Armee-Musiker*innen spielen „Layla“: Die Bundeswehr schunkelt mit
Das Heeresmusikkorps Kassel spielt auf einem Fest den Hit „Layla“ – trotz sexistischem Text. Konsequenzen hat das für die Soldat*innen wohl nicht.
Die Festbesucher*innen auf dem Schützenplatz von Olpe hatten ihren Spaß, wie man in einem YouTube-Video sieht. Der frisch gekürte Schützenkönig und seine Frau tanzten auf dem Tisch. Das Publikum klatschte und johlte. Es lief ja auch gerade „Layla“, der Nummer-eins-Hit aus den Charts, der eine eingängige Melodie hat, aber wegen seines sexistischen Textes („Meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler“) umstritten ist.
Eigentlich nicht ungewöhnlich für ein Volksfest. Was die Szene im Sauerland dann aber doch speziell machte: Der Song kam nicht aus der Konserve, sondern wurde live gespielt – in einer Blasmusikversion von Soldaten des Heeresmusikkorps Kassel, die das Fest begleiteten. Der Oberstleutnant, der die Kapelle leitet, dirigierte nicht nur seine Musiker, sondern heizte laut singend auch die Zuschauer*innen an.
Die Debatte über das Lied sei für ihn völlig überzogen, sagte der 41-Jährige in dieser Woche der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen. „Wer sucht, wird in vielen Liedern Sexismus finden.“
Weniger begeistert als das Publikum in Olpe reagierten die Vorgesetzten des Oberstleutnants. „Selbstverständlich distanziert sich der Militärmusikdienst, wie auch die gesamte Bundeswehr von Diskriminierung, Benachteiligung oder sexistischer Darstellung“, sagte ein Sprecher des Zentrums Militärmusik der Bundeswehr der taz. „Der Leiter des Heeresmusikkorps Kassel wurde hinsichtlich der hier vorliegenden Thematik sensibilisiert.“
Nachsicht von den Vorgesetzten
Ein „Layla“-Verbot haben Bundeswehr und Verteidigungsministerium aber ihren Musiker*innen nicht erteilt. „Die Leiter der Musikeinheiten des Militärmusikdienstes der Bundeswehr sind in ihrer Programmauswahl grundsätzlich frei“, sagte der Sprecher. Disziplinarmaßnahmen hat der Oberstleutnant wohl nicht zu befürchten.
In einem anderen Fall, in dem eine Soldatin öffentlich sexuelle Präferenzen äußerte, griff die Bundeswehr härter durch: Ende Mai bestätigte das Bundesverwaltungsgericht einen Verweis für eine transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin. Auf ihrem Profil einer Dating-Plattform hatte sie geschrieben: „Offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“
Nach Auffassung des zuständigen Truppendienstgerichts hat sie damit den Eindruck vermittelt, dass sie sich selbst und ihre Geschlechtspartner*innen zu reinen Sexobjekten reduziere. Damit habe sie dem Ruf der Bundeswehr geschadet. Anders als die Soldaten auf dem Olper Schützenfest trat sie ohne Uniform oder sonstigen Bundeswehrbezug auf.
Das Lied „Layla“ ist der erste Ballermann-Hit, der den ersten Platz der Charts erreicht hat. Die Debatte entspann sich, nachdem die Stadt Würzburg beschlossen hatte, dass der Song bei einem Volksfest auf einem städtischen Gelände nicht mehr gespielt werden soll. Einige Kommunen und Festveranstalter schlossen sich an. Der „ZDF-Fernsehgarten“ führte das Lied mit Originaltext auf. Auch in der Bläserversion dürfte es weiter zu hören sein: Im Fachhandel gibt es „Layla“-Noten für Blasorchester und für Big Bands.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen