Asta-Mitglied über Militärforschung: „Als geheim eingestuft“
Der Asta in Hannover fordert von der Uni eine Zivilklausel, um auszuschließen, dass dort militärische Forschung betrieben wird.
taz: Warum fordern Sie, dass die Leibniz Uni Hannover (LUH) eine Zivilklausel einführt?
Gerald Wiese: Mit einer Zivilklausel verpflichten sich Universitäten, ausschließlich zu zivilen Zwecken zu forschen. In Deutschland haben mehr als 60 Hochschulen solche Klauseln. In Niedersachsen wurde die Zivilklausel 2002 aus dem Landeshochschulgesetz entfernt. Die Unis in diesem Bundesland sind also nicht mehr nur der zivilen Forschung verpflichtet. Wir als Asta setzen uns für eine Zivilklausel ein, die jegliche Forschung delegitimiert, die militärisch genutzt wird.
Wo und wie wird in Hannover für militärische Zwecke geforscht?
Bei manchen Projekten ist klar, dass sie militärisch oder polizeilich genutzt werden, bei anderen wissen wir es nicht, aber die Befürchtung liegt nahe. Generell gibt es militärisch relevante Forschungsprojekte vor allem im IT-Bereich. Zwischen 2011 und 2015 sollen nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung fast sechs Millionen Euro aus dem Verteidigungsetat der Bundesregierung an die Uni geflossen sein. Und eine Abfrage der Landesregierung hat 2014 ergeben, dass es in Hannover neun entsprechende Projekte mit einer Fördersumme im Umfang von fast vier Millionen Euro gab. Etliche Forschungsprojekte sind als geheim eingestuft, deshalb fordern wir neben einer Zivilklausel auch die Einführung einer verbindlichen Transparenzklausel.
Der frühere Uni-Präsident Erich Barke hat gesagt, dass an der LUH nicht an Waffen geforscht wird …
Wir sind gegen jegliche Forschung, die militärisch genutzt wird – auch wenn sie teilweise einen zivilen Nutzen haben könnte. Oft lassen sich zivile und militärische Forschungszwecke doch gar nicht trennen – Stichwort „Dual Use“. Mehrere Institute der Uni forschen etwa an Drohnen. Die können künftig als Transportmittel oder für den Lieferservice dienen, sind gleichzeitig aber auch zentraler Bestandteil moderner Kriegsführung. Im Inland ermöglichen Drohnen eine flächendeckende Überwachung, bei der Daten in Echtzeit ausgewertet werden können. An der Uni gibt es weitere Projekte zur Verarbeitung von Daten und Bildern.
Gerald Wiese, 24,
studiert im Master-Studiengang Informatik an der Leibniz Universität Hannover und ist im Allgemeinen Studierenden-ausschuss (Asta) aktiv.
Haben Sie Beispiele?
Die Software „WIPKA-QS“ vom Institut für Informationsverarbeitung der Uni wird von der Bundeswehr verwendet, um bei Auslandseinsätzen automatisiert die Landschaft zu kartographieren. Dasselbe Institut forscht auch an Radaren, an der Analyse von menschlichen Gesichtern und an der automatisierten Erkennung und Verfolgung von Personen und Objekten in Videos. Ein weiteres Projekt, das in Hannover mitentwickelt wird, ist „CAMINSENS“. Mit dieser Software erproben Bundespolizei, BKA und Deutsche Bahn die sogenannte intelligente Videoüberwachung. Die Software soll Gesichter erkennen und Personen über mehrere Kameras hinweg nachverfolgen können. Sie wurde in Kombination mit anderer Software, die auch Gesichter erkennen soll, am Bahnhof Berlin-Südkreuz schon getestet.
Ihrer Broschüre zufolge unterstützt die Uni Hannover durch Forschungen auch die militärische Sicherung der EU-Grenzen.
Ja. Das Institut für Rechtsinformatik will rechtliche und ethische Fragen des Projekts „iBorderCtrl“ klären. Das ist eine Überwachungssoftware durch Künstliche Intelligenz, die von der EU-Grenzschutzagentur Frontex schon an verschiedenen Grenzen von „Freiwilligen“ getestet wird. Die Einreisenden sollen ein aufgezeichnetes Interview führen und Daten liefern. Daraus wird dann ein „Risikoscore“ errechnet.
Und was erfolgt daraus?
Ein hoher „Risikoscore“ führt zu intensiveren Kontrollen. Für die Befragung wird auch eine Art Lügendetektor benutzt. Wir befürchten, dass „iBorderCtrl“ zukünftig auf Flüchtende ausgeweitet wird und die „Freiwilligkeit“ aufgehoben wird. Während Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Instituts das bestreiten, hat der Koordinator des EU-Projekts bestätigt, dass es sich gegen die „Flüchtlingskrise“ richtet.
Welche Rolle spielen Bundeswehr und Rüstungsunternehmen an der Uni?
In der Uni wird jedes Jahr die Karrieremesse „Kiss Me“ ausgerichtet. In den vergangenen Jahren waren die Bundeswehr und mehrere Unternehmen dabei, die sich auch im Rüstungsbereich betätigen. 2017 zum Beispiel der IT- und Ingenieurdienstleister „Ferchau“, der Marineschiffe ausrüstet, und „MTU“. Das Unternehmen baut Triebwerke auch für Kampfhubschrauber. 2018 wurden neben der Bundeswehr sogar gleich sechs Unternehmen mit Rüstungsbezug eingeladen. Die haben an der Uni nichts zu suchen.
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