Armensiedlung vor der Räumung: Bewohner in Ungewissheit
Der Eigentümer der Siedlung in Grünau öffnet den Platz kurz vor der Räumung für Wohnungslose. Kann der Bezirk den Bewohnern Wohnangebote machen?
![Der Künstler Frank Biesendorfer in seinem Wohncontainer Der Künstler Frank Biesendorfer in seinem Wohncontainer](https://taz.de/picture/6627392/14/biesendorfer2-container-gruenau-1.jpeg)
Dass der Bezirk Treptow-Köpenick die Siedlung und den Wohnwagenplatz nebenan räumen lassen will, mag er noch nicht glauben. „Die sind schon oft gekommen und haben gesagt, dass sie hier aufräumen.“ Und wenn es diesmal stimmt? Der Vollbartträger mit dem Kreuz um den Hals zuckt mit den Achseln. „Wir werden sehen.“
Seit über einem Jahr will das Bezirksamt die Armensiedlungen von Grundstückseigentümer Wolfang Ziegler loswerden. Nun könnte es so weit sein: Nach gewonnenen Gerichtsprozessen und verhängten Bußgeldern soll Ziegler bis Ende nächster Woche das Grundstück, auf dem etwa 100 Menschen leben, räumen.
Als Retourkutsche hat Ziegler über einen Mitarbeiter am Mittwoch erklären lassen, die Adresse Adlergestell 552 sei nun der erste „safe place“ für Wohnungssuchende, das Gelände frei zur „Selbstermächtigung“. Sprich: Jeder kann kommen. Ein letzter Denkzettel für den Bezirk?
Sozial? „Alles Quatsch“
Am Donnerstagmittag sind die Tore zum Trailerpark jedenfalls geschlossen. Einer der Bewohner, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, sagte er taz, er habe nichts davon mitbekommen, dass nun Obdachlose kommen dürfen. Im Gegenteil: „Gestern musste jemand gehen, weil das Jobcenter seine Miete nicht mehr zahlt“, erzählt der Mann, der seit über einem Jahr in einem Wohnwagen wohnt.
Aber was ist mit Zieglers Behauptung, seine Plätze – auch in Lichtenberg hat er einen – seien „soziale Wohnprojekte“, auch wer kein Geld habe, dürfe bleiben? „Alles Quatsch“, sagt der Bewohner. Bis vor Kurzem habe er noch gerne im Trailerpark gewohnt. Doch inzwischen sei die Stimmung umgeschlagen. Er hoffe nun, dass der Bezirk wie versprochen etwas Anständiges findet für ihn und die anderen – und zwar nicht im Obdachlosenheim. Am Montag ist ein Treffen des Sozialamts mit den Bewohnern angesetzt.
Biesendorfer glaubt nicht daran. Schon vor einem Jahr habe der Bezirk ihm einen Platz im Wohnheim angeboten, doch das wolle er nicht. Auf weitere Anfragen seinerseits um Hilfe habe der Bezirk nicht mehr reagiert, erzählt der experimentelle Filmemacher. „Die Politiker machen doch nur Blabla.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche