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Asiens GroßmächteChina umwirbt Indien

Nach langer Eiszeit sucht Peking in Delhi die Wiederannäherung. Doch noch fehlt das Vertrauen. Schließlich hat Peking enge Kontakte zu Pakistan.

Festnahme einer Exil-Tibeterin, die am Montag vor der chinesischen Botschaft in Delhi gegen die Regierung Chinas protestiert Foto: Manish Swarup/ap

Mumbai taz | In einer Zeit, in der Indien unter massivem Druck von US-Zöllen und einer engeren amerikanisch-pakistanischen Achse steht, wirbt Chinas Außenminister Wang Yi in Del­hi für eine Normalisierung der Beziehungen. Sein Besuch zu Wochen­beginn kommt ­Delhi deshalb auch gelegen.

Am Dienstag fand das zweite hochrangige Treffen zur umstrittenen Grenzfrage seit dem Konflikt im Galwan-Tal 2020 statt. Damals starben Soldaten auf beiden Seiten, die Beziehungen froren ein. Nun warb Wang in Delhi für Partnerschaft statt Rivalität und für Investitio­nen in die bilaterale Entwicklung.

China und Indien sollten ein korrektes strategisches Verständnis entwickeln

Wang Yi, Außenminister Chinas

Wang betonte, China und Indien sollten ein „korrektes strategisches Verständnis“ entwickeln. Als große Entwicklungsländer müssten beide Verantwortung übernehmen und ein Beispiel für Einheit und Multilateralismus setzen.

Nach dem Treffen mit seinem indischen Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar am Montag erklärte dieser, die Beziehungen müssten auf „gegen­seitigem Respekt, Sensibilität und Interesse“ beruhen. Der Inder forderte Fortschritte beim Truppenabzug entlang der Waffenstillstandslinie zwischen den beiden Ländern und resümierte: „Wir führten produktive Gespräche über Handel, Pilgerreisen, Flussdaten, Grenzhandel und Konnektivität.“

Indiens Außenminister ist optimisch

Jaishankar zeigte sich zuversichtlich. Das könnte auch daran liegen, dass Peking im Anschluss laut Medien­berichten Ausfuhrbeschränkungen für Düngemittel, Seltene Erden und Tunnelbohrmaschinen aufhob.

Bereits bei der letzten Gesprächsrunde im Dezember in Peking wurden Schritte zur Verbesserung der Zusammenarbeit vereinbart. „Derzeit stehen die bilateralen Beziehungen vor einer wichtigen Chance der Verbesserung und des Wachstums“, sagte Wang am Dienstag bei seinen Gesprächen mit Sicherheitsberater Ajit Doval.

Peking messe der Teilnahme von Premierminister Narendra Modi Ende August am Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammen­arbeit (SCO) in Tianjin große Bedeutung bei, so Wang. Es ist Modis erster China-Besuch seit 2018.

Wang und Doval sprachen Berichten zufolge über vertrauensbildende Maßnahmen und die Wiederaufnahme des Grenzhandels. Am Dienstagabend traf Wang zudem Modi. „Seit meinem Treffen mit Präsident Xi in Kasan im vergangenen Jahr haben die indisch-chinesischen Beziehungen stetige Fortschritte gemacht, die von der Achtung der Interessen und Empfindlichkeiten des jeweils anderen geprägt sind“, schrieb der Regierungschef auf X. Berechenbare und konstruktive Beziehungen zwischen Indien und China würden zu Frieden beitragen.

Spekulationen um baldiges Treffen Modi-Xi

Indiens Medien spekulieren, ob es in China dann auch ein Treffen Modis mit Präsident Xi Jinping geben werde. Zuletzt begegneten sich die beiden im Oktober 2024 am Rande des Brics-Gipfels im russischen Kasan.

Die von US-Präsident Donald Trump auf indische Waren verhängten 50-prozentigen Zölle sowie der bereits zweimalige Empfang von Pakistans mächtigem Armeechef Asim Munir in Washington haben Indiens Interesse an einer Annäherung an China verstärkt. Modi hatte bereits vor der Pandemie versucht, auf Peking zuzugehen.

Die Opposition wirft ihm hingegen vor, zu wenig gegen Chinas schleichenden Vorstoß ins indische Gebiet zu unternehmen. Im vergangenen Jahr kritisierte Kongress-Chef Mallikarjun Kharge: „China dringt in unser Land ein, baut Häuser und Straßen, und Premierminister Narendra Modi schweigt.“

Opposition kritisiert Chinas Nähe zu Pakistan

Sein Parteikollege Jairam Ramesh ergänzte auf X: Erst vor drei Monaten habe China Pakistan bei dessen militärischem Schlagabtausch mit Indien modernste Waffensysteme wie J-10C-Kampfjets, PL-15-Raketen sowie Drohnen zur Verfügung gestellt. Auch habe Peking Islamabad Geheimdienstinformationen geliefert und mit dem Bau eines Staudamms am Yarlung Tsangpo begonnen. Das könne für Indien schwerwiegende Folgen haben, so Ramesh.

Jaishankar hatte denn auch auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen Anstrengung im „Kampf gegen den Terrorismus“ hingewiesen. Damit wollte er Peking nach dem jüngsten Konflikt um Kaschmir gegenüber Pakistan unter Druck zu setzen. Er soll aber auch das Zugeständnis gemacht haben, dass „Taiwan Teil Chinas ist“, heißt es von chinesischer Seite. Das war zuvor nicht der Fall, kommentiert der politische Beobachter Sushant Singh. Er wertet dies als deutlichen Kurswechsel gegenüber China.

Rajiv Bhatia, Indiens Ex-Botschafter in Peking, sieht die Entwicklungen positiv: „Der Normalisierungsprozess zwischen Indien und China kommt gut voran.“ Seit Ende Juli stelle Indien wieder Touristenvisa für Chi­ne­s:in­nen aus. Wangs Besuch blieb nicht ohne Proteste von Exil-Tibeter:innen, die diese Annäherung kritisch beobachten.

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