbedürftigkeit von Geflüchteten "anders" bewerten als jemand, dem es um den Schutz von Geflüchteten geht. Menschen, die nichts anderes im Kopf haben als Geflüchtete um jeden Preis aus Deutschland raus zu bekommen, sind eben anders, aber zahlreich.

    Und vor allem: diese völlig zu Unrecht abgewiesenen Menschen sind es dann demnächst, die nichts verbrochen haben, aber in Abschiebe-Haftanstalten eingesperrt werden. Ohne etwas verbrochen zu haben, ohne Anklage, ohne rechtsstaatlichen Prozess. Wir müssen nicht auf die AfD warten, die CDSU zerstört bereits unsere Demokratie. Und die SPD wird ihr dabei willig zur Seite stehen. Natürlich wäre diese Behandlung auch unglaublich wenn ihr Asylantrag zu Recht abgewiesen werden, denn (noch) ist das Stellen eines Antrags auf Asyl nicht strafbar in Deutschland. Aber die CDSU arbeitet daran.

    Eigentlich will ich nicht wissen, wie es hier in 4 Jahren aussieht.