Arundhati Roy vor Gericht: Respekt vor der Kämpferin
Weil die indische Schriftstellerin Arundhati Roy maoistische Rebellen und die Jugendbewegung in Kaschmir verteidigt, wird ihr im Januar der Prozess gemacht.
Arundhati Roy, die mit ihrem Roman "Der Gott der kleinen Dinge" Ende der 90er Jahre weltberühmt wurde, erlebt in Indien seit Monaten ein öffentliches Comeback. Sie schmückt regelmäßig die Titelseiten der Tageszeitungen, sie ist ständig im Fernsehen, oft als die große Gescholtene, aber das steht ihr gut.
Roy ist populär, weil sie in diesem Jahr Indiens großen Themen wie keine andere provokativ besetzt hat. Dafür zollen sogar viele ihrer Kritiker ihr Respekt, dafür wird sie nun auch vor Gericht verfolgt. Roy verbrachte zu Jahresbeginn längere Zeit bei den vom indischen Staat des Terrorismus bezichtigten Maoisten-Rebellen im Dschungel. Sie schrieb wiederholt, dass die Maoisten keine Terroristen seien. Sie machte darauf aufmerksam, dass viele Maoisten Ureinwohner Indiens seien und keine Alternative hätten, um ihre bedrohten Kulturen zu verteidigen.
Sie hatte die Stimmung richtig erraten, plötzlich fand sie auch im gemäßigten Meinungsspektrum Unterstützung. Zuletzt beschloss die Regierung, die bis dahin nur eine Militärstrategie hatte, neue sozialökonomische Hilfsmaßnahmen für die von den Rebellen besetzten Gebiete. Der Wandel ist nicht zuletzt Roy zu verdanken, die konsequent jene Themen aufgreift, vor denen die indische Öffentlichkeit kuscht.
Ihr zweites großes Thema ist Kaschmir, wo seit April eine neue, Intifada-inspirierte Jugendbewegung aufloderte. Niemand in Indien schaute genau hin. Wieder waren die Jugendlichen in Kaschmir für den Mainstream nur von Pakistan trainierte Terroristen. Doch es stimmte einfach nicht.
Fast jeder Inder, der ruhig über Kaschmir nachdenkt, weiß das im Grunde seines Herzens auch. Roy aber sprach es als Einzige aus: Dass Kaschmir immer noch ein in seiner staatlichen Zugehörigkeit umstrittener Landesteil ist. Dass die Kaschmiris eine andere "Freiheit" wollen als jene, die ihnen Indien bietet. Für diese Aussagen wird sie nun der "Volksverhetzung" angeklagt. Mit dem Prozess, ab 6. Januar 2011, aber kann ihre Sache in der Öffentlichkeit nur gewinnen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt